Seit 22 Jahre an der Spitze

29 Landfrauenvereine sind im Kreis Gießen aktiv. Dass die Mitgliederzahlen weitgehend stabil sind, hat auch viel mit dem Engagement von Christel Gontrum zu tun. Seit 22 Jahren steht sie an der Spitze des Bezirks und kämpft um den Erhalt jedes einzelnen Vereins.
Die Jahreshauptversammlung der Landfrauen ist gerade zu Ende gegangen. Bezirksvorsitzende Christel Gontrum sitzt zwischen mehreren Frauen im Publikum, ist ins Gespräch vertieft. Es geht um Alltagsthemen, aber auch den nächsten Ausflug des Bezirksvereins ins Hanflabyrinth. Und natürlich kommt von Gontrum die Frage: Was wünscht ihr euch für das Programm im kommenden Jahr?
Diese Szenerie spielte sich so in den vergangenen Wochen zigfach ab. Kaum eine Jahreshauptversammlung der 29 Ortsvereine des Bezirks Gießen verging, bei der die Villingerin nicht zu Gast war. Der Kontakt zu den rund 2800 Landfrauen, zu »ihren Landfrauen«, wie sie sagt, ist ihr wichtig. Deshalb setzt sie sich stets ins Publikum und nicht nur zum Vorstand. »Nur so kann ich erfahren, welche Themen gerade beschäftigen.« Oder eben auch, wo der Schuh drückt. »Mir ist es wichtig, dass ich Bescheid weiß, wenn es Probleme gibt, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist«, sagt Gontrum.
Als sie vor 22 Jahren zur Bezirksvorsitzenden gewählt wurde, war das für sie selbst zunächst eine Überraschung. Denn außer ihren Mitgliedsbeitrag zu überweisen und hier und da eine Veranstaltung zu besuchen, hatte sie nur wenig Verbindungspunkte. Doch nach einem Vortrag vor Hunderten Landfrauen in Hungen einige Jahre zuvor war der damalige Vorstand sich sicher gewesen, dass Gontrum perfekt diese Aufgabe übernehmen könnte. Und er behielten recht.
Die 62-Jährige ist mittlerweile so etwas wie das Gesicht der Landfrauen, auch wenn sie es selbst so nicht sagen würde. Aber dass die Mitgliederzahlen selbst nach Corona weitgehend stabil sind, ist zum einen äußerst bemerkenswert, zum anderen hat es viel mir ihr zu tun. Sie kämpft um jeden Ortsverein. Natürlich kennen auch die Landfrauen die Probleme, die viele Verein plagen. Die Mitglieder werden älter, Nachwuchs ist nicht mehr leicht zu gewinnen.
Doch Gontrum ist eine Frau der Tat. Wenn Vorstandsmitglieder fehlen, dann versucht sie mit den Aktiven vor Ort eine Lösung zu finden, spricht auch Frauen an, die bislang noch nicht bei den Landfrauen aktiv sind. In Ruppertsburg etwa stand der Ortsverein vor Kurzem noch vor dem Aus, nun hat sich nach vielen Gesprächen ein Team von sechs Frauen gefunden, die den Ortsverein weiterführen.
»Wir suchen immer Frauen, die Freude haben an ehrenamtlicher Arbeit«, sagt Gontrum. Sie selbst ist das beste Beispiel, dass neue Gesichter frischen Wind bringen und viel bewegen können.
Natürlich ist dieses Engagement auch mit Aufwand verbunden. »Bei mir gibt es keinen Samstag und Sonntag«, sagt Gontrum. »Es kostet viel Zeit und ist arbeitsintensiv, erfüllt mich jedoch mit viel Freude und Herzblut.«
Es ist das Miteinander und es sind die kleinen und auch großen Erfolge, die sie antreiben. In der Pandemiezeit etwa machte sich der Bezirksvorstand sofort Gedanken, wie er den Kontakt zu den Mitgliedern und Vorständen aufrecht erhalten kann. Innerhalb kurzer Zeit wurde ein Zoom-Veranstaltungsprogramm auf die Beine gestellt. Selbst Seniorinnen, die noch nie etwas mit der Technik zu tun hatten, beherrschten diese nach einem Crashkurs der Kinder und Enkel nach wenigen Tagen. »Ich bin stolz auf meine Landfrauen«, sagt Gontrum.
Mit dem angestaubten Image, das den Landfrauen einst anhaftete, muss man ihr ohnehin nicht kommen. Die Bürokauffrau sitzt für die CDU im Kreistag, mag schnelle Sportwagen und Fußball. Landfrauen sind längst nicht mehr der Kuchenbackverein des Dorfes, sondern ein Zusammenschluss von Frauen aller Alters- und Berufsgruppen mit den verschiedensten Interessen. Einen landwirtschaftlichen Hintergrund hat im Gegensatz zu den Gründungsjahren nur noch ein winziger Bruchteil.
Es geht darum, den Frauen vor Ort ein Angebot zu bieten, das Spaß macht, mit Themen, die sie interessieren, sagt Gontrum. Die Veranstaltungsprogramme bietet einen Mix aus Gesundheits- und Lifestylethemen, Vorträgen, Lesungen, gemeinsamen Ausflügen und Aktivitäten oder eben Fahrten, die der Bezirkslandfrauenverein ausrichtet, wie jüngst jene an den Bodensee.
Dass einige Ortsvereine, etwa Inheiden und Bellersheim, erfolgreiche Nachwuchsgruppen, die »Power Teenies«, haben, freut Gontrum. Sie weiß um die Bedeutung. »Sie sind ein wichtiger Bestandteil«, sagt sie. Denn dadurch werden schon die Jüngeren an die Landfrauen herangeführt.