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Neue Regel an Wetterauer Schulen macht Eltern im Kreis Gießen das Leben schwer

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Von: Stefan Schaal

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Der zehn Jahre alte Sohn der Familie Maaß besucht die vierte Klasse der Grundschule in Lang-Göns. Welche weiterführende Schule er danach besucht, ist nun ungewiss.
Der zehn Jahre alte Sohn der Familie Maaß besucht die vierte Klasse der Grundschule in Lang-Göns. Welche weiterführende Schule er danach besucht, ist nun ungewiss. © Stefan Schaal

Schulen im Wetteraukreis nehmen in der Regel keine neuen Schüler aus dem Kreis Gießen auf. Problematisch für Schüler, die auf einen sicheren Platz vertraut haben.

Kreis Gießen – Der Ärger ist groß. Sie haben in den vergangenen Tagen wenig geschlafen, erzählen die Eheleute Horwath aus Lang-Göns. »Wir fühlen uns vor den Kopf gestoßen«, sagen sie. Anlass ist ein Brief, der sie und 18 weitere Familien im Kreis Gießen am Donnerstag und am Freitag vergangener Woche erreicht hat.

Der Brief ist eine Absage. Die Leiterin der Weidigschule in Butzbach, Annette Pfannmüller, äußert darin ihr Bedauern, einen Aufnahmeantrag für die Kinder der Familien ablehnen zu müssen. Hintergrund ist eine Verfügung des Wetteraukreises. Plötzlich ist für die Familien völlig ungewiss, welche Schule ihre Kinder nun nach den Sommerferien besuchen werden. »Wir hängen in der Luft«, sagt Horwath.

Sämtliche weiterführende Schulen im Wetteraukreis nehmen ab kommendem Schuljahr keine Kinder mehr aus anderen Landkreisen auf. Dies bestätigt Deliah Eckhardt, Pressesprecherin des Wetteraukreises. Grund sei, dass mehr als 1000 Kinder von Flüchtlingen aus der Ukraine Intensivklassen in Schulen der Wetterau besuchen sollen, in denen sie schnell Deutsch lernen. Es gehe darum, für diese Kinder ausreichend Kapazitäten bereitzustellen.

Ärger über Entscheidung des Wetteraukreis: Keine Alternative für Schulkinder aus dem Kreis Gießen

Der Zeitpunkt der Entscheidung verwundert - und macht viele der betroffenen Eltern wütend. Der Beschluss des Wetteraukreises fiel am 29. April per Verfügung, wie aus dem Schreiben der Leiterin der Weidigschule hervorgeht. Hinzu kommt, dass das zuständige Schulamt die Freigabe, die Aufnahme- und Ablehnungsbescheide an die Eltern zu verschicken, den Schulen erst für vergangene Woche erteilt hat. »Wir haben für unseren zehn Jahre alten Sohn in unserem Antrag als Zweit- und Drittwunsch nach der Weidigschule die Ost- und die Herderschule in Gießen angegeben«, erzählen die Eheleute Maaß aus Lang-Göns. Nach der Absage aus Butzbach hätten sie nun bei diesen Schulen in Gießen angerufen. »Die Antwort war bei beiden die selbe: Wir sind voll.« Die Anmeldeverfahren seien dort schon vor den Osterferien abgeschlossen gewesen.

»Monatelang haben wir uns über weiterführende Schulen in der Region informiert, haben Tage der offenen Tür besucht und pädagogische Konzepte verglichen«, erzählen sie. » Jetzt haben wir am Ende gar keine Wahl mehr.« Dabei handle es sich um eine wichtige Entscheidung, betont Horwath. »Es geht um den Bildungsweg unserer Kinder über die kommenden acht Jahre.«

Schulbesuch in Gießen bereitet Eltern große Probleme

17 der 19 betroffenen Familien aus dem Kreis Gießen, die ein Ablehnungsschreiben der Weidigschule erhalten haben, sind aus Langgöns. Seit Jahrzehnten bevorzugen viele Langgönser Familien bei der Wahl des Gymnasiums Butzbach, vor allem aufgrund der Verkehrswege.

Nun, durch die Ablehnung in Butzbach, könnten viele Freundschaften, die an der Grundschule in Lang-Göns geknüft wurden, auseinandergerissen werden, befürchten Eltern. »Gerade die Pandemie hat doch gezeigt, wie wichtig Freundschaften sind«, erklären die Eheleute Maaß.

Eine ältere Tochter besuche bereits die Weidigschule. erklärt Horwath. »Wenn wir jetzt das andere Kind an eine Schule nach Gießen schicken müssen, führt das zu Problemen beim Hinbringen, Abholen und bei der Betreuung.«

Sonderregeln für Eltern aus Kreis Gießen möglich

Das letzte Wort in dem Konflikt um die Aufnahme von Schülern aus dem Kreis Gießen in Butzbach ist derweil offenbar noch nicht gesprochen. Es werde Einzelfallregelungen geben, erklärt Eckhardt, die Sprecherin des Wetteraukreises gegenüber dieser Zeitung. Zum Beispiel wenn bereits Geschwister eine Schule in der Wetterau besuchen oder wenn ein Umzug in die Wetterau anstehe. Eltern könnten sich in solchen Fällen an die ablehnende Schule wenden.

Bei manchen betroffenen Familien ist der Eindruck entstanden, der Wetteraukreis treffe eine folgenreiche Entscheidung, wälze die Konsequenzen aber auf die Schulen ab. »Die Leiterin der Weidigschule ist die einzige, die mit uns spricht und sich für uns einsetzt«, sagt Horwath.

Eines ist für die Familien sicher: Ohne einen Schulplatz werden die Langgönser Kinder am Ende nicht dastehen. Eine Aufnahme an der Anne-Frank-Schule in Linden wäre garantiert. Im Gegensatz zur Weidigschule, einem Gymnasium, handelt es sich indes um eine kooperative Gesamtschule. »Meine Tochter wäre durchaus gesprächs- und kompromissbereit«, erzählt Horwath. »An die Anne-Frank-Schule will sie aber auf keinen Fall.«

Langgönser Bürgermeister will flexible Regeln für Schüler aus Kreis Gießen

Kinder aus Espa und Oberkleen betrifft die neue Regelung des Wetteraukreises übrigens nicht. Der Besuch einer weiterführenden Schule in Butzbach wäre für sie weiterhin möglich, weil diese Langgönser Ortsteile seit 1986 vertraglich zum Wetterauer Schulbezirk zählen.

»Für uns Langgönser wäre es gut, wenn die Aufnahme von Schülern weiterhin möglichst flexibel geregelt wäre«, sagt Marius Reusch, der Langgönser Bürgermeister, der einst an der Weidigschule sein Abitur abgelegt hat.

Die 19 betroffenen Eltern, die das Ablehnungsschreiben erhalten haben, geben sich unterdessen kämpferisch. Sie seien keineswegs dagegen, dass Flüchtlingskindern aus der Ukraine Kapazitäten eingeräumt werden, betonen sie. Doch müssten auch für die Langgönser Familien eine Regelung und alternative Lösungen aufgezeigt werden. Einige der Eltern kündigen an, rechtlich gegen die Entscheidung des Wetteraukreises vorgehen zu wollen. Alle haben Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt. Am kommenden Mittwoch erwarten sie eine Antwort. (Stefan Schaal)

Corona hat für die Schulen im Kreis Gießen wie ein Katalysator gewirkt. Mit Hochdruck wurden für Schüler und Lehrer Laptops und Computer angeschafft – das macht sich jetzt bemerkbar. (Stefan Schaal)

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