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Kreativ mit jedem Pinselstrich

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Von: Gabriele Krämer

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Kinder am »Farbbuffet« im Atelier »Malzeit«: Das eigenständige Malen in kleinen Gruppen weckt Kreativität und fördert die Persönlichkeit. © pv

»Hundertwasser«, »Pop Art«, »Action Painting«: So heißen einige der Workshops, die Anne Sauerwein in ihrem kleinen Atelier »Malzeit« in Grünberg-Stangenrod anbietet. Dort hat die Pandemie durchaus positive Spuren hinterlassen: Solche in allen Farben des Regenbogens.

Krakelig ist die Schrift, doch der skizzierte Kürbis daneben ist eindeutig als solcher zu erkennen: »Für Anni von Ida« hat eine junge Künstlerin sorgfältig neben ihr kleines Kunstwerk geschrieben, das seit einem Halloween-Workshop an einer Wand des Ateliers »Malzeit« hängt. »Dankesschreiben« dieser Art hat Anne Sauerwein schon so einige erhalten, seit sie im einstigen Partykeller ihres Elternhauses an der »Wilhelmshöhe« in Stangenrod begleitetes Malen anbietet (die GAZ berichtete). Hingucker ist ein üppiges »Farbbuffet« - das ist ein fahrbarer Tisch mit Aushöhlungen für Flaschen mit Gouache-Farbe, Pinsel, Vorrichtungen und Regalböden für weiteres Zubehör.

Nach denkbar ungünstigem Starttermin - just zum Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 - hat die 36-Jährige inzwischen ihr Workshop-Angebot etabliert und ausgedehnt - allerdings noch hauptsächlich für Fünf- bis Zwölfjährige. Anhand bunter Spuren auf den Holzwänden kann man sehen, dass hier so einige Besucher ihre kreativen Spuren hinterlassen haben. »Immer, wenn ich die Malstunden vorbereite, gibt mir genau das wieder neue Energie«, unterstreicht Sauerwein und lacht.

Das Atelier ist der Dreh- und Angelpunkt in ihrer Freizeit, denn hauptberuflich ist sie als Erzieherin in der DRK-Kita »Rabennest« in Londorf tätig. Nach der berufsbegleitenden Ausbildung zur Malbegleiterin, einer Form der Kunsttherapie, hatte sie eigentlich nach Ostern 2020 so richtig loslegen wollen. »Aber es ging ja damals nichts«, denkt Sauerwein mit Schrecken an die seinerzeit aufkommende Pandemie zurück und resümiert: »Die ersten beiden Jahre liefen wahrlich nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.« Der geplante »Tag der offenen Tür« fiel aus, Workshops waren zunächst unmöglich.

Nachdem sie im Sommer 2020 ein Hygienekonzept entwickelt hatte, konnte Sauerwein wenigstens »mit angezogener Handbremse« starten - bei reduzierter Teilnehmerzahl. Gleichwohl steckt jedes Mal mächtig viel Arbeit dahinter, Kurse zu planen und Materialien zu organisieren.

»Sowohl die Corona-Krise als auch private Krisen haben mich dann erst einmal dazu gebracht, mich neu zu ordnen und eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es sich überhaupt lohnt«, gesteht sie heute freimütig ein. Und: »Meine Familie hat mich immer wieder dazu ermutigt, mich in Geduld zu üben und weiterzumachen.« So behauptete sie sich trotz aller Widerstände.

Anne Sauerwein verschweigt nicht, dass sie wiederholt auch belächelt wurde: »So ein Atelier im ländlichen Raum, das braucht doch kein Mensch« hatte sie sich nicht nur einmal anhören müssen. Doch die Teilnehmer der vielfältigen Workshops, die sie nun seit dem Frühjahr 2021 regelmäßig anbieten kann, belehrten sie eines Besseren. Sie habe mittlerweile viele neue Gesichter kennengelernt, hinter denen immer wieder spannende Geschichten stehen.

Sauerwein: »Es gab sowohl Kinder als auch Erwachsene, die über sich hinausgewachsen sind, die neue Sichtweisen und Erkenntnisse gewonnen und neue Anregungen für sich mit nach Hause genommen haben.« Man nimmt es ihr sofort ab, wenn sie sagt: »Es macht mir große Freude, die Menschen bei ihrem künstlerischen Schaffensprozess zu begleiten.« Kinder, die sich anfangs nur wenig zugetraut hätten, hätten schließlich sogar eigene Themen vorgeschlagen: »Mobbing in der Schule« etwa. »Ich finde es schon krass, dass sich die Kinder mir gegenüber doch stark geöffnet haben«, sagt die 36-Jährige. Besonders gut komme es an, wenn es richtig »Action« gibt in den Workshops, etwa beim Arbeiten mit Rasierschaum, Kleister oder Pappmaché. »Hier darf man sich so richtig dreckig machen«, werde oft von den Kleinen als besonderes Merkmal herausgestellt.

Allzu gerne würde die passionierte Malbegleiterin noch mehr Erwachsene in deren Kreativität fördern. Doch sie hat festgestellt: »Die Großen trauen sich nicht so.« Dabei sei die beste Herangehensweise, »einfach anzufangen«. Jene, die es probiert haben, attestierten Sauerwein inzwischen: »Das ist wie ein Kurzurlaub.«

Vielleicht liegt die »Lösung« im Miteinander von Jung und Alt: Gelegenheit dazu bietet beispielsweise ein Ferienkurs. »Das Geheimnis kindlicher Bildsprache« im August, ausgeschrieben im Doppelpack für je einen Erwachsenen und ein Kind zwischen fünf und zwölf.

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Anne Sauerwein © Gabi Kraemer

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