Keine Robe, aber viel Verantwortung

Schöffen sind in Deutschland eine wichtige Säule der Justiz. Für die Amtszeit von 2024 bis 2028 werden in diesem Jahr wieder Freiwillige gesucht. Wer kann Laienrichter werden? Und wie wird überprüft, ob Bewerber verfassungstreu sind? Fragen und Antworten zum vielleicht wichtigsten Ehrenamt in der Bundesrepublik.
?Warum werden in Deutschland juristische Laien als Richter eingesetzt?
Die deutsche Justiz spricht Urteile »im Namen des Volkes«. Damit das keine hohle Phrase bleibt, sitzen auf der Richterbank neben Berufsrichtern auch Schöffen, also Laienrichter ohne juristische Ausbildung, quasi als Vertreter des Souveräns. Sie sollen ihre Lebens- und Berufserfahrung einbringen und tragen, wie es Hessens Justizminister Roman Poseck kürzlich ausgedrückt hat, »zu einer lebensnahen Rechtsfindung, einer erhöhten Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen in der Bevölkerung bei«.
?Wo liegt der Unterschied zwischen Schöffen und »Geschworenen«?
Im Rechtssystem der USA kommen Jurys aus Geschworenen zum Einsatz, ähnlich wie bis 1924 teils auch im Deutschen Reich. Berufsrichter leiten die Prozesse, die Jurys bestehen aber nur aus juristischen Laien, die zu einem einstimmigen Urteil über Schuld oder Unschuld kommen müssen. In US-Bundesstaaten mit Todesstrafe kann dieses Laienvotum Angeklagte das Leben kosten, wobei das Strafmaß teilweise von Berufsrichtern festgelegt wird. In Deutschland hat sich bis heute der Begriff »Schwurgericht« für Strafkammern an Landgerichten gehalten, die für besonders schwere Straftaten wie Mord zuständig sind (drei Berufsrichter und zwei Schöffen).
?Wer kann Schöffe oder Schöffin werden?
Grundsätzlich jeder und jede Deutsche im Alter zwischen 25 und 69 Jahren, der oder die die deutsche Sprache beherrscht. »Unfähig« zum Schöffenamt ist laut Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) unter anderem, wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt wurde. Auch ein laufendes Ermittlungsverfahren kann ein Hinderungsgrund sein. Bestimmte Berufsgruppen, zum Beispiel Richter, Staats- und Rechtsanwälte sowie Polizisten, »sollen« zumindest nicht zu Schöffen berufen werden.
?Wie werden die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ausgewählt?
Das geschieht in einem zweistufigen Verfahren: Auf Grundlage einer gerichtlichen Aufforderung erstellen die Kommunen alle fünf Jahre Vorschlagslisten für die Schöffenwahl, wobei sich deren Länge an der Einwohnerzahl der Stadt oder Gemeinde bemisst. Über die Listen entscheiden die Stadtverordnetenversammlungen beziehungsweise Gemeindevertretungen. Auf Basis der Vorschlagslisten treffen dann sogenannte Schöffenwahlausschüsse bei den Amtsgerichten eine Auswahl. Für Laienrichter bei Jugendgerichten gibt es ein etwas anderes Prozedere.
?Wie kann man sich als Schöffe bewerben?
Bewerbungen können nur in der Wohnsitzkommune eingereicht werden, die Aufforderung dazu findet sich dann etwa in den kommunalen Mitteilungsblättchen. Die Fristen unterscheiden sich je nach Kommune - bei Interesse am besten im Rathaus nachfragen.
?Welche Rechte haben Schöffen im Vergleich zu Berufsrichtern?
Sie sind grundsätzlich gleichberechtigt, an der Beweisaufnahme beteiligt, dürfen in der Verhandlung Fragen stellen - und finden dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemeinsam mit Berufsrichtern ein Urteil. In Strafprozessen entscheiden sie somit auch über Schuld oder Unschuld und das Strafmaß. Im Fall von »Schöffengerichten« (Straferwartung zwischen zwei und vier Jahren Freiheitsstrafe) sitzen zwei Schöffen neben einem Berufsrichter, den sie zumindest theoretisch auch überstimmen können. Allerdings haben Laienrichter keinen Einblick in Prozessakten, das soll zu einem unvoreingenommenen Blick beitragen.
?Stellen Schöffen insgesamt einen Querschnitt der Gesellschaft dar?
Das ist zumindest das Ziel, wie im GVG deutlich wird. Dort heißt es in Paragraf 36: »Die Vorschlagsliste soll alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigen.« Ob das in der Praxis tatsächlich gelingt, ist fraglich. Die Schöffenstatistik des Bundesamts für Justiz schlüsselt seit über 20 Jahren nur noch nach Geschlecht auf, aber nicht etwa nach Beruf und Alter. Unterm Strich sind die Gemeindevertretungen und schließlich auch die Schöffenwahlausschüsse davon abhängig, welche Vorschläge eingehen. Darunter sind, so der Eindruck, eher selten junge Menschen. Laut Schöffenverband liegt das Durchschnittsalter bei etwa 55 Jahren. Häufig bewerben sich Menschen, die sich etwa auch in der Kommunalpolitik oder Vereinen engagieren. »In der Regel waren es bei uns bisher ältere Menschen, die schon etwas Lebenserfahrung haben«, sagt Reiner Mehler. Er ist Vorsitzender des Staufenberger Hauptausschusses und hat dort als Kommunalpolitiker seit den 1980ern schon einige Schöffenwahlperioden erlebt.
?Wie wird sichergestellt, dass nur verfassungstreue Bürger Schöffen werden können?
Das ist ein heikler Punkt. Laut dem deutschen Richtergesetz soll nicht berufen werden, wer »gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat« (Paragraf 44a), eine entsprechende Erklärung kann vom Vorgeschlagenen eingefordert werden. Letztlich haben auch die Kommunalparlamente es in der Hand, extremistisch gesinnte Personen nicht auf Vorschlagslisten zu setzen. In rechtsextremen Kreisen gibt es Bestrebungen, die Justiz mit Schöffen zu unterwandern, Kritiker sehen einen Mangel an Kontrolle. Das Bundesjustizministerium bereitet nun eine Verschärfung des Richtergesetzes vor, wonach die Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Voraussetzung werden soll. Im Gespräch ist auch, Bewerber zu fragen, ob sie einer möglichen Überprüfung durch den Verfassungsschutz zustimmen würden.
?Wie zeitaufwendig ist das Schöffenamt?
Vorgesehen ist, dass Schöffen maximal zwölfmal jährlich zu Sitzungen herangezogen werden. In besonders aufwendigen Verfahren wie beispielsweise dem Prozess um einen »Mord ohne Leiche« (siehe Text unten) können daraus aber auch deutlich mehr Sitzungstage werden.
?Wird das Schöffenamt vom Staat bezahlt?
Nein, es ist ein Ehrenamt. Allerdings haben Schöffen einen Anspruch darauf, vom Staat entschädigt zu werden, wenn sie Verdienstausfall erleiden. Maximal stehen ihnen laut dem Portal schoeffenwahl.de darüber 29 Euro pro Stunde zu. Auch Fahrtkosten zum Gericht werden zum Teil erstattet, außerdem pauschal sieben Euro pro Stunde als »Entschädigung für Zeitversäumnis«.