Gießener Bauern in Sorge: Kommt die Kfz-Steuer für Traktoren?
Der Bundesrechnungshof will Steuervergünstigungen für Landwirte abschaffen. Die Bauern im Landkreis Gießen sehen das anders.
Gießen – Es ist eine Frage, die Landwirte in ganz Deutschland derzeit umtreibt: Entfallen künftig die grünen Nummernschilder, die die landwirtschaftlichen Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreien? Der Bundesrechnungshof hat sich für die Abschaffung der Steuervorteile für landwirtschaftliche Fahrzeuge ausgesprochen. Sollte das Finanzministerium der Forderung folgen, fiele neben den grünen Nummernschildern gegebenenfalls auch die Agrardieselvergütung von 21,48 Cent pro Liter weg.
Landwirte bei der Kfz-Steuer zur Kasse zu bitten, von dieser Forderung hält der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Gießen/Wetzlar/Dill, Daniel Seipp aus Muschenheim, nichts. »Manche Betriebe haben heute unglaublich viel Technik auf den Höfen bereitstehen, die sie für die Arbeit benötigen. Das wären enorme Kosten, die auf die Landwirte zukommen«, sagt er. Geld, das wiederum am Ende des Jahres fehlen würde. »Das Thema hängt aktuell wie ein Damoklesschwert über den Landwirten. Es wird viel darüber geredet«, sagt Seipp.
Je nach Betriebsgröße und Fahrzeugzahl entstünden zusätzliche Kosten von mehreren Tausend Euro pro Jahr, fürchtet der Landwirt. Und viele landwirtschaftliche Betriebe haben schon so mit den erhöhten Kosten durch die gestiegenen Energiepreise zu kämpfen. »Zudem müssten die Fahrzeuge und Anhänger dann auch begutachtet werden, was weitere Kosten verursachen würde«, sagt Seipp. »Im Endeffekt fehlt das den Landwirten dann im Portemonnaie.«

Bauern im Kreis Gießen verunsichert: Steuerrecht soll weiterentwickelt werden
Nach Auskunft des Hauptzollamts Gießen sind von den 214.683 im Kreis Gießen zugelassenen Kraftfahrzeugen 6025 von der Kfz-Steuer befreit. Den größten Teil davon machen die 3524 Fahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft aus, darunter 456 Anhänger.
Eingeführt wurde die Befreiung von der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge im Jahr 1922. Dadurch sollte die Mechanisierung der bäuerlichen Betriebe gefördert werden und die Landwirtschaft in Deutschland wettbewerbsfähig bleiben. Dieses Ziel ist längst erreicht, doch an der Regelung hat sich nichts verändert. Nach Ansicht der Rechnungsprüfer ist der Sonderstatus nicht nur überholt, sondern widerspräche zudem einer nachhaltigen und klimafreundlichen Weiterentwicklung des Steuerrechts.
Die meisten Höfe verfügen heute über zwei oder mehr Traktoren, dazu noch über mehrere Anhänger. »Das ist auch notwendig, um einen geordneten Arbeitsablauf zu gewährleisten«, sagt Seipp. Müssten etwa zwischen den verschiedenen Arbeitsschritten immer wieder Anhänger gewechselt werden, würde das viel Zeit kosten. »Zudem sollte man Traktoren nutzen, die den Ansprüchen gerecht werden. Eine riesige Zugmaschine vor einen kleinen Anhänger zu hängen, ist nur Energieverschwendung.«

Landwirte im Kreis Gießen verunsichert: Verbilligter Agrardiesel auf dem Prüfstand
Doch nicht nur die Kfz-Steuerbefreiung, sondern auch der vergünstigte Agrardiesel für die Landwirtschaft steht im Finanzministerium auf dem Prüfstand. Seit dem Jahr 2000 erhalten Landwirte auf Antrag beim zuständigen Hauptzollamt eine Rückvergütung der Mineralölsteuer von 21,48 Cent pro verbrauchten Liter Diesel. Dies, so erklärt es Seipp, sei vor allem für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft im Vergleich mit der europäischen Konkurrenz nötig. »Letztlich ist das eine Rückfinanzierung für die Landwirte, um die Wettbewerbsverzerrung durch die hohe Mineralölsteuer in Deutschland auszugleichen«, sagt Seipp. »Ohne solche Beihilfen, können die Bauern preislich im europäischen Vergleich nicht mithalten.«
Trotzdem rät Seipp dazu, erst einmal Ruhe zu bewahren: »Es steht ja noch gar nichts fest. Man sollte sich nicht verunsichern lassen und zu früh in Panik ausbrechen.« Der Bundesrechnungshof prüft noch bis Ende November die mögliche Streichung der Steuerbegünstigungen für Landwirte. Und ob es dann eine Mehrheit dafür im Bundestag geben wird, ist auch noch unklar. Aber eines steht fest: Sollten deutlich höhere Kosten auf die Landwirte zukommen, müssten diese Mehrkosten weitergegeben werden. Das heißt dann auch, über kurz oder lang müssten die Verbraucher ebenso den Preis dafür zahlen. (con)