Kröll-Ausstellung ab September

Seit Frühjahr beschäftigen sich Studenten mit dem heimischen Künstler Walter Kröll - und gehen dabei auch der Frage nach, ob er ein Repräsentant des Nationalsozialismus war. Diskussionen um ein Wandrelief Krölls an der Limesschule in Pohlheim waren für ihre Recherchen ein Auslöser. Die Studenten sind auf eine bemerkenswerte Vielzahl an Werken gestoßen - und wollen sie schon bald präsentieren.
Das Dröhnen von Baggern umhüllt den Schulhof in Watzenborn-Steinberg. Während die Arbeiten im Rahmen eines Neubaus der Limesschule in vollem Gang sind, wird draußen im Hof der Blick frei auf eine Wand. Schwarze Figuren aus Kupfer und Glas sind auf ihr angebracht, gestaltet in Anlehnung an Fabelgestalten Äsops. Es ist ein Kunstwerk, das jahrzehntelang eher marginale Aufmerksamkeit erhielt. Nun aber hat die Frage, was mit dem Wandrelief nach dem Neubau und dem Abriss des alten Schulgebäudes geschehen soll, kreisweit eine Diskussion über den Künstler Walter Kröll neu entfacht.
Studenten der Kunstgeschichte an der Uni Gießen beschäftigen sich seit Frühjahr intensiv mit Kröll, in einem Seminar unter Leitung von Prof. Sigrid Ruby und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Annabel Ruckdeschel. Sie haben in ihren Recherchen eine bemerkenswerte Vielzahl an Werken aufgespürt. Ab 6. September wollen sie ihre Entdeckungen im Oberhessischen Museum im Alten Schloss in Gießen präsentieren, die Ausstellung soll bis zur feierlichen Eröffnung am 12. Oktober ständig um Exponate erweitert werden.
Für viele Besucher der Schau wird eine Frage im Mittelpunkt stehen. Auch die Entscheidung, ob und an welchem Ort das Wandrelief an der Limesschule nach Fertigstellung des Neubaus wieder einen Platz findet, wird sich an dieser Frage orientieren: War Kröll, Jahrgang 1911, ein Repräsentant des Nationalsozialismus?
Eine eindeutige Antwort werde es in der Ausstellung nicht geben, kündigen die Studenten an. Sie haben autobiografische Schriftstücke Krölls aus der Zeit des Nationalsozialismus und aus späteren Jahren in Augenschein genommen und widersprüchliche Äußerungen gefunden. Die Zeit in der Hitlerjugend habe er einmal als schön bezeichnet, berichten sie. Kröll schreibe, die Zeit habe ihn befähigt, im Nationalsozialismus angemessen zu malen. In der Gießener Uni-Aula soll ein großes, von Kröll angefertigtes Hitler-Gemälde gehangen haben.
In den Nachkriegsjahren indes betont der Künstler den Studenten zufolge, er habe mit dem Nationalsozialismus nicht viel zu tun gehabt. Aus der Entnazifizierungsakte, die freilich mit Vorsicht zu bewerten sei, gehe hervor, dass ein Vertreter des Oberhessischen Künstlerbunds erklärte, Kröll habe in Opposition zum Nationalsozialismus gestanden.
In ihren Recherchen seien sie auf keine glühenden Bekenntnisse Krölls zum Nationalsozialismus gestoßen, sagt Ruby. Die bislang gesichteten Werke, ergänzt die Kunsthistorikerin, deuten nicht auf einen »besonders politisierten oder agitatorisch arbeitenden Künstler« hin. Kröll habe die Kunst insbesondere als »seinen Brotberuf« aufgefasst.
»Natürlich hätten wir gerne Quellen gefunden, die eindeutige Antworten geben«, sagt Ruby. Krölls Mitgliedschaft in der Hitlerjugend und in der Reichskulturkammer seien gesichert, eine Zugehörigkeit zur NSDAP nicht. »Vielleicht ist die strukturelle Frage, was es bedeutet, in einem solches Regime heranzuwachsen und im Rahmen einer akademischen Ausbildung Künstler zu werden, viel interessanter.«
Die Frage nach Krölls Position zum Nationalsozialismus werde auf jeden Fall eine bedeutsame Rolle in der Ausstellung einnehmen, versichern Ruby und die Studenten. »Wir wollen den Besuchern die Möglichkeit geben, sich selbst ein Urteil zu bilden«, sagt Marie Schreiner. Ein Ziel der Ausstellung werde vor diesem Hintergrund auch sein, die Situation für Künstler im Nationalsozialismus darzustellen.
Es ist ein Dienstagnachmittag, die Studenten sitzen im Netanya-Saal des Alten Schlosses, sie besprechen die nächsten Schritte für die Ausstellung. Auf einem Tisch liegt eine dicke Mappe. Es ist ein Teil des von Krölls zweiter Ehefrau bewahrten, sich im Oberhessischen Museum befindenden Nachlasses des Künstlers: Skizzen, Gemälde, Grafiken und Entwürfe vor allem für die Kunst am Bau in den 50er und 60er Jahren.
Die Studenten haben recherchiert, wo die Werke aus der Skizzenmappe zu finden sind. Sie wollen ein Werksverzeichnis erstellen. Mehrfach sind sie beispielsweise in Gießen, Heuchelheim, Lich, Alsfeld und auch im Schwarzwald fündig geworden. An einer Grundschule hänge dort ein Werk, das mit dem Wandrelief an der Limesschule verwandt sei, berichtet Ruby.
Sie seien bei ihrer Suche auf mehr und mehr Werke an Wänden von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und weiteren öffentlichen Einrichtungen gestoßen, zum überwiegenden Teil in der Region. »Wir haben einen Kröll gefunden - und bald darauf sind fünf weitere hinzugekommen«, berichtet Ruckdeschel. Eine neue Entdeckung sei eine Metallgrafik Krölls am Feuerwehrstützpunkt in der Steinstraße in Gießen. Ein Gemälde aus dem früheren Gemeinschaftsraum des Licher Kreiskrankenhauses haben sie in Privatbesitz aufgespürt. »Wir haben angefragt, ob wir es ausstellen dürfen«, sagt Ruby.
Die Recherchen hätten dazu beigetragen, dass sie erstmals ihre Aufmerksamkeit auf die Kunst an Gebäuden richte, sagt Studentin Lea Jainta. »Die habe ich bisher kaum wahrgenommen.«