Kandidatin berichtet von Diskriminierung

Am 18. September findet in Lollar die Bürgermeisterwahl statt - doch offenbar ist für manche eher der Name einer Kandidatin als die Frage nach der Kompetenz entscheidend: Selda Demirel-Kocar (CDU) äußert sich zu rassistischer Diskriminierung und Gerüchten im Wahlkampf.
Selda Demirel-Kocar, die neben Bianka de Waal-Schneider und Jan-Erik Dort bei der Lollarer Bürgermeisterwahl am 18. September antritt, macht in einer Pressemitteilung Diskriminierungen öffentlich, denen sie sich im Wahlkampf ausgesetzt sieht.
Sie bezieht sich unter anderem auf Kommentare in einer Lollarer Facebook-Gruppe: »Eine Kandidatin, die außer ihrer Nationalität keine Verbindungen zu Lollar hat und einen Bürgermeisterposten angeln will, auf Teufel komm raus und spekuliert auf die türkischen Wähler«, sei dort zu lesen, und ferner: »Genau, die türkische Kommuniti. Wenn die ihr drohen, geht es nach türkischem Muster weiter.« Auch den Satz »Du willst doch die Türkin net wählen!« habe sie schon vernommen. Damit sei »die Sache klar für einige Wählerinnen und Wähler in der Stadt Lollar«, schreibt die CDU-Kandidatin, die, wie sie betont, »eine deutsche Politikerin mit türkischem Migrationshintergrund« ist.
Sie selbst sei von Anfeindungen dieser Art »nicht überrascht«, da sie häufiger mit Äußerungen wie »Scheißtürkin«, »Die Türkin wird viele neue Moscheen in Lollar bauen« oder aber Fragen wie »Haben Sie die deutsche Staatsbürgerschaft?« konfrontiert werde.
»Ich heiße nun mal nicht Helga, sondern Selda«, äußert sich Demirel-Kocar in der Mitteilung vom Freitag und zeigt Verständnis für »Fragen in Bezug auf meine Person, Religion oder meine Herkunft«, die sie »sehr gerne« beantworte. »Aber es gibt viele Menschen, die sie gar nicht erst stellen. Für diese steht fest, dass eine Selda Demirel-Kocar allein aufgrund ihres Namens und ihrer Herkunft keine Bürgermeisterin werden kann.«
Lediglich »einige Äußerungen« machten sie betroffen, so die 48-Jährige. »Zum Beispiel die Unterstellung ›möglich ist, dass sie eine exzellent getarnte ›Schläferin‹ ist.‹« »Prekär« sei auch, dass ihr jemand ins Ohr geflüstert habe: »Wenn die türkischen Wähler Sie wählen, haben Sie vielleicht eine Chance, ansonsten können Sie es vergessen. Aber wenn die türkischen Männer ihre Frauen nicht wählen lassen, dann wird das auch nichts.«
Demirel-Kocar freut sich, »dass nicht alle Lollarer Bürgerinnen und Bürger so denken«, dennoch wolle sie dazu Position beziehen: »Viele Gerüchte aufgrund meines Namens, Religion und Herkunft kursieren derzeit in der Stadt Lollar. Einige Bürgerinnen und Bürger haben mich in der Sache kontaktiert und um eine Stellungnahme gebeten.«
Konkret geht es ihr um ein Video, auf das sie mehrfach angesprochen worden sei: Sie habe mittlerweile mitbekommen, dass von ihr eine Interview-Aufnahme von 2015 existiere, die falsch untertitelt sei, schreibt die CDU-Kandidatin dazu.
Es ist bei einer Veranstaltung in Wetzlar entstanden, sie sei als Expertin eingeladen worden. Unter ihrem Namen erscheint in dem Video die Einblendung »DiTib - Türkisch-Islamische Gemeinde Wetzlar«. Der Verein DiTiB ist Träger zahlreicher Moscheen und gilt als größte sunnitisch-islamische Organisation in Deutschland, steht aber wegen des Vorwurfs der Nähe zum türkischen Staat in der Kritik.
»Ich kann immer nur betonen, dass ich zu keinem Zeitpunkt Mitglied in einer Religionsgemeinschaft, auch nicht der DiTib, oder Anhänger von ausländischen Machthabern war«, stellt Demirel-Kocar klar. Sie spreche in dieser Aufnahme gegen die Radikalisierung von Jugendlichen, betont sie und verweist darauf, dass anschließend auch andere deutsche Politiker interviewt worden seien. »Eine Richtigstellung der falschen Untertitelung werde ich rechtlich einfordern«, so die Juristin. Als Referentin habe sie häufig gegen Radikalisierung, über den Schutz von Frauen vor Gewalt und weitere Themen öffentlich gesprochen.
Abschließend schreibt Demirel-Kocar: »Ich und meine Familie sind deutsche Staatsangehörige und leben seit Geburt, ich selbst seit 43 Jahren, in Deutschland.« Sie verweist auf ihre fachliche Expertise und Verfassungstreue: »Ich habe deutsches Recht studiert und verteidige die deutsche demokratische Grundordnung.«
Wie »viele andere Politiker« werde auch sie zu Veranstaltungen und Rundgängen eingeladen. »Diese Termine nehme ich wahr - ob es eine Moschee, ein alevitisches Gemeindezentrum, eine Kirche oder Synagoge ist. Ich distanziere mich jedoch von allen, die extremes oder radikales Gedankengut verbreiten.«