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»Ich stehe für Transparenz«

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Von: Jonas Wissner

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Bianka de Waal-Schneider will im Lollarer Bürgermeisterwahlkampf unter anderem auf Perspektiven für Kinder und Jugendliche sowie das Thema Nachhaltigkeit setzen - und auf ihre kommunalpolitische Erfahrung. © pv

Nach vielen Jahren in der Staufenberger Kommunalpolitik bewirbt sich Bianka de Waal-Schneider nun um das Bürgermeisteramt in Lollar. Im Interview spricht die 54-Jährige über Unterschiede zu ihrem Job in der freien Wirtschaft, Schwerpunktthemen im Wahlkampf und Sport als Ausgleich.

Frau de Waal-Schneider, Sie machen seit 2006 in Staufenberg Kommunalpolitik. Warum wollen Sie nun in die Nachbarkommune Lollar wechseln?

Ich bin seit zehn Jahren Erste Stadträtin, habe das Geschäft von der Pike auf kennengelernt. Jetzt die Möglichkeit zu haben, in einer schönen Nachbarstadt das Amt der Bürgermeisterin zu übernehmen, finde ich sehr reizvoll. Mein Slogan ist »mit Leidenschaft und Kompetenz«, so habe ich mein Ehrenamt auch bisher ausgeübt. Und ich glaube, dass ich das mit Themen, die ich schon in Staufenberg mitgestalten durfte, wunderbar in Lollar umsetzen kann.

SPD und Grüne haben sich mit der Kandidatenkür relativ viel Zeit gelassen. Die SPD ist dann auf Sie zugekommen - was waren da Ihre ersten Gedanken?

Wow, dass man mir dieses Vertrauen schenkt! Und: Wow, wie ist man auf mich gekommen? Dann habe ich gesagt: Ich muss es für mich erstmal ganz konkret durchdenken, reflektieren: Möchte ich das auch? Und ganz wichtig: Steht meine Familie dahinter? Auf der anderen Seite musste ich mich entscheiden: Wenn die Bürger mich tatsächlich wählen, dann verlasse ich ein Unternehmen, in dem ich seit 33 Jahren tätig bin. Ich mache diesen Job gern. Möchte ich das aufgeben? Wenn ich mich entscheide, mich einer Sache zu stellen, dann ganz und gar mit voller Überzeugung.

Wie lange haben Sie darüber nachgedacht?

Bei meiner Familie ging es recht schnell, die haben gesagt: Mama, mach das, wir trauen dir das absolut zu! Ich selbst habe aber 14 Tage benötigt, um alles gegenüberzustellen, habe eine Art Mindmap erstellt. Und dann bin ich zu diesem Ergebnis gekommen.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Ich bin sehr offen, ein kommunikativer Mensch. Und ich kann sehr hartnäckig sein, mich in Dinge reinbeißen, bin wissbegierig. Meine Kinder sagen, ich sei ein herzensguter Mensch. Ich würde mich als sportlich bezeichnen. Und ich bin jemand, der sich immer sehr gut vorbereitet. Das finde ich für das Amt sehr wichtig. Auch in meinem jetzigen Job muss ich viele Entscheidungen treffen, mit Budgets arbeiten. Gerade im Handel ist es zurzeit durch Corona nicht so einfach, da muss man gut ausloten, wohin der Weg geht.

Als Senior Managerin sind Sie bei Peek & Cloppenburg unter anderem für Aus- und Fortbildungen zuständig. Inwiefern ist es etwas anderes, eine Führungsposition in der Verwaltung zu haben - wo man für Planungen und Entscheidungen vielleicht mehr Zeit braucht?

In meinem Job habe ich ein Budget zur Verfügung und überzeuge die Unternehmensleitung, dass wir zum Beispiel einen Ausbildungsgang anbieten. So einfach zu sagen, wir setzen das jetzt um, weil ich ein Budget und das Go der Unternehmensleitung habe - das funktioniert in der Politik nicht. Aber das kenne ich ja aus Staufenberg. Man muss dann schauen: Welche Möglichkeiten gibt es, zu verändern? Und manchmal muss man auch Entscheidungen treffen, die nicht populär sind.

Haben Sie ein Beispiel?

Als wir in Staufenberg im Schutzschirm-Programm waren, es um den Haushalt ging und wir nachts das Licht abgestellt haben ... Ich stehe voll und ganz dahinter. Es ist wichtig, dem Bürger solche Entscheidungen zu erklären und damit verständlich zu machen. Natürlich gehören die Bürger immer dazu. Das geht bei mir, vielleicht auch beruflich bedingt, damit einher: Ich stehe für Transparenz und eine gute Kommunikation.

Sie sind als dritte Kandidatin ins Rennen um das Lollarer Rathaus eingestiegen. Ist es ein Vorteil, von vorneherein zu wissen, mit wem man es zu tun hat?

Wenn ich es mal aus sportlicher Sicht betrachte - ich habe ja Turniertanz betrieben: Da war es immer gut zu wissen, wer teilnimmt. Das ist analytisch ein Vorteil. Ich würde nicht sagen: Das brauche ich nicht zu berücksichtigen. Letztendlich sollte man jedem Respekt zollen, damit das Ganze fair bleibt. Dann muss man sich wie beim Sport bestmöglich vorbereiten und mit einem guten Gefühl hineingehen.

Auf welche Themen wollen Sie im Wahlkampf vor allem setzen?

Was mir wirklich am Herzen liegt, und darüber bin ich auch zur Politik gekommen, ist das Thema Kinder und Jugend. Lollar hat ein buntes Vereinsleben. Kinder- und Jugendförderung über Vereine ist in der heutigen Zeit besonders wichtig. Man lernt viele Kompetenzen, ist in einem Gruppengefüge - da müssen Vereine weiter gefördert werden. Damit einher geht auch das Thema Bildung.

Woran denken Sie dabei?

Was es schon gibt, ist das Netzwerk für Demokratie, etwa in Staufenberg und Lollar. Daraus gehen auch die Jugendbeauftragten hervor. So etwas zu unterstützen und weiter zu fördern, finde ich wichtig. Darüber gibt es auch Planspiele, bei denen junge Menschen an Politik herangeführt werden und ein Verständnis dafür bekommen. Ähnlich wie bei Vereinen fühlen sich Jugendliche auch dort aufgehoben, können Themen besprechen und vieles einfach mal erleben.

Können Sie ein weiteres Thema nennen?

Wenn ich an Kinder und Jugendliche denke, dann sind Nachhaltigkeit und Klimaneutralität automatisch zukunftsorientiert. Man muss Weichen heute stellen und sollte auch überlegen: Welche Möglichkeiten habe ich als Stadt? Welche städtischen Immobilien könnten Fotovoltaik vertragen? Das läuft ja schon an in Lollar, kürzlich gab es dazu eine Info-Veranstaltung. Man muss aufklären, in die Zukunft investieren und als Stadt mit gutem Beispiel vorangehen. Auch die Kinderbetreuung wird immer wichtiger. Da sehe ich den Fokus, junge Familien zu unterstützen. Viele junge Menschen wollen in einem kleinen Eigenheim leben und sind darauf angewiesen, dass beide arbeiten. Da ist man froh, wenn man eine gute Kita- oder Schulbetreuung hat.

Junge Familien brauchen nicht zuletzt bezahlbaren Wohnraum. Am Ortsrand von Odenhausen und Ruttershausen ist im Regionalplan-Entwurf eine 26 Hektar große Siedlungsfläche ausgewiesen, die mittelfristig erschlossen werden könnte. Dagegen regt sich viel Widerstand. Nun ist nur noch die FDP dafür, die komplette Fläche als Option im Plan zu belassen. Wie stehen Sie dazu?

Es ging ja erstmal um eine Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplans. Und wenn 26 Hektar ausgewiesen sind, heißt das nicht, dass sie tatsächlich zu Bauland werden.

Das scheint so nicht allen einzuleuchten.

Das stimmt. Aber vorher müsste auch erstmal nachgewiesen werden, ob nicht noch im Innenbereich Möglichkeiten geschaffen werden können. Ein wichtiger Aspekt kommt hinzu: Wenn es wichtige landwirtschaftliche Flächen sind, lege ich nicht einfach einen Bebauungsplan drüber. Man muss das Thema Versiegelung von Flächen mit sehr viel Fingerspitzengefühl angehen. Ich bin aber auch der Meinung, dass man sich nicht ganz verweigern kann. Es geht mir noch nicht mal darum, Zuzug zuzulassen: Ich habe drei erwachsene Kinder, die irgendwann ausziehen und dann vielleicht auch hier eine Wohnung suchen. Und wenn ich hier überhaupt keine Möglichkeit mehr habe, ist es sehr schwierig, dass auch junge Menschen bleiben.

Sie sind in Staufenberg sicher vielen bekannt. Denken Sie, dass das auch für Lollar gilt?

Nein, da werde ich sicher nicht so bekannt wie in Staufenberg sein. Aber zumindest im Karneval-Bereich kennen mich die Leute als Übungsleiterin. Meine Kinder waren auf der CBES. Und ich bin seit zehn Jahren im Vorstand des gemeinsamen Abwasser-Zweckverbands, daher kennen mich auch einige. Nichtsdestotrotz werde ich jetzt Lollar mit meinem Fahrrad erradeln und mich den Bürgern vorstellen, vor allem am Wochenende. Einkaufen gehe ich sowieso schon in Lollar.

Was steht im Wahlkampf als nächstes an? Ist schon die Zeit zum Klinkenputzen an Haustüren?

In den nächsten Wochen werde ich mir eine sehr klare Struktur vorbereiten und es danach angehen. Wenn ich an die Inzidenzen denke, hätte ich beim Haustürwahlkampf aktuell noch ein bisschen Sorge. Auch über Social Media mache ich immer mal kleine Mitteilungen. Und wenn ich von Vereinen oder Institutionen eingeladen werde, nehme ich das natürlich gern wahr.

Ihre Leidenschaft gilt dem Tanzen. Sie waren früher Turniertänzerin, trainieren seit vielen Jahren die Garde beim TV Mainzlar ...

.... das mache ich weiter.

Wäre das als Bürgermeisterin realistisch, kriegt man das hin?

Das kriegt man hin, davon bin ich voll und ganz überzeugt (lacht). Wenn man sich mal vor Augen führt: Ich habe jetzt meinen Job im Unternehmen, die zusätzliche Tätigkeit als Erste Stadträtin und damit verbunden Veranstaltungen als Vorstand des Zweckverbands. Und gleichzeitig trainiere ich nach wie vor die Tanzgarde. Ich glaube, dass ich das auch wunderbar handhaben kann, wenn ich Bürgermeisterin bin, auch mit den ganzen Abendveranstaltungen. Das ist mir voll und ganz bewusst, und das wird funktionieren, jetzt geht es ja auch. Ich war immer auch auf Geschäftsreisen und habe es trotzdem hinbekommen.

Bleibt bei Ihnen auch mal ein Moment zum Durchschnaufen?

Das ist ja mein Sport (lacht). Wir sind alle dem Sport verbunden: Die Mädels tanzen auch, alle drei Kinder spielen Handball bei der HSG Lumdatal, mein Mann spielt Volleyball und ist auch Trainer. Wir kommen einfach aus diesem Sportgefüge, und das ist ein Stück weit für uns der Ausgleich. Ich empfinde das nicht als Stress, sondern es macht Spaß. Ich habe auch allen klar gesagt: Wer von mir erwartet, dass ich damit aufhöre - für den wäre ich die falsche Person. Dann würde ich ein Stück von meiner Authentizität abgeben, das gehört aber zu mir.

Warum sollten die Lollarer Sie wählen?

Weil ich mich mit Leidenschaft und Kompetenz für die Stadt Lollar einsetzen möchte.

Diese beiden Schlagwörter fallen bei Ihnen häufiger.

Ja, weil ich das wichtig finde. Ich bin so, wie ich bin, und möchte auch so authentisch bleiben.

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