Ehepaar kauft Foodtruck mitten in der Pandemie: Spezielle Knödel als Verkaufsschlager

Weil ihr Lieblings-Foodtruck schließt, kauft ihn das Ehepaar Empelmann kurzerhand – mitten in der Pandemie. Der Kassenschlager der »Tiroler Knödlkistl« steckt im Namen.
Pohlheim – In ihrem Alltag begleitet die Pohlheimerin Nadine Empelmann Schulkinder mit Behinderung, ihr Mann arbeitet als Korrosionsschutztechniker. Als sie erfahren, dass ein Imbisswagen, bei dem sie gerne essen, zum Verkauf steht, schlagen sie zu. Nun stehen sie in ihrer Freizeit auf Märkten und Festen in einem Food Truck - und verkaufen Knödel.
Ein Samstagnachmittag im Botanischen Garten in Marburg. Besucher schlendern an Ständen entlang, Pflanzen stehen zum Verkauf, kleine Menschentrauben bilden sich um Bäume, Blumen und Pflanzenkübel. Die längste Menschenschlange aber bildet sich vor einem Wagen, aus dem es nach Knödel, Speck und Fleischkäse duftet. Eine Familie aus Dorf-Güll brutzelt hier. So gut wie jedes Wochenende sind die Empelmanns auf Märkten und Festen in der Region mit ihrem »Tiroler Knödlkistl« unterwegs.
Kreis Gießen: Ehepaar übernimmt mitten in der Pandemie einen Foodtruck
Mit Tirol selbst, gestehen Nadine und Jochen Empelmann, 44 und 50 Jahre alt, gleich zu Beginn des Gesprächs, hatten sie bis vor zwei Jahren eher weniger zu tun. Geschweige denn mit kulinarischen Spezialitäten aus Tirol. Die Familie stammt ursprünglich aus dem Ruhrpott, ist vor knapp 20 Jahren nach Pohlheim gezogen. »Wir lieben die Berge, machen dort oft Urlaub«, sagt Nadine Empelmann. Hauptberuflich arbeitet ihr Mann eigentlich als Korrosionsschutztechniker für ein Verpackungsunternehmen in Lich. Sie ist Teilhabeassistentin und hilft Kindern mit Behinderung im Schulunterricht. Und doch haben sie sich vor anderthalb Jahren entschieden, in ihrer Freizeit in einem Foodtruck zu stehen und Knödel zu braten. Mitten in der Pandemie wohlgemerkt.
Nadine Empelmann nickt. »Unsere Freunde haben uns für verrückt erklärt«, sagt sie. »Nachbarn haben uns gefragt, ob wir wahnsinnig sind. Sie haben gemeint: Während Corona findet doch nichts statt.«
Kreis Gießen: Imbisswagen in Pohlheim von einer Tirolerin gegründet
Gegründet hat den Imbisswagen vor vier Jahren übrigens tatsächlich eine gebürtige Tirolerin: die nach Pohlheim gezogene Gaby Pock. Weil sie ihre heimische Küche vermisste und ihre Knödel bei Freunden und Nachbarn gut ankamen, begann Pock 2018 gemeinsam mit ihrer Freundin Julia Schubert, die Spezialität auf heimischen Märkten zu verkaufen. Einer ihrer Nachbarn baute den Imbisswagen aus einer Bierlaune heraus. Die einsetzende Erfolgsgeschichte des »Knödlkistls« schien dann aber jäh beendet, als Pock Ende 2020 nach Fuerteventura auswanderte, um das letzte Drittel ihres Lebens am Meer zu verbringen. Dann allerdings meldeten sich die Empelmanns.
»Wir waren treue Kunden«, erzählt Nadine Empelmann. »Dass das Knödlkistl aufhören sollte, konnte ich nicht fassen.« Sie wusste es zu verhindern: Ein Anruf, einige WhatsApp-Nachrichten und ein Handschlag später waren sie und ihr Mann die neuen Besitzer des Imbisswagens.
Kreis Gießen: Ehepaar Empelmann brät in Foodtruck flach gepresste Knödel
Die Dorf-Güllerin reicht eine Portion. Wer die österreichische Spezialität der Kaspressknödel nicht kennt und bisher eher bayerische Semmelknödel verspeist hat, blickt überrascht. Denn die Knödel sind nicht etwa rund, sondern flach gepresst, die Zutaten sind vor allem Knödelbrot und Käse. »Wir legen sie auch nicht in kochendes Wasser, sondern braten sie«, erklärt Empelmann. Das Knödelbrot beziehen die Dorf-Güller aus Tirol. »In Geschäften hier ist es leider meistens mit Palmfett angereichert.«
Dann erzählt die Frau, was sie den Menschen geantwortet hat, die ihr von dem Einstieg ins Imbisswagengeschäft abgeraten haben »Nö«, habe sie gesagt. Klar sei es mutig. Das traue sie sich aber zu. »Ich war früher auch schon selbstständig, habe Tupperware verkauft und ein Team geleitet.«
Der Knödelverkauf sei zudem nur ein Hobby, fügt sie hinzu. »Wir arbeiten im Hauptberuf für den Alltag. Das Kistl ist für den Luxus.« Für Urlaubsreisen beispielsweise.
Kreis Gießen: Verkauf der Knödel zunächst vor der Haustür in Dorf-Güll
Zum 1. Januar vergangenen Jahres übernahmen sie und ihr Mann den Food Truck. Angesichts der Pandemie begannen sie zunächst für ein halbes Jahr Samstagabends draußen vor der eigenen Haustür am südlichen Rand Dorf-Gülls Knödel anzubieten, den Verkauf bewarben sie über Facebook. »Wir haben auch Knödelburger gemacht«, erzählt Jochen Empelmann. »Später im Frühling dann noch gegrillten Spargel dazu.« Seine Frau ergänzt: »Wir waren kreativ unterwegs.« Für Kunden stellten sie außerdem Päckchen mit frischer Knödel-Rohmasse plus Rezeptempfehlung zusammen, sodass diese ihr Essen zu Hause selbst zubereiten konnten.
Empelmann erzählt von ersten Festen im vergangenen Sommer, auf denen sie Knödel verkauften. »Unsere Premiere war an einem Hofladen im Vogelsberg. Es war unglaublich. Zu Hause haben wir samstags 20 bis 30 Knödel verkauft, dort hatten wir plötzlich 120 Bestellungen.« Auch für Geburtstage und Konfirmationen werden sie gebucht. Der bisher größte Auftritt steht nun in diesem Sommer bevor: Wenn Anfang September DJ Bobo im Rahmen des Kultursommers vor Tausenden »There’s a party« singt, werden auch die Empelmanns oben auf dem Schiffenberg stehen und für die Besucher Knödel brutzeln. »Das ist ja fast noch Pohlheim«, sagt Empelmann.
Kreis Gießen: Foodtruck von Ehepaar Empelmann nur auf der Kirmes kein Erfolg
Nur bei Kirmesveranstaltungen haben die Empelmanns, denen auch die beiden Kinder unter die Arme greifen, eher maue Erfahrungen gemacht. »Das ist nichts für uns«, sagt Nadine Empelmann. »Gegen eine Bratwurst für drei Euro und Pommes für 2,50 Euro können wir nicht anstinken. Das ist ein völlig anderes Klientel«. Ihre Portion Knödel kostet sechs Euro, mit Fleisch acht Euro. Man setze auf hochwertige Zutaten, die Eier beispielsweise bezieht die Familie beim Hof Obersteinberg.
Konkurrenz haben die Empelmanns freilich keine. »Nördlich der Alpen gibt es keinen, der so etwas macht.« Sie hätten nur von einem Imbisswagen mit Knödel im Kölner Raum gehört.
Am Ende des Gesprächs gibt das Ehepaar einen Traum preis. Vielleicht wird es ja doch noch etwas mit Tirol. Oder zumindest mit einem Domizil in den Bergen. »Ein Knödelimperium« sei eine Vision, sagt Nadine Empelmann zunächst lachend. Vielleicht gebe es irgendwann einmal die Gelegenheit, in die Berge zu ziehen. Ihre Augen öffnen sich weit. »Unser Knödlkistl an der Talstation der Nebelhornbahn in Oberstdorf. Das ist mein Traum.« (Stefan Schaal)
In einem anderen Foodtruck in Gießen lebt die Vielfalt.