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Tanja Heieis aus Laubach hat sich als Schornsteinfegerin selbstständig gemacht

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Von: Stefan Schaal

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Tanja Heieis ist im Kreis Gießen „bekannt wie ein bunter Hund“. Als Schornsteinfegerin kommt sie mit „Omas Küchenherd von 1920“ genauso gut klar wie mit hochmodernen Anlagen.

Laubach - Eigentlich, gesteht Tanja Heieis aus Laubach (Kreis Gießen), sei sie kein sonderlich risikofreudiger Mensch. »Als Kind war ich ein ziemlich schüchternes Mädchen«, fügt sie hinzu. Insbesondere ihr Beruf habe sie allerdings geprägt. Und ein Stück weit auch gestärkt.

In einem schwarzen Zweireiher mit goldenen Knöpfen, einen Rußeimer in der Hand haltend und mit einem Besen auf dem Rücken betritt Heieis so gut wie täglich die Wohnungen von Kunden in Dörfern in Laubach, Lich und Reiskirchen.

Sie besucht die Menschen in deren Privaträumen, über den Dachboden steigt sie nach oben. Dann beginnt sie auf dem Dach, den Schornstein zu kehren und zu fegen. Kürzlich hat die 48 Jahre alte Heieis einen mutigen Schritt gewagt. Die Schornsteinfegerin hat sich selbstständig gemacht.

Schornsteinfegerin im Kreis Gießen: Tanja Heieis hat eigene Firma gegründet

27 Jahre lang hat sie für einen Betrieb in Grünberg gearbeitet. Als Peter Berg, ihr Chef, ankündigte, allmählich in den Ruhestand zu gehen, bewarb sich Heieis selbst als Bezirksschornsteinfegerin - und erhielt den Zuschlag für ein Gebiet im Osten des Gießener Landkreises. Sie gründete ihr eigenes kleines Unternehmen, beschäftigt einen Mitarbeiter.

Berg, ihr langjähriger Vorgesetzter habe vor seinem Ruhestand noch mal drei Monate bei ihr gearbeitet, habe so sein Arbeitsleben ausklingen lassen und Heieis gleichzeitig bei ihrer Unternehmensgründung unterstützt. »Wir haben die Rollen getauscht«, sagt Heieis, dann lacht sie auf. »Ich habe natürlich immer noch Chef zu ihm gesagt.«

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»Dass ich Ärztin werde, war ausgeschlossen. Ich kann kein Blut sehen«, sagt Tanja Heieis zu ihrer Berufswahl. »Dafür habe ich keine Angst vor Spinnen.« © Stefan Schaal

Als Bezirksschornsteinfegerin ist Heieis zuständig für einige Straßen im Laubacher Kernort sowie für Gonterskirchen, Ruppertsburg, Münster und einen Teil von Röthges. Auch Ettingshausen sowie die Licher Stadtteile Ober- und Nieder-Bessingen gehören zu ihrem Bezirk. Rund 2500 Liegenschaften seien es insgesamt, sagt sie. »Alles schön zusammenhängend.«

Schornsteinfegerin im Kreis Gießen: Job gerade auf dem Dorf vielseitig

Gerade auf dem Dorf sei die Arbeit als Schornsteinfegerin besonders vielseitig, erzählt Heieis. »In den Häusern stehen manchmal sehr alte Kohle- und Badeöfen und Omas Küchenherd aus dem Jahr 1920.« Nur wenige Häuser weiter indes finde sie dann Pelletheizungen und hochmoderne Anlagen vor.

Allein durch technische Entwicklungen durchlaufe ihr Berufssstand einen großen Wandel. Von politischer Seite, betont sie, würde sie sich allerdings mehr Geradlinigkeit, Klarheit und Kontinuität wünschen. Auch aufgrund von Verunsicherung steige der Bedarf nach Beratung unter ihren Kunden, beobachtet Heieis.

Derzeit tragen freilich auch steigende Energiepreise zu Nachfragen nach Beratung bei. Möglichkeiten der Einsparung gebe es im Kleinen, sagt die Schornsteinfegerin. Häufig seien zum Beispiel in Heizkellern die Warmwasserrohre nicht gedämmt. Wichtig sei neben dem Lüftungsverhalten außerdem, die Heizungsanlage regelmäßig zu reinigen.

Den Schritt in die Selbstständigkeit beschreibt die Schornsteinfegerin aus dem Kreis Gießen als »sehr aufregend«. In anderen Berufen, räumt sie ein, hätte sie als Jungunternehmerin in große Maschinen investieren oder eine Produktionshalle mieten müssen. »Das hätte ich nicht stemmen können.«

Schornsteinfegerin im Kreis Gießen: „Zarte Damenfinger habe ich schon lange nicht mehr“

Ein Kinderspiel sei die Selbstständigkeit als Schornsteinfegerin dennoch nicht. Bisweilen höre sie von Bekannten den Spruch: »Na, jetzt rollt der Rubel«, erzählt Heieis. Sie antworte dann: »Du willst gar nicht wissen, welche Kosten ich an der Backe habe.« Dann zählt sie Posten wie Gewerbe- und Umsatzsteuer auf, spricht von Lohnkosten und Versicherungen, von Beiträgen an die Berufsgenossenschaft und von Ausgaben für Werkzeug und Sprit. Auf die hohen Benzinpreise reagiere sie, indem sie Termine noch besser auf die jeweiligen Orte abstimme, »damit ich nicht so viel hin- und herfahren muss«.

In ihrem Alltag beobachte sie, dass Schornsteinfeger, traditionell als Beschützer vor Bränden und als Glücksbringer angesehen, noch heute geschätzt werden. In den Dörfern sei sie durch ihre Tätigkeit durchaus bekannt. »Wie ein bunter Hund«, sagt sie.

Heieis sitzt in ihrer Küche in Ruppertsburg, nippt an einem Kaffee und erzählt, wie sie zu dem Beruf gekommen ist. Ein Jahr vor ihrem Abitur habe sie Bekannte auf deren Berufe angesprochen. »Zufällig habe ich mich auch mit einem Schornsteinfeger unterhalten, der bei uns im Elternhaus gearbeitet hat.« Bald darauf habe sie bei ihm ein Praktikum absolviert - und den Beschluss gefasst, selbst Schornsteinfegerin zu werden. Für handwerkliche Berufe habe sie sich schon immer interessiert. »Dass ich Ärztin werde, war ausgeschlossen. Ich kann kein Blut sehen«, sagt Heieis. »Dafür habe ich keine Angst vor Spinnen.«

Nur zehn Prozent der Schornsteinfeger seien Frauen, schätzt Heieis. Sie arbeitet in einer Männerdomäne, ihr Beruf ist körperlich anstrengend. Für einen Moment schaut sie auf ihre Hände. Ihre Finger seien nach der Arbeit häufig von Ruß geschwärzt, erzählt sie. »Auch wenn ich Handschuhe trage. Der Staub geht durch das Material.« Eine Zeitlang seien ihre Fingernägel durch die Arbeit aufgeweicht worden. »Sie sind alle abgebrochen.« Ein halbes Jahr habe es gedauert, bis es den Fingern wieder gut ging. »Zarte Damenfinger habe ich schon lange nicht mehr«, sagt Heieis. »Das ist aber auch nicht schlimm.« (Stefan Schaal)

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