Auf Spurensuche
»War Theresienstadt nun ein Ghetto oder ein Konzentrationslager?« Immer wieder wurde diese Frage von den Gesamtschülern im Unterricht gestellt. Das war kaum verwunderlich, ist doch in den Berichten ehemaliger Insassen einmal vom Konzentrationslager, ein anderes Mal vom Ghetto die Rede.
»War Theresienstadt nun ein Ghetto oder ein Konzentrationslager?« Immer wieder wurde diese Frage von den Gesamtschülern im Unterricht gestellt. Das war kaum verwunderlich, ist doch in den Berichten ehemaliger Insassen einmal vom Konzentrationslager, ein anderes Mal vom Ghetto die Rede.
Beantwortet werden konnte die Frage vor Ort, weil Geschichtslehrer Armin Trus in diesem Jahr für seinen Wahlpflichtkurs »Spurensuche« eine Studienfahrt ins tschechische Terezín, so der heutige Name Theresienstadts, organisiert hatte.
Mit Einzelschicksalen beschäftigt
Die Idee war aber aus einem anderen Grund unmittelbar aus seinem Unterricht heraus entstanden. Bei ihren Recherchen über das Schicksal der Hungener Juden während des Nationalsozialismus waren die Schüler ein ums andere Mal auf die knappe Formulierung »nach Theresienstadt deportiert und dort umgekommen« gestoßen. An der Studienfahrt nahmen 22 Schüler der Jahrgangsstufen 10 bis 13 teil.
Gemeinsam mit zwei Gedenkstättenmitarbeitern war zuvor ein umfangreiches Programm erstellt worden. So erfuhren sie, dass die Nationalsozialisten aus der einstigen Garnisonsstadt ein einziges großes Gefängnis machten: die sogenannte Große Festung fungierte dabei als Zwangssammellager für Juden, »Ghetto Theresienstadt« genannt, und die Kleine Festung als Polizeigefängnis der Gestapo.
In Kleingruppen beschäftigten sich die Schüler mit verschiedenen Opferschicksalen und präsentierten anschließend ihre Ergebnisse. Es wurde offenbar, wie viele unterschiedliche Lebenswege die Menschen hatten, bevor sie Teil der »Zwangsgemeinschaft« Theresienstadt wurden; ebenso zeigte sich eine Vielfalt an Überlebensstrategien. Eine Lehrstunde der besonderen Art erlebten die Schüler bei einem Gespräch mit der fast 90-jährigen Zeitzeugin Evelina Merová.
»Arbeit macht frei« – diese Worte stehen am Eingang zum ersten Hof des ehemaligen Polizeigefängnisses der Gestapo in der Kleinen Festung Theresienstadt, die die Schüler besuchten. Nicht nur der zynische Spruch, auch die finsteren und beengten Räume für die Gefangenen sowie der markante Hinrichtungsort erinnerten an ein Konzentrationslager. Es dürften vor allem diese Bilder gewesen sein, die später einige Schüler vom eindrücklichsten Erlebnis der Fahrt sprechen ließen.
Da weder das Ghetto noch das Polizeigefängnis dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unterstellt waren, war Theresienstadt kein KZ. Doch nicht nur aus diesem formalen Grund war Theresienstadt kein KZ; auch die gesamte Organisation des Zwangssammellagers entsprach nicht der eines KZs.