Überholverbot und Tempo 30 auf der Fahrradstraße: »Der Autofahrer ist hier Gast«

Auf der neuen Fahrradstraße im Kreis Gießen gilt uneingeschränkte Vorfahrt für Fahrradfahrer. Mancher Autofahrer muss sich daran noch gewöhnen.
Lollar/Staufenberg - Mit Präventions- und Aufklärungsgesprächen versucht die Polizei, die Autofahrer auf der neu geschaffenen Fahrradstraße zwischen Lollar und Staufenberg auf die neuen Regeln aufmerksam zu machen. Dadurch soll die Sicherheit der Fahrradfahrer erhöht werden. Tempo 30, Überholverbot und eine uneingeschränkte Vorfahrt für Fahrradfahrer - das sind die Regeln, an die sich Autofahrer halten müssen, wenn sie die Fahrradstraße zwischen Lollar und Staufenberg benutzen wollen. Im Mai haben sich die beiden Kommunen darauf geeinigt, die Kreisstraße 29 in eine solche Fahrradstraße umzufunktionieren.
Am vergangenen Freitag führten nun die Gießener Polizei und die Ordnungsämter der beiden Kommunen eine letzte Kontroll- und Präventionsaktion an der Kreisstraße durch, um die Autofahrer für die neuen Regeln zu sensibilisieren.
Fahrradstraße im Kreis Gießen: „Muss sich erst in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer manifestieren“
»Die Fahrradstraße ist neu und muss sich erst in den Köpfen der Verkehrsteilnehmer manifestieren. Man muss den alteingesessenen Pkw-Fahrern eine Eingewöhnungszeit einräumen. Immerhin ist das Auto jetzt ein Gast auf dieser Straße. Deswegen haben wir bewusst einen Puffer von sechs Wochen gewählt, in dem wir bei den Kontrollen von Strafen absehen und mit den Autofahrern Aufklärungsgespräche führen«, erklärt Verkehrspolizist Thomas Baumgart.
Demnach seien die Präventionswochen und Testphase am 1. Juli abgeschlossen - von nun an müssen Verkehrsteilnehmer bei einer Missachtung der Verkehrsregeln mit einer Strafe und Bußgeldern rechnen. Auch in der Zukunft plane die Polizei, regelmäßige Verkehrskontrollen an der K29 durchzuführen.
Autofahrer im Kreis Gießen nehmen Rücksicht auf Fahrradfahrer
Im Zuge der Aktion »Stadtradeln« richteten die Kommunen das sechsmonatige Pilotprojekt ein. Dadurch befindet sich im Landkreis Gießen die erste und einzige außerörtliche Fahrradstraße in ganz Hessen. »Dieses Projekt ist ein absolutes Novum in Hessen. Manche Autofahrer sehen das Projekt als Einschnitt ihrer Freiheit. Daher wollten wir nicht mit sofortigen Sanktionen die Benutzer der Straße verärgern und durch Gespräche auf die Regeln dieser neuen Verkehrsmaßnahme aufmerksam machen«, sagt Staufenbergs Bürgermeister Peter Gefeller.
Für Baumgart sind die regelmäßigen Verkehrskontrollen mit den Aufklärungsgesprächen ein Erfolg, denn »natürlich gab es anfangs Beschwerden über die Fahrradstraße und ihre Sinnhaftigkeit wurde infrage gestellt. Doch wenn wir hier an der Straße einen Autofahrer rausziehen und mit ihm über die Fahrradstraße reden und in das Gespräch kommen, zeigt die Mehrheit Verständnis für das Projekt und die Fahrradfahrer. Mit Verboten erreicht man natürlich auch sein Ziel, aber für uns ist die Aufklärung eine nachhaltigere Methode.«
Trotz aller Prävention komme es trotzdem zu Beschwerden von Fahrradfahrern, dass sie von den Pkw-Fahrern genötigt und überholt werden. »Durch die Aufklärung der Autofahrer hoffen wir, dass wir die Sicherheit der Fahrradfahrer und schwächeren Verkehrsteilnehmer erhöhen können. Wir wollen, dass sich jeder Radfahrer, der diese enge und kurvenreiche Strecke benutzt, sicher fühlt und nicht von den Pkw-Fahrern eingeschüchtert wird«, sagt Peter Gefeller.
Kreis Gießen: Strecke soll zum alltäglichen Fahrradfahren einladen
Ob die Fahrradstraße im Kreis Gießen dauerhaft eingerichtet wird, komme auf die Resonanz und Benutzung durch die Radfahrer an. Mit den Präventionsaktionen soll den Bürgern und Fahrradfahrern signalisiert werden, dass die Kommunen dieses Projekt ernst nehmen »Nur dann werden die Bürger die Fahrradstraße und das Fahrrad an sich als eine Alternative zum Auto ansehen. Unser Ansatz war es von Anfang an, dass diese Strecke zum alltäglichen Fahrrad fahren einlädt und dazu motiviert wird, auf das Rad umzusteigen. Dadurch hoffen wir, die Umweltfreundlichkeit im Landkreis zu steigern und einen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten«, erklärt der Kreisbeigeordnete Christian Zuckermann.
Baumgart resümiert die Testphase als aufschlussreich und erhofft sich, dass »wir es durch die Präventionsaktionen geschafft haben, möglichst viele Autofahrer von der Fahrradstraße zu überzeugen. Uns war es sehr wichtig, alle Verkehrsteilnehmer ins Boot zu holen und damit einen reibungslosen Verkehr in der Zukunft zu garantieren«. (red)
Ein weißes Fahrrad im blauen Kreis auf weißem Grund. Darunter die Aufschrift „Fahrradstraße“. Immer öfter ist dieses Verkehrszeichen in hessischen Städten zu sehen. Gut für Radfahrer, gut fürs Klima, doch nicht immer gut für Autofahrer.