»KUSS«-Festival in Marburg beflügelt die Fantasie
Ein Festival des angeregten Austausches hat sich Organisator Jürgen Sachs vom Landestheater gewünscht. Die 21. Hessische Kinder- und Jugendtheaterwoche hat dieses Ziel spielend erreicht. Am Ende gab es 18 ausverkaufte Vorstellungen und einen strahlenden Preisträger aus Belgien.
Belgien ist ein Hort des Kindertheaters«, findet Theatervereinsvorsitzender Jürgen Bandte und verweist darauf, dass das Agora-Theater aus dem belgischen St. Vith bereits dreimal den vom Freundeskreis des Marburger Theaters gestifteten Preis abräumen konnte. Auch an diesem Samstag wandert die Auszeichnung in Höhe von 2000 Euro über die Grenze – an die Compagnie Sac à Dos aus Brüssel. Ihre minimalistische Produktion »Das Mädchen vom Mond« konnte die Jury gänzlich überzeugen: »Das surreale Spiel mit Puppen und Objekten lässt eine magische Welt entstehen, in der alles möglich wird: Freundschaft trotz Andersartigkeit und die Überwindung von eigentlich unüberbrückbaren Entfernungen.«
Spricht »Das Mädchen vom Mond« Kinder ab vier Jahre an, so ist die ausgefeilte Aufführung des Puppentheaters Halle für Jugendliche ab 15 Jahre gedacht. Auch zahlreiche Erwachsene haben sichtlich ihre Freude, als das fünfköpfige Team mit sprühender Charme Gabriel Garcia Márquez Jahrhundertroman »Die Liebe in Zeiten der Cholera« auf die Bühne im Schwanhof zaubert. Mit tänzerischer Leichtigkeit führen die Spieler mit ihren wunderbar lebendig wirkenden Puppen durch die einmalige Liebesgeschichte von Florentino Ariza, der 51 Jahre, neun Monate und vier Tage auf seine Angebetete Fermina Daza warten muss.
Große Literatur berührend zum Leben erweckt!
18 Vorstellungen hat die aus Schülern und Erwachsenen bestehende Jury in der vergangenen Woche gesichtet – Schwerstarbeit, wie sie findet, denn es war nicht leicht, sich in der Fülle des ausgewogenen Angebots für die besten Produktionen zu entscheiden. Den undotierten zweiten Platz belegt das Staatstheater Kassel mit seiner Version von »Huck Finn« nach Mark Twain. Der dritte Rang geht an das Frankfurter Theaterhaus Ensemble mit »Patricks Trick«, einem Stück von Kristo Šagor für Kinder ab zehn Jahre, das sich mit viel Witz dem Thema Inklusion nähert.
Die Frankfurter Truppe ist es denn auch, die »Das große Buch« des 21. KUSS-Festivals abschließt. Neugierig blättert sie in den schweren Seiten des überdimensionalen Werkes, das verführerisch auf einem Küchentisch liegt, und fördert fünf originelle Geschichten des Schweizer Autors Franz Hohler zutage.
Ob sie nun von der »Spaghetti-Frau«, den »Kleidern des Herrn Zogg« oder der »dummen Lawine« erzählt – das Spiel des vierköpfigen Teams hat Humor und Esprit, zeugt von der Wandlungsfähigkeit der Darsteller. Blitzschnell schlüpfen sie in die unterschiedlichsten Rollen – vom aufgeweckten Kind bis zur brabbelnden Großmutter, die tief gebückt über die Bühne schlurft. So Fantasie beflügelnd sollte Theater für Kinder immer sein. Das nächste Kapitel des beliebten KUSS-Festivals wird am 19. März 2017 aufgeschlagen.
Marion Schwarzmann