Kunstwerke auf Eierschalen

Tiere, Landschaften, Häuser oder Blumenmuster - es gibt fast nichts, was Marita Schmidt nicht auf Eier malen könnte. Über Jahrzehnte war die Heuchelheimerin mit ihren kleinen Kunstwerken auf Ostermärkten in ganz Deutschland anzutreffen.
Liebevoll ist jedes einzelne Ei arrangiert, dass im Wohnzimmer von Marita Schmidt drapiert ist. Die Heuchelheimerin hat einen reichen Fundus an bemalten Eiern - manche sind schon Jahrzehnte alt. Und nahezu alle hat die 75-Jährige selbst bemalt. Hier drei Eier gebettet auf Strandsand, auf den Schalen Ansichten einer Ortschaft an der Ostsee. Dort ein großes Schwanenei, platziert in einem Vogelnest. Auf diesem zu sehen sind Wildrosen, zwischen den Bienen umherschwirren. Überall kann der Beobachter kleine Details entdecken.
Mit dem klassischen Bemalen von Ostereiern hat es nicht viel gemeinsam, wofür Marita Schmidt bekannt ist. Seit über 30 Jahren schafft sie auf Eierschalen kleine Kunstwerke.
Punkt für Punkt, Strich für Strich entsteht langsam das Bild eines kleinen, braunen Zaunkönigs. Vorsichtig, fast meditativ führt Schmidt den Pinsel immer wieder über das Bild des Vogels. Die Spitze des Pinsels biegt sich auf der rauen Oberfläche des Eis leicht durch. Dabei hellt sich die Stelle, über die die Pinselhaare fahren immer weiter auf. Ein prüfender Blick, dann wird zur nächsten Stelle gewechselt.
»Ich habe schon immer leidenschaftlich gerne gemalt«, erzählt die Heuchelheimerin. »1988 habe ich dann testweise angefangen, Eier zu bemalen. Kurz darauf hat der Lions Club Gießen gefragt, ob ich mich bei einem Ostermarkt in der Heuchelheimer Turnhalle beteiligen würde.«
Diese Ausstellung entpuppte sich für Schmidt als voller Erfolg. In den folgenden Jahren präsentierte sie ihre Kunst auf großen Ostermärkten und -ausstellungen. »Auf den besonders großen Märkten muss man sogar vor Ort zeigen, wie man seine Eier bemalt. Einfach nur einige Stücke mitbringen, das geht da nicht«, erzählt sie. Schmidt schätzt, dass sie innerhalb von 25 Jahren rund 1000 Eier bemalt hat. Jedes einzelne ein Unikat. Die meisten hat sie verkauft. Besonders amerikanische und japanische Kunden hätten sich für die handbemalten Eier interessiert. »Ich hätte nie gedacht, dass das mal so ein Erfolg werden würde.«
Schließlich ist der Zaunkönig fertig. Schmidt rückt ihre Brille zurecht und inspiziert ihr Werk. Sie greift sich eine Sprühdose und tritt vor die Tür. Mit dem Klarlack versiegelt sie die Oberfläche des Eis. Der feine Nebel aus der Sprühdose legt sich auf das Bild und sorgt dafür, dass die Farbe nicht mehr verwischen kann.
Das Bemalen von Eiern hat schon seit Urzeiten Tradition. Die ältesten archäologischen Funde lassen darauf schließen, dass bereits vor über 60 000 Jahren Eier bunt gefärbt wurden. Auch bei den antiken Ägyptern war das Färben von Eiern bekannt, und schon die frühen Christen bemalten Eier rot, um an das Blut Christi zu erinnern. Spätestens ab dem Mittelalter ist das »Osterei« unter diesem Namen bekannt.
Um ein möglichst gutes Ergebnis zu erreichen, ist Vorbereitung nötig: »Ich wasche die Eier vorher immer gründlich, denn auf der Schale ist viel Fett. Da hält keine Farbe«, erklärt Schmidt. Danach bearbeitet sie die Schale mit feinem Schleifpapier. »So sind Eier ein ganz toller Untergrund, um darauf zu malen.« Für ihre Bilder benutzt sie ausschließlich Aquarellfarbe.
Ihre Motive findet Schmidt meist im eigenen Garten: Frühlingsblühende Blumen, Vögel, Bienen und Hummeln finden sich immer wieder auf ihren Bildern. Das meiste wächst oder fliegt direkt vor ihrer Haustür. »Man lernt, seine Umwelt aus einem ganz anderen Blickwinkel zu sehen«, sagt Schmidt. Das Endergebnis ist für die Künstlerin jedes Mal wieder eine Überraschung: »Ich weiß am Anfang nicht, was dabei herauskommt. Ich male mit einer Idee los und füge immer mehr Kleinigkeiten hinzu.« Das können auch schon einmal winzig kleine Ameisen oder andere Insekten sein.
Seit einigen Jahren hat Schmidt jedoch etwas Abstand vom Eiermalen genommen. »Mein Interesse daran war einfach nicht mehr so stark«, erzählt sie. Ganz aufgegeben hat sie es allerdings nicht: »Wenn ich Lust habe, dann bemale ich heute noch Eier. Manchmal fragen mich Freunde und Bekannte, ob ich nicht ein Ei als Geschenk für jemanden bemalen könnte.« Gerade zu Hochzeiten oder Jubiläen werden diese gerne verschenkt. Da sagt sie nicht nein. Das ist auch bei dem Bild des kleinen Zaunkönigs der Fall - das hat Schmidt für eine Freundin angefertigt.
Und dann freuen sich natürlich ihre Enkelkinder darauf, mit ihrer Oma wieder Ostereier bemalen zu können: Denn so eine große Auswahl an Farben und Pinseln findet man nicht überall. Und gemeinsam Ostereier zu gestalten, das ist auch abseits vom künstlerischen Aspekt eine schöne Tradition.