Impfbus auf Tour

Seit Mittwoch ist der Impfbus im Kreis im Einsatz. In den ersten drei Tagen haben 206 Menschen das Angebot wahrgenommen. Leiter Udo Liebich spricht von einem Erfolg. Insbesondere weil man nicht nur Zweit- und Auffrischungsimpfungen durchgeführt, sondern auch bislang Ungeimpfte erreicht hat.
Natürlich fällt am Mittwoch in Lang-Göns auch der Name Joshua Kimmich. Kein Wunder, ist der Profi des FC Bayern doch das Thema der vergangenen Tage. Er sei noch nicht geimpft, weil er das mit den Spätfolgen noch beobachten wolle, hatte Kimmich vor einer Woche gesagt und reichlich Diskussionen ausgelöst. Experten werden seitdem nicht müde zu betonen, dass es bei der Impfung keine Spätfolgen gibt, Nebenwirkungen immer zeitnah auftreten. Milliardenfach sind die Wirkstoffe bereits verabreicht worden, insofern sind seltene Begleiterscheinungen bekannt.
In Lang-Göns jedenfalls vor dem Impfbus des DRK bemüht auch ein Mittvierziger aus Fernwald die Causa Kimmich, als er erzählt, warum er sich nun ausgerechnet jetzt den ersten Piks abholt. Bislang stand er dem Ganzen eher skeptisch gegenüber. »Dieses ganze Hin und Her um geimpft oder ungeimpft geht mir einfach nur noch auf die Nerven«, sagt er. »Aber die Diskussion über die Aussagen von Kimmich hat für mich den Ausschlag gegeben.« Er habe sich noch einmal genauer informiert, »dann habe ich mich für die Impfung entschieden«.
Seit dieser Woche ist der Impfbus im Landkreis unterwegs. Er ist neben der Immunisierung durch die Hausärzte und die Impfambulanz in Gießen die dritte Säule, auf die die Verantwortlichen in diesem Herbst setzen. An den ersten Tagen machte der Bus in Linden, Langgöns, Buseck, Reiskirchen, Lich und Grünberg Halt, insgesamt 206 Impfungen wurden verabreicht. In den kommenden Wochen wird er auch die anderen Städte und Gemeinden ansteuern und ein Impfangebot in Wohnortnähe und ohne Termin ermöglichen. Doch schafft man es, damit all jene zu erreichen, die sich bislang nicht impfen ließen?
Laut Robert-Koch-Institut sind 66,5 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig immunisiert, in Hessen liegt der Prozentsatz mit 65,6 leicht darunter. Exakte Zahlen für den Landkreis gibt es nicht.
Die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa aber ließ bundesweit aufhorchen. Demnach gaben 89 Prozent der Nichtgeimpften an, sich auch in den kommenden acht Wochen nicht impfen lassen zu wollen. Zwei Drittel sagten gar, sie werden es »auf keinen Fall« tun. Knapp 90 Prozent der Ungeimpften würden ihre Meinung auch nicht überdenken, sollten die Intensivstationen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.
Insofern überraschen die Zahlen, die Udo Liebich präsentiert. Liebich leitet die Impfambulanz in Gießen, Rund ein Drittel der 4955 Immunisierungen, die dort seit Anfang Oktober vorgenommen wurden, waren Erstimpfungen. Und auch die Erfahrungen der ersten Tage mit dem Impfbus zeige, die Nachfrage nach Erstimpfungen sei vorhanden. »Wir hatten an allen Standorten Erst-, Zweit- und Drittimpfungen«, sagt Liebich.
Es sind ganz unterschiedliche Gründe, die die Menschen ausgerechnet jetzt zum Impfbus führen. Einige können sich erst in diesen Tagen impfen lassen. Etwa wegen einer überstandenen Corona-Infektion. »Ich hatte im April Covid-19«, erzählt eine Frau am Mittwoch in Lang-Göns. Deshalb nutze sie nun dieses Angebot, so könne sie sich quasi zwischendurch ihren Piks abholen.
Das Gros der Wartenden vor dem Impfbus aber sind Senioren, die ihre Auffrischungsimpfung erhalten wollen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt sie Menschen über 70 Jahre und solchen mit Vorerkrankungen. Impfdurchbrüche, von denen in den vergangenen Tagen immer häufiger die Rede ist, sind gerade für diese Altersgruppe ein Problem.
»Die Inzidenzen steigen wieder überall. Wo soll das denn nur hinführen? Deshalb habe ich mich für die Auffrischung entschieden und wollte das möglichst unkompliziert erledigen«, meint ein Mann in Großen-Linden. Gemeinsam mit einigen Bekannten steht er am Mittwochmorgen vor dem Lindener Freibad. Für 9 Uhr ist der Impfbus anvisiert, bereits vorher bildet sich eine Schlange. Die Nachfrage in Linden ist an diesem Vormittag so groß, dass schließlich ein zweites mobiles Impfteam nachbestellt wird.
Besonders eines wissen die Menschen in den Gemeinden an dem neuen Angebot zu schätzen: »Beim Arzt hätte ich drei Wochen warten müssen und hier geht es einfach ohne Termin«, sagt eine der wartenden Seniorinnen. »Da war die Entscheidung leicht.«