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Waldkitas: Betreiber vor großer Herausforderung - „Erstmal davon Abstand genommen, weitere Waldkindergärten zu eröffnen“

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Von: Christina Jung

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Spielen unter Blätterdach, das kann man im Licher Waldkindergarten bereits seit 2006. Anfang des Jahres hatten sich die »Waldfüchse« sogar für den Deutschen Kita-Preis beworben, weshalb im Hintergrund ein Kamerateam zu sehen ist. 	ARCHIVFOTO: US
Spielen unter Blätterdach, das kann man im Licher Waldkindergarten bereits seit 2006. Anfang des Jahres hatten sich die »Waldfüchse« sogar für den Deutschen Kita-Preis beworben, weshalb im Hintergrund ein Kamerateam zu sehen ist. ARCHIVFOTO: US © Red

Astabbrüche, Pilzbefall - die Trockenheit macht den Wäldern immer mehr zu schaffen. Aber auch die Naturpädagogik leidet darunter. Für die Betreiber von Waldkitas eine Herausforderung.

Im Jahr 2006 ging in Lich der erste Waldkindergarten im Landkreis an den Start. Seit dem erfreuen sich Betreuungsangebote unterm grünen Blätterdach immer größerer Beliebtheit. Aus einer Einrichtung sind mittlerweile elf geworden. Auch in Reiskirchen hatten die Grünen das Thema angesichts steigender Betreuungszahlen und geringer Investitionskosten vor geraumer Zeit aufs politische Tableau gebracht. Doch Bürgermeister Dietmar Kromm reagiert mittlerweile zurückhaltend. Der Grund: Der Wald birgt immer mehr Gefahren.

Die Waldgruppe Freienseen ist derzeit sogar geschlossen, weil in den Ferien auf dem Areal ein Baum umgefallen war, wie Dr. Susanne Egbert, Bereichsleitung Kinder- und Familienarbeit des Oberhessischen Diakoniezentrums (Träger) auf GAZ-Anfrage berichtet. Die Ursache: Pilzbefall. Stellt der Klimawandel mittlerweile eine Gefahr für das bei Eltern beliebte Betreuungskonzept dar?

Waldkitas: Risiko in den Wäldern steigt

Soweit wollen Experten nicht gehen. Dennoch: »Die Situation im Wald hat sich extrem verändert. Es besteht für den Menschen heute ein höheres Risiko als vor fünf Jahren«, sagt Ralf Jäkel, kommissarischer Leiter des Forstamtes Wettenberg. Und das gilt natürlich auch für die Kindergärten.

Die Gründe sind bekannt und vielfach kommuniziert. Die Trockenheit der vergangenen Sommer setzt den Bäumen zu. Zuerst fielen die Fichten, dann immer mehr Buchen und Eichen. Dazu kommt Schädlingsbefall durch Borkenkäfer oder Eichenprozessionsspinner. »Es leiden vermehrt Bäume sämtlicher Arten unter dem Klimawandel«, sagt Jäkel und das führe auch zu einem erhöhten Gefahrenpotenzial, beispielsweise durch Astabbrüche oder umstürzende Bäume. So wie in Freienseen.

Waldkitas: Verkehrssicherung: Doppelter Aufwand

Während dort die Beseitigung der Schäden nahezu beendet ist und man derzeit auf die Einschätzung eines Baumgutachters wartet, blickt man andernorts sorgenvoll auf solche Fälle und den Anstieg potenzieller Gefahrenlagen im Wald Dr. Rebecca Neuburger-Hees, Bereichsleitung für die Kitas der Lebenshilfe und damit verantwortlich für drei Waldkindergärten, berichtet, dass sich der Aufwand der Verkehrssicherung in den vergangenen beiden Jahren quasi verdoppelt habe.

Waldkitas: Standorte gehen verloren

»Regelmäßig gehen Experten die Standorte im Wald ab, um ihn auf mögliche Gefahrenquellen zu prüfen und diese zu beseitigen«, sagt Neuburger-Hees. Denn die Lebenshilfe als Betreiber und der jeweilige Waldbesitzer seien in der Pflicht, die Verkehrssicherung zu gewährleisten. Dazu komme, dass durch die steigende Gefahrenlage im Wald den Trägern immer mehr Standorte für die Kitas verloren gehen, ergänzt Jennifer Seidler, stellvertretende Bereichsleitung für die Kitas der Lebenshilfe.

Die Situation hat bei ihr und ihrem Team zu einem Umdenken geführt. »Wir sind begeisterte Naturpädagogen, aber wir haben erstmal davon Abstand genommen, weitere Waldkindergärten zu eröffnen«, sagt sie.

Waldkitas: Umdenken beim Landkreis

Auch beim Landkreis, wo die zuständige Genehmigungsbehörde angesiedelt ist, sind die Probleme bekannt. »Da sich vermehrt potenzielle Gefahrenlagen in Wäldern abzeichnen, sollen mit Beteiligung verschiedener Experten auf regionaler Ebene einheitlich abgestimmte Empfehlungen für Waldkitas auf den Weg gebracht werden«, sagt Kreissprecherin Nadine Jung auf Anfrage der Gießener Allgemeinen Zeitung. Die genannten Fachleute sollen aus den Bereichen Gefahrenabwehr, Bauaufsicht, Arbeitsschutz, Unfallkasse, Gesundheits-, Veterinär- und Forstamt sowie Naturschutz kommen.

Bereits im November vergangenen Jahres hatte der Landkreis für Träger von Waldkitas eine Infoveranstaltung samt Austausch initiiert. Seit März werden sämtliche Standorte der Einrichtungen seitens der Bauaufsicht inspiziert. Auch die Bürgermeisterdienstversammlung wird sich in ihrer nächsten Sitzung mit dem Thema befassen.

Waldkitas: Andere Naturkonzepte im Fokus

Aufgrund der klimatischen Veränderungen und dem Zustand der hessischen Waldgebiete tendiere die Fachberatung des Landkreises mittlerweile sogar dazu, andere Naturkonzepte in den Fokus zu rücken, so Jung. Gemeint sind damit Angebote wie die Bauernhof-Kita der Lebenshilfe in Großen-Buseck oder der Naturkindergarten Seenbachtal in Freienseen.

Aus Sicht des Wettenberger Forstamtsleiters ist ein solches Umdenken nicht nötig. »Man kann mit der Situation im Wald umgehen, wenn man will«, sagt Ralf Jäkel. Seine Vorschläge: eine häufigerer Durchsicht der Bäume und Tabutage bei kritischen Wetterlagen für die Kitas. Aber natürlich ist Ersteres auch eine Kostenfrage.

Ob in Anbetracht der Entwicklung dem Wunsch der Grünen in Reiskirchen gefolgt und in der Gemeinde ein Waldkindergarten eingerichtet wird und auch andernorts weiterhin solche Einrichtungen entstehen, bleibt abzuwarten.

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