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Abholzen oder Artenschutz?

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Um diese prächtige Rotfichte in Lang-Göns ist ein heftiger Streit im Gange. © Imme Rieger

Langgöns (iri). Im Garten eines Mehrfamilienhauses mit Eigentumswohnungen in der Lilienstraße im Ortsteil Lang-Göns steht eine etwa zwölf Meter hohe, mächtige Fichte. Diese ist einigen Bewohnern ein Dorn im Auge, sie möchten sie am liebsten fällen lassen. Das will Eugen Pletsch, der ebenfalls in dem Haus lebt, unbedingt verhindern: In den zurückliegenden Wochen hat er sich mit großem Engagement für den Erhalt des Baumes eingesetzt.

Bisher mit Erfolg. Weitere Bewohner sehen es wie er, die Hausgemeinschaft ist gespalten. Abholzen oder Artenschutz - darum geht es.

Was genau ist geschehen? Eugen Pletsch erzählt: »Im Juni stand ein Antrag auf der Eigentümerversammlung, der den Rückschnitt oder die Fällung des Nadelbaums auf der Nordseite unseres Hauses forderte.« Sofort sprach er sich vehement gegen die Fällung dieser »kräftigen, kerngesunden Fichte« aus. Pletsch liebt diesen Baum, der auch Rottanne genannt wird, und kann zahlreiche Vorzüge nennen: »Der Baum ist ein wunderbares Biotop, er reduziert den Autobahnlärm auf der Schlafzimmerseite, schützt das Haus gegen Nord- und Ostwind, reduziert Staubanflug vom benachbarten Feld, verbessert das Hausklima und bietet vielen Vögeln Nahrung und Schutz.« Doch warum wollen einige Mitbewohner des Hauses den Baum loswerden? Hausverwalter Markus Fischer moderiert den Streitfall. Er sagt: »Einige Leute aus dem Haus wollen den Baum weghaben. Äste drücken auf den Zaun, Wurzeln heben den gepflasterten Parkplatz, das stört einige Leute. Sie finden, der Baum gehört gar nicht dahin.« Stattdessen möchten sie einen »Blühstreifen« entlang des Zauns anlegen.

Eugen Pletsch sieht das nicht so: »Blühstreifen für Insekten und Vögel anzupflanzen, ist immer gut. Doch dafür ein lebendiges Biotop zu beseitigen, ist doch ein Unding.« Deshalb hat Pletsch einige Naturschützer zurate gezogen, die sich alle gegen das Abholzen der Fichte ausgesprochen haben.

Darunter auch Dr. Tobias Erik Reiners, Vorsitzender der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON). Er betont: »Der Biodiversitätsverlust gehört zu den größten Krisen unserer Zeit. Eine Fällung von Bäumen, wie diese Fichte, ist aus unserer Sicht eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensraumausstattung in dem Siedlungsbereich vieler Vögel.«

Günther Oberländer von der NABU-Gruppe Oberes Kleebachtal hat eine Artenschutzprüfung an der Rotfichte durchgeführt. Dabei wurde der Baum auf Beschädigungen augenscheinlich untersucht. »Die Fichte zeigt sich in einem ausgesprochen vitalen und gesunden Zustand«, konstatiert Oberländer. Durch den Baum verursachte Pflasterschäden auf dem Parkplatz konnte er nicht feststellen. Als rechtliche Konsequenzen ergebe sich, dass der Baum nicht einfach gefällt werden könne, eventuelle Maßnahmen müssten mit der Unteren Naturschutzbehörde Gießen abgestimmt werden.

Eugen Pletsch hatte die Behörde bereits vor der Artenschutzprüfung kontaktiert. Die Mitarbeiterin bestätigt die juristischen Ausführungen Oberländers. Sie unterstreicht, dass »Verbotstatbestände beim Fällen des Baumes« eintreten könnten wie die Zerstörung von Nestern. Dann könnten hohe Bußgelder verhängt werden. Eugen Pletsch fragt sich jetzt auch: Würde der Baum gefällt und käme es in der Folge zu einer Geldstrafe für die Hausgemeinschaft, müsste er sich dann, obwohl er nicht einverstanden war, auch an den Kosten der Fällung und des Bußgeldes beteiligen? Diese Frage konnte ihm bisher noch niemand beantworten.

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