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»Ich freue mich auf Normalität«

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Von: Patrick Dehnhardt

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Sebastian Kirchner ist der Operative Leiter Impfen auf Seiten des DRK. Seine Tage sind derzeit lang. © Patrick Dehnhardt

Ohne Impfungen wird die Covid-19-Pandemie wohl nie zu Ende gehen. Sebastian Kirchner sorgt als Operativer Leiter Impfen dafür, dass in den Impfzentren im Landkreis Gießen genügend Impfstoff bereitsteht und der Betrieb läuft. Seine Tage sind derzeit lang.

Sollte die Pandemielage irgendwann im Griff sein, dann haben Menschen wie Sebastian Kirchner und sein Team daran einen gewaltigen Anteil. Kirchner bildet zusammen mit Björn Kohlhaussen von den Johannitern die Operative Leitung Impfen im Landkreis Gießen. Ihre Arbeitstage sind derzeit lang und an Urlaub ist nicht zu denken - denn das Virus nimmt diesen auch nicht.

Kirchner ist eigentlich Sachgebietsleiter Aus- und Weiterbildung beim Kreisverband Gießen-Marburg des Deutschen Roten Kreuzes. Doch zu Beginn der Pandemie brach die Nachfrage nach Erste-Hilfe-Kursen ein. Als Operativer Leiter Impfen hat er nun alle Hände voll zu tun. »Wir arbeiten seit November 2020 durch«, sagt er über sich, Kohlhaussen sowie das Team.

Fünf Leitungskräfte sind den beiden unterstellt, die sich um bestimmte Fachgebiete kümmern - etwa das Kinderimpfhaus im Seltersweg in Gießen, den Impfbus oder die Terminkoordination, nehmen der Leitung so jede Menge Arbeit ab. Dennoch: »Ein normaler Tag hat derzeit 12 bis 14 Stunden«, sagt der 48-Jährige.

Sein Arbeitstag ist abwechslungsreich. Mal sind Videokonferenzen abzuhalten, dann wieder Vor-Ort-Termine dort notwendig, wo die Impfungen verabreicht werden. Fast jeden Tag sitzt Kirchner zudem noch abends vor dem Laptop, um sich um Probleme zu kümmern oder den nächsten Tag vorzubereiten. Ein Knochenjob. Kirchner macht er aber jede Menge Spaß. »Man muss einen gewissen Enthusiasmus an den Tag legen«, stellt er fest. »Aber dies ist das Projekt auch wert.« Zumal die Arbeit im Team sehr gut laufe und großen Spaß mache.

Nach über einem Jahr Impfen habe sich eine Grundroutine im Ablauf eingestellt. Doch jeden Tag würden Überraschungen auftauchen, die es abzufangen gelte. Mal klemme es bei der Lieferung spezieller Kanülen für das Kinderimpfhaus, dann gebe es wieder neue Vorgaben von der Ständigen Impfkomission (Stiko). Kirchner und seine Kollegen müssen solche Probleme schnellstmöglich lösen.

Sorgen bereiten ihm derzeit vor allen Dingen die hohen Inzidenzen. Denn die Impfteams haben durch ihre Arbeit viele Kontakte zu Menschen, die erkrankt sein könnten. »Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass auch Mitarbeiter als Kontaktpersonen ausfallen«, sagt er. An den Plänen dafür wird derzeit gearbeitet, damit das Impfen dennoch möglichst reibungslos weiterlaufen kann. »Das Schlimmste wäre, wenn wir krankheitsbedingt Impfpunkte nicht bespielen könnten.«

Biontech oder Moderna? Auf diese Frage hat Kirchner keinen Einfluss. Der Impfstoff wird vom Bund an die Länder verteilt. »Biontech gibt es nur in kleinen Chargen, Moderna ist genug da.« Man halte sich an die Vorgaben der Stiko. Für die Kinder werde ein eigener Impfstoff geordert. »Wir bestellen unseren Impfstoffbedarf über die Apotheken. Der Kinderimpfstoff kommt vom Sozialministerium.«

Derzeit sei die Nachfrage nach Impfungen leicht zurückgegangen, nur im Kinderimpfhaus sei permanent Hochbetrieb. Dennoch gingen die Kalkulationen auf, der Impfstoff vor Ort könne stets verabreicht werden, es gebe aber auch keine Engpässe. Der Andrang ist vor allen Dingen in der zweiten Wochenhälfte da, weil sich dann die Menschen ihre Spritze abholen, um sich am Wochenende auszukurieren, hat Kirchner festgestellt.

Derzeit gibt es viele kurzfristige Terminbuchungen. 30 Prozent davon seien Erst- und Zweitimpfungen, der Großteil entfalle auf die Auffrischungsimpfung. Mittlerweile empfehle die Stiko den Booster drei Monate nach dem ersten Impfzyklus.

Ob es danach noch eine zweite Auffrischimpfung geben muss, kann Kirchner nicht einschätzen. In einigen Klinken werde das Personal zwar bereits zum zweiten Mal geboostert. »Wir halten uns an das, was die offiziellen Stellen sagen«, sagt er. Es sei zudem Aufgabe der Stiko, dazu eine Empfehlung auszusprechen.

Der 48-Jährige erfüllt seine Aufgabe mit Leidenschaft. Dennoch hätte er nichts dagegen, wenn diese Arbeit bald abgeschlossen wäre. Von seinen Kollegen im Rettungsdienst hat er mitbekommen, wie viele Corona-Patienten sie - gerade in den ersten drei Wellen - ins Krankenhaus bringen, dabei teilweise in Vollschutzkleidung im Rettungswagen arbeiten mussten. »Das ist sehr belastend. Die Infektionen treffen die Gemeinschaft.«

Er selbst vermisst, einfach mal wieder Mannschaftssport betreiben oder kulturelle Angebote nutzen zu können, ohne dabei Angst vor einer Ansteckung haben zu müssen. Oder mal einen längeren Urlaub genießen zu können.

In wenigen Tagen ist es zwei Jahre her, dass der erste Corona-Fall im Landkreis registriert wurde. Der Impfkoordinator hat die Hoffnung, dass bald wieder Normalität zurückkehrt, und will mit seinem Team dazu beitragen. »Ich freue mich auf die Normalität. Selbst wenn dies bedeuten würde, dass wir uns alle einmal pro Jahr impfen lassen müssten.«

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