Kein Abgesang auf Flusskrebse

Die Trockenheit der letzten Wochen zwingt nicht nur »Vater Rhein« in die Knie. Auch hierzulande führen Bäche immer weniger Wasser - eine Gefahr für ihre Bewohner. Der Fokus sei an dieser Stelle auf den Seenbach gerichtet: Das Gewässer nämlich, das sich vom Vogelsberg kommend nach Freienseen schlängelt, ist Refugium für die Bachmuschel und den Edelkrebs - beide stehen auf der Liste gefährdeter Spezies.
Es war sehr knapp«, sagt Uwe Beyer. Im Abschnitt des Seenbachs, in dem die letzten etwa 20 Edelkrebse (Astacus astacus) vorkommen, sei das Wasser gerade noch drei, vier Zentimeter tief gewesen. Mit dem Bau kleiner Staustufen konnte er die Gefahr für die Tiere bannen.
Beyer ist Initiator der AG »Edelkrebs«. Die Mitglieder setzten sich für den Erhalt der Art ein, die noch vor vier, fünf Generationen in großer Zahl die heimischen Gewässer besiedelte - und sogar auf dem Speiseplan stand. Vor allem ein Pilz, von einem Verwandten aus Amerika eingeschleppt (siehe Kasten), aber auch der Waschbär bedrohen seit Jahren schon die heimische Spezies. Der Eintrag von Schadstoffen macht ihr das Überleben zusätzlich schwer.
Auf dass es nicht zum Abgesang auf den Flusskrebs kommt, zumindest in Freienseen, engagieren sich neben Beyer Tjalda Heßling und der Biologe Dr. Markus Dietz. Letzterer steht im fachlichen Austausch mit der Oberen Naturschutzbehörde (ONB). Demnach sind auch im Gießener Land nurmehr einzelne Bestände übrig. Nicht vergessen sei der Ortsbeirat Freienseen, der aus seinen Verfügungsmitteln 250 Euro für den Kauf von rund 100 Edelkrebsen gestiftet hat, die im Seenbach ausgesetzt werden sollen.
Warten auf
Genehmigung
Aktuell warten die Krebsfreunde noch auf die Genehmigung der ONB. Die Voraussetzung aber wurde bereits im Vorjahr geschaffen: Beyer hatte Reusen ausgelegt, dabei zwischen Schreinersmühle und der alten Molkerei die erhofften Restbestände des Edelkrebses nachweisen können. Denn genehmigungsfähig sind allein Maßnahmen zur Unterstützung bestehender Populationen, eine Neuansiedlung kommt nicht infrage.
Erteilt die Behörde ihr Placet, werden die rund 100 Krebse im Frühjahr 2023 in die Freiheit entlassen. Für dieses Jahr ist es zu spät, darf das Aussetzen doch nur bis Juni erfolgen: Sie müssen sich akklimatisieren können, damit sie den Winter überleben. Der Stabilisierung der Art soll zudem eine Art »Aufzuchtstation« dienen: Am Engelshäuser Berg haben die Naturfreunde in einem Teich junge Exemplare der Art ausgewildert, die auch unter dem Namen Europäischer Flusskrebs firmiert. Die Tiere - in einem Aquarium der Grundschule aufgezogen - stammen aus einer Schottener Krebszucht, seien garantiert nicht mit dem tödlichen Pilz infiziert, so Beyer.
Nicht nur fehlender Regen und abnehmende Grundwasserstände bereiten den Flusskrebsen Probleme. Der Freienseener kommt da auf die Anlage von Uferrandstreifen am Seenbach zu sprechen, ein Naturschutzprojekt. In dessen Zuge aber seien nicht nur Wege verlegt worden, für die Schaffung von »Bachtaschen« seien zudem Steinschüttungen erfolgt. Ausgerechnet nahe eines Krebsbiotops, sodass dort der Wasserstand gesunken war. Beyer: »Je niedriger der ist, desto leichter machen Waschbären Beute.«
Waschbären lieben Krebs und Muschel
Freilich ist das nur ein Zwischenfall, problematischer ist das drohende Austrocknen der Gewässer wie des Seenbachs. Was tragisch wäre, befindet sich doch in der Gemarkung Freienseen auch eine der letzten Vorkommen der ebenfalls vom Aussterben bedrohten Bachmuschel.
Gerade zum Dorf hin, so hat Beyer erst gestern beobachtet, sei der Wasserstand sehr niedrig. Was wiederum den Waschbär freuen dürfte, hat er doch ebenso Muscheln zum Fressen gern - dass auch der putzige Räuber eine invasive Art ist, sei nur als Ironie der Geschichte bemerkt.