Mysteriöse Legende um verschwundenes Dorf im Kreis Gießen

Auf halber Strecke zwischen Hungen und Langsdorf lag einst das Dorf Messfelden. Rund um das Dorf rankt sich eine Legende, in der ein Schwein eine Hauptrolle spielt.
Hungen - Der Schwengel des Brunnen klappert im Wind. Über den Arm lässt sich schon lange kein Wasser mehr aus der Tiefe pumpen. Die Halterung ist verrostet, die lange Schafstränke trocken und verwaist.
Die Tränke steht an der Touristenroute »Auf Schäfers Spuren« - und in der Nähe des untergegangenen Dorfs Messfelden. Das Dorf spielte in der Hungener Stadtgeschichte immer wieder eine Rolle - und hat auch eine eigene Sage. Fest steht: Der Ort lag auf halber Strecke zwischen Langsdorf und Hungen. 1281 wurde er erstmals urkundlich erwähnt, damals noch als Mazvelth.
In der Hungener Stadtchronik ist nachzulesen, dass das Dorf vermutlich älter war. So wurden beispielsweise verstorbene Villinger dort zu Grabe getragen, ein Totenweg verband die beiden Orte. Dass der Name des Dorfs daher stamme, dass dort die Messe gelesen wurde, dürfte eher eine Volkssage sein. Wahrscheinlicher ist, dass er sich von dem Wort »massa« für Metallklumpen und Schmelzofen ableitet.
Verschwundenes Dorf lag zwischen Langsdorf und Hungen
Ab 1318 ist eine Kapelle in Messfelden urkundlich belegt. Diese und der Friedhof bestanden auch noch, als das Dorf längst verlassen war. Weder Krieg noch Krankheit oder gar schlechte Böden dürften eine Rolle gespielt haben, warum Messfelden verschwand.
Vermutlich dürfte die Bevölkerung in das benachbarte Hungen abgewandert sein - denn dieser Ort erhielt 1361 die Stadtrechte. Das Leben in einer Stadt hinter hohen Mauern versprach mehr Sicherheit als das in einem Dorf, das maximal durch einen Hain geschützt werden durfte. Um 1400 wurde der Altar aus der Messfelder Kirche in die Hungener Stadtkirche gebracht.
1422 war das Dorf noch teilweise bewohnt, galt da aber bereits als Wüstung. »Die Gebäude in Messfelden wurden entweder von den Bewohnern abgetragen und in Hungen wieder aufgebaut oder sind am Ort verfallen«, heißt es in der Stadtchronik. Da die Böden gut waren, wurden die Felder nun aus der anderthalb Kilometer entfernten Stadt bewirtschaftet.
Verschwundenes Dorf Messfelden spielte in Hungener Stadtgeschichte eine besondere Rolle
Lange nach dem Wüstwerden spielte Messfelden in der Hungener Stadtgeschichte eine besondere Rolle - wenn man der Volkssage glauben darf. Im Hungener Kirchturm hängt eine 1,12 Meter hohe und 1,38 Meter breite Glocke, die den Namen Susanna trägt. Auf ihr ist in Latein unter anderem zu lesen: »Blitze breche ich, die Toten beweine ich, den Sünder rufe ich«. Sie stammt aus dem Jahr 1452.
Im Dreißigjährigen Krieg sollte das Schmuckstück nicht feindlichen Soldaten in die Hände fallen. Darum soll der Erzählung nach die Glocke nach Messfelden gebracht und dort vergraben worden sein. Das Versteck war gut - vielleicht zu gut. Denn neben Soldaten kam auch die Pest nach Hungen und raffte alle an der Vergrabe-Aktion Beteiligten dahin. Zunächst blieb die Glocke verschwunden.
Von wegen - das würde kein Schwein interessieren: Ein weidendes Exemplar stöberte zufällig mit seinem Rüssel die Glocke wieder auf. Zu der Glocke gibt es seitdem den Reim »Hätt’ mich der Säureußel nicht gefonne, wär’ ich nicht in die Hungener Kirch’ gekomme«. Dass man Schweine auf die Weide treibt, ist heute eher selten der Fall. Mitten in der Messfelder Gemarkung liegt das Trittstein-Biotop Heuern. Hohe und alte Hute-Eichen sowie Besenheide prägen das Areal, das schon von der Bundesstraße aus gut zu erkennen ist.
Verschwundenes Dorf: Alte Schaftränke steht noch immer
Früher war der Heuern ein Anlaufpunkt für Schäfer mit ihren Herden. 1943 wurde darum die lange Schafstränke mit der Handpumpe errichtet. Hermann Schuld, Julius Schwalb und Heinrich Butteron sollen sie aufgestellt, die Baukosten rund 550 Reichsmark betragen haben.
Heute sieht man Schafherden auf der Fläche nur selten. »Da die Fläche sehr klein ist, kommt der Stadtschäfer nur selten vorbei«, heißt es auf der Infotafel neben der Tränke. Stattdessen sorgen Ziegen dafür, dass der Bewuchs niedrig und die Hutung erhalten bleibt. Tritthafer, Großes Schilergras und Heidenelke haben hier ihren Lebensraum.
Auf der Tafel ist auch zu lesen, dass »die alte Schafstränke von Bedeutung« ist. Noch vor ein paar Jahrzehnten konnten Kinder über den Schwengel Wasser heraufpumpen und versuchen, die Tränke zu füllen - woran die meisten aufgrund des hohen Volumens scheiterten. Vielleicht wird die Pumpe einmal ihrer Bedeutung gemäß wieder instand gesetzt. (Patrick Dehnhardt)
Für den Stadtteil Obbornhofen in Hungen hat Gerhard Steinl wichtige Details der Geschichte zusammengefasst. Rund anderthalb Jahre arbeitete er an einem Buch.