1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen

Kleines Kraftwerk auf dem Balkon

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Patrick Dehnhardt

Kommentare

pax_310solar_300422_4c
Durch eine Minisolaranlage auf dem eigenen Balkon oder dem Garagendach erhoffen sich Nutzer Einsparungen bei der Stromrechnung. SYMBOLFOTO: DPA © DPA Deutsche Presseagentur

Eine große Photovoltaikanlage montieren zu lassen braucht Zeit und ist für Mieter einer Wohnung nicht möglich, da ihnen das Dach nicht gehört. Sie können jedoch eine Steckermodulanlage auf ihrem Balkon betreiben. Über die Technik informierte nun Claus Nintzel.

Wer in einer Mietwohnung sitzt, kann das Gefühl haben, die Energiewende ziehe an ihm vorbeí, ohne dass er etwas tun oder gar davon profitieren kann. Ein E-Auto? Macht ohne Ladesäule keinen Sinn. Bessere Dämmung? Nur möglich, wenn der Vermieter die Arbeiten beauftragt - wobei er vermutlich die Kosten auf die Miete umlegt. Aber in Sachen Photovoltaik gibt es einen Lichtblick. Denn die funktioniert auch ohne eigenes Dach: Balkonkraftwerk lautet das Stichwort. Im Onlineforum der Klimainitiative Hüttenberg war soeben mehr darüber zu erfahren.

In Zeiten hoher Strompreise sind diese Minisolaranlagen längst nicht mehr nur ein Thema für Enthusiasten und Prepper: Über 100 Teilnehmer waren bei der Online-Runde dabei. Bürgermeister Christof Heller wandelte in seiner Begrüßung die Worte von Bundeswirtschaftsminister Habeck leicht ab: »Jede Kilowattstunde zählt.«

Referent Claus Nintzel vom Verein Roßdorfer Energie Gemeinschaft erklärte zunächst, die Anlagen firmierten unter dem Namen Steckermodulgeräte, da sie vom Laien mittels Stecker ans Hausnetz angeschlossen werden dürfen.

Ziel eines solchen Moduls sei es nicht, ins Stromnetz einzuspeisen, sondern den eigenen Grundbedarf zum Teil abzudecken. »Der selbstproduzierte Strom wird gleich wieder verbraucht, die Stromrechnung wird günstiger.« Jeder Haushalt habe Dauerverbraucher, etwa Internet-Router oder Kühlschrank, die den ganzen Tag den Stromzähler in Bewegung halten. Deren Bedarf wolle man mit dem Steckermodul tagsüber decken.

Eine EEG-Umlage werde auf den so erzeugten Strom nicht gezahlt. Dennoch würden sich die zwischen 400 und 600 Euro teuren Module innerhalb weniger Jahre bei einem guten Standort amortisieren - aufgrund der zuletzt gestiegenen Strompreise nun noch deutlich schneller. Ein Wechselrichter, erklärte Nintzel, verwandelt den aus der Solarzelle fließenden Gleichstrom in den fürs Hausnetz notwendigen Wechselstrom. Da er mit minimal höherer Spannung einspeist, als diese im allgemeinen Stromnetz anliegt, werde dafür gesorgt, dass der Strom vor Ort verbraucht werde und nicht abfließe.

Die Technik sei nicht neu. Bereits seit 1998 gebe es für Sreckermodule in den Niederlanden vereinfachte Regeln für den Betrieb. »Dort liefen 2016 schon rund 200 000 Stück«. Auch in Tschechien oder Österreich seien die Module verbreitet. Nur in Deutschland nicht.

Nintzel nannte als einen Grund, dass die Geräte bei ihrem Aufkommen von Journalisten direkt als enorme Brandgefahr »kaputtgeschrieben« worden seien. Untersuchungen der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin aber hätten diese Gefahren nicht bestätigt.

Ein paar Grundregeln aber sind einzuhalten. Nicht ohne Grund seien die Anlagen bis 600 Watt Anschlussleistung genehmigungsfrei von Laien zu installieren. Bestehe doch bis zu diesem Wert kein Problem für Hausstromleitungen, die eingespeiste Energie aufzunehmen. Werde mehr eingespeist und hängten am selben Stromkreis starke Verbraucher, ohne dass eine Sicherung dazwischengeschaltet sei, drohe ein Kabelbrand.

Zudem müsste die Steckdose in gutem Zustand sein. Netzbetreiber, etwa die Ovag, forderten hier eine »fest angeschlossene oder spezielle Energiesteckvorrichtung« - auch Wieland-Stecker genannt. Ein moderner Stromzähler ist Pflicht, da sich der Zähler nicht rückwärts drehen darf. »Da hat der Finanzminister etwas dagegen«, so der Referent.

Nintzel kritisierte, dass immer wieder Stromkonzerne - auch die Ovag - die Einrichtung der Anlagen durch einen Elektroinstallateur forderten. Doch sei der nicht notwendig, um einen Stecker in die Dose zu stecken und auch gesetzlich nicht vorgesehen. Verpflichtend sei nur die Anmeldung der Anlage beim Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur und dem Netzbetreiber. Auch der Vermieter müsse zustimmen.

Ein schnelles Gegenmittel gegen hohe Strompreise sind die Module derzeit allerdings nicht: Lieferzeiten von mehreren Monaten sind keine Seltenheit, auch nicht bei der in Hüttenberg geplanten Sammelbestellung.

Förderprogramm in Grünberg

Die Mini-Solaranlagen waren im Herbst bereits ein Thema für Grünbergs Politiker. Auf SPD-Antrag fassten die Stadtverordneten den einstimmigen Grundsatzbeschluss, den wenn auch kleinen Beitrag zur Energiewende zu subventionieren. Auf Antrag erhalten danach Privatpersonen einen Zuschuss von bis zu 250 Euro, insgesamt stehen dafür im Haushalt 10 000 Euro bereit. Wie auf GAZ-Anfrage aus der Bauverwaltung verlautete, sind bisher fünf Anträge eingegangen. Für eine Auszahlung aber braucht es noch etwas Geduld, muss doch zunächst die Förderrichtlinie beschlossen werden. Die steht in Kürze auf der Tagesordnung des Stadtparlaments.

Auch interessant

Kommentare