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»Als wären wir fremde Menschen«: Kita im Kreis Gießen weist Familie ab

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Von: Stefan Schaal

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»Es geht uns darum, dass anderen Familien in der Zukunft so etwas nicht passieren sollte«, sagen Nami und Yasemin Sahin. © Stefan Schaal

Eine Familie darf ihr Kind nicht mehr in der Kita betreuen lassen. Der Konflikt zeigt, wie schlechte Kommunikation zu großer Frustration führen kann.

Linden – Zehn Tage ist es her, da wissen Yasemin und Nami Sahin nicht mehr weiter. Das Ehepaar will die zwei Jahre alte Tochter in der Krippe »Krabbelkäfer« in Linden (Kreis Gießen) abgeben, wie jeden Morgen. Doch das Kind wird abgewiesen. »Wir dürfen Ihre Tochter nicht aufnehmen«, erklärt ihnen die Kita-Leiterin. Wenige Augenblicke später sitzt die Familie verzweifelt im Auto. Die Tochter ruft mit fragendem Blick: »Kita«.

Das sei ein unangenehmes Erlebnis gewesen, berichtet die 30 Jahre alte Mutter. »Auch für das Kita-Personal, das haben wir gespürt«, fügt sie hinzu. Die Familie indes habe zu dritt ratlos vor der Tür der Krippe gestanden. »Wir sind abgewiesen worden, als wären wir komplett fremde Menschen«, sagt Yasemin Sahin.

Formal, das muss betont werden, hat die Stadt Linden korrekt gehandelt. Die Familie ist im November vergangenen Jahres von Linden nach Langgöns (Kreis Gießen) umgezogen. »Klar, uns steht der Krippenplatz in Linden nicht mehr zu«, räumt Yasemin Sahin ein. »Aber es ist das Wie, das uns ärgert.«

Kita in Linden (Kreis Gießen) weist Familie ab: Von einem Tag auf den anderen

So verliert die Familie zunächst von einem Tag auf den anderen den Krippenplatz. Beide Elternteile, die beruflich als Maschinenbauingenieure tätig sind, stehen vor dem Problem, kurzfristig eine Betreuung für ihr Kind suchen zu müssen. Hinzukommt: Als sich die Eltern bei der Stadtverwaltung über den unpersönlichen Umgang mit ihrem Fall und über monatelanges Ignorieren ihrer Anfragen per E-Mail beschweren, erhalten sie eine Antwort des Ersten Stadtrats, Harald Liebermann. »Wo bleibt denn Ihr Dankeschön an unsere Mitarbeiterinnen«, schreibt dieser, »die sich umgehend und intensiv um eine Lösung für Sie gekümmert haben?«

Der Fall lenkt in der aktuellen Diskussion um den erheblichen Mangel an Erziehern den Blick darauf, dass bei all den Schwierigkeiten für Städte und Gemeinden, Fachkräfte für Kindergärten zu gewinnen, gleichzeitig die Kommunikation mit den Familien nicht auf der Strecke bleiben darf.

Yasemin Sahin zeigt einen Brief der Stadt Linden, datiert auf den 31. Januar dieses Jahres. Die Familie habe ihr Kind, steht in dem Bescheid, von der Betreuung in der Krippe »Krabbelkäfer« zum 31. Januar 2023 abgemeldet. »Das haben wir aber gar nicht«, betont Yasemin Sahin.

Es sei ein weiteres Kapitel in der gescheiterten Kommunikation mit der Stadt. Als vor zehn Tagen die Kita-Leiterin sie abgewiesen habe, seien sie anschließend ins Rathaus gegangen und hätten ein Gespräch mit dem Ersten Stadtrat oder der Fachbereichsleiterin gewünscht. Dazu sei es aber nicht gekommen.

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Kita in Linden (Kreis Gießen) weist Familie ab: Kein Anspruch auf Fortführung der Betreuung

Sahin zeigt ein weiteres Schreiben der Stadt, eine E-Mail vom 30. Januar. Darin wird die Kita-Satzung der Stadt Linden zitiert, wonach bei Wohnsitzänderung kein Anspruch auf Fortführung der Betreuung besteht, der Anspruch auf den Kita-Platz entfalle mit sofortiger Wirkung. Dass derselbe Paragraf auch Ausnahmesituationen und Einzelfallbetrachtungen einräumt, wird nicht erwähnt. »Die denken, wir lesen die Satzung nicht, die wollen uns einfach abspeisen«, erklärt Nami Sahin.

»Hätten wir nur einmal in aller Ruhe miteinander geredet, dann hätte ich die Stopptaste gedrückt und hätte es dabei belassen«, sagt Yasemin Sahin. »Dass Lindener Kinder für einen Krippenplatz Vorrang haben, kann ich natürlich nachvollziehen«, erklärt sie. »Wir erhoffen uns weniger, dass sich die verantwortlichen Personen entschuldigen oder ihre Reaktion ändern. Es geht uns eher darum, dass anderen Familien in der Zukunft so etwas nicht passieren sollte.« Ihr Mann fügt hinzu, fehlende Dankbarkeit könne man ihnen nicht vorwerfen. »Wir haben uns bei den Erzieherinnen und bei der Kita-Leitung bedankt. Aber eine Stadtverwaltung sollte einfach bürgernah sein.«

Die Lindener Stadtverwaltung ist mittlerweile auf die Familie zugegangen, in Absprache mit dem Landkreis hat sie eine Ausnahmegenehmigung für den Krippenplatz bis 28. Februar erwirkt. In Lang-Göns, dem neuen Wohnort der Familie Sahin, geht der Kampf um einen Krippenplatz und um gute Kommunikation mit der Verwaltung unterdessen weiter. »Wir haben uns dort im Sommer über das Webkita-Portal gemeldet«, erzählt Yasemin Sahin. »Wir haben bisher keine Rückmeldung.« (Stefan Schaal)

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