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Ekel-Haus nahe Gießen: Anwohner fühlen sich im Stich gelassen

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Von: Lena Karber

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Das Foto zeigt eine Kakerlake.
Ein Wohnhaus im Kreis Gießen von Kakerlaken heimgesucht. (Symbolbild) © IMAGO / Oliver Willikonsky

Vor sieben Jahren haben sich Frau P. und ihr Mann eine Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus in einem Busecker Ortsteil gekauft. Doch seit einigen Monaten fühlen sie sich dort nicht mehr wohl, weil aus einer der Wohnungen Kakerlaken krabbeln. Von den Behörden fühlt sich Frau P. mit ihrem unappetitlichen Problem im Stich gelassen.

Buseck - Mit doppelseitigem Klebeband hat einer der Bewohner den Spalt unter der Tür abgeklebt und somit eine improvisierte Insektenfalle geschaffen. Auch giftiges Spray kommt zum Einsatz. Dennoch ist die Sorge, dass sich die Schädlinge trotzdem im Haus verbreiten, unter den Bewohnern groß. Schließlich geht es um orientalische Schaben, die auch als gemeine Küchenschaben oder Kakerlaken bezeichnet werden. Und die für viele Menschen der absolute Urlaubs-Albtraum sind. Während man im Urlaub jedoch im besten Fall einen Zimmer- oder Hotelwechsel erwirken kann und im schlechtesten Fall das Ende der Reise herbeisehnen muss, können die Bewohner des Mehrfamilienhauses in der Gemeinde Buseck nicht einfach abreisen. Sie leben hier.

So wie Frau P. Vor sieben Jahren hat sie gemeinsam mit ihrem Mann eine Eigentumswohnung in der Immobilie gekauft, in der insgesamt zwölf Wohnungen vorhanden sind. Schon damals habe eine von ihnen weitgehend leer gestanden, erzählt sie. Und das habe sich bis heute nicht verändert. »Der Eigentümer nutzt sie wohl ab und an selbst, um ein paar Stunden dort zu schlafen.«

Das Problem: Laut Frau P. ist die Wohnung inzwischen so vermüllt, dass sich die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) massiv gestört fühlt. »Die Sache eskaliert seit Mitte Juli, seitdem wurden aus dem unteren Hohlraum der Wohnungstür herauskrabbelnde Schädlinge gesehen und fotografiert«, berichtet sie. Bei den Bewohnern liegen daher die Nerven blank. »Kakerlaken verbreiten sich bekannterweise in Häusern, kommen durch Schächte und besiedeln alles, wenn nicht professionell und schnell gehandelt wird oder gehandelt werden kann«, sagt Frau P. »Und wir haben zwei Familien mit Babys im Haus!«

Kakerlaken im Kreis Gießen: „Wir haben zwei Familien mit Babys im Haus!“

Zwar wurde rasch ein Schädlingsbekämpfer einbestellt, aber ohne Zutritt zur Wohnung konnte der nicht viel ausrichten. Ein richterlicher Beschluss auf Türöffnung konnte laut Hausverwaltung jedoch von dem beauftragten Anwalt nicht erwirkt werden.

Zu Ordnungsamt und Gesundheitsamt haben die Bewohner ebenfalls Kontakt aufgenommen. Abgesehen von Berlin besteht in Deutschland für privat genutzte Räume zwar keine grundsätzliche Meldepflicht bei Kakerlaken-Befall. Wenn der zuständige Eigentümer keine geeignete Bekämpfungsmaßnahmen ergreift, sollte jedoch das Gesundheitsamt informiert werden, heißt es auf diversen Internetseiten.

»Die Gesundheitsämter sind grundsätzlich zuständig für Anordnungen zur Bekämpfung tierischer Schädlinge«, bestätigt Kreis-Pressesprecher Dirk Wingender. »Allerdings erst, wenn der Befall festgestellt wurde und die Gefahr begründet ist, dass durch die Schädlinge Krankheitserreger verbreitet werden.« Deshalb, so Wingender, sei der richtige Ansprechpartner zunächst das zuständige Ordnungsamt.

Aus Sicht der Bewohner des Mehrfamilienhauses entpuppte sich allerdings auch dieser Weg als Sackgasse. »Das Ordnungsamt war am Anfang hier und wollte mehr Fotos zur Beweislage«, erzählt Frau P. Diese habe man bereitgestellt - allerdings habe es dann auch von dieser Seite geheißen, man sei nicht zuständig.

Die Gemeinde Buseck bestätigt das auf Anfrage. »Da sind wir als Kommune nicht zuständig, sondern eher das Gesundheitsamt oder das Veterinäramt«, sagt Bürgermeister Dirk Haas. Die Gemeinde habe in einem solchen Fall jedenfalls wenig Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Der Grund: Der Schädlingsbefall sei innerhalb eines Hauses, nicht außerhalb. »Wahrscheinlich ist das eine zivilrechtliche Geschichte«, so Haas.

Ekel-Haus im Kreis Gießen: Anwohnerin fühlt sich im Stich gelassen

Frau P. ist frustriert und fühlt sich im Stich gelassen. Mehrfach wurde sie von einer Stelle zur anderen verwiesen. »Wie kann es sein, dass keine Behörde in diesem eklatanten Fall tätig wird?«, fragt sie.

Eine befragte Rechtsanwältin aus dem Kreisgebiet, zu deren Schwerpunkten das Miet- und Wohnungseigentumsrecht gehört, wundert das nicht - obwohl sie die Einschaltung der Behörden für einen richtigen Schritt hält. »Man muss leider sagen, dass es grundsätzlich gar nicht so einfach ist, gegen so etwas vorzugehen«, sagt sie. »Wenn man das Gesundheitsamt, Ordnungsamt, die Gemeinde, die Kommune miteinbezieht, sind die da sehr zurückhaltend. Das ist auch die Erfahrung, die ich gemacht habe.«

Sie rät der WEG, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. »Ich würde immer empfehlen, sich bei einem Anwalt zu informieren, was für Möglichkeiten man hat, um zu eruieren, welche Optionen noch offen sind«, sagt sie. Als »letztes Mittel« verweist sie auf den Paragraph 17 des Wohnungseigentumsgesetzes: die Entziehung des Wohnungseigentums. Demnach kann die WEG von einem Eigentümer, der trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen seine Pflichten verstoßen hat, verlangen, dass er sein Wohnungseigentum veräußert.

Einen entsprechenden Beschluss haben die Bewohner des Mehrfamilienhauses inzwischen getroffen. Allerdings muss dieser bei Nichteinhaltung mit einer Entziehungsklage beim Amtsgericht durchgesetzt werden - was nach Einschätzung der Hausverwaltung wiederum einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Für Frau P. und die anderen Bewohner ist die ungeliebte Reise also noch nicht zu Ende.

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