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Paten für Blühflächen gesucht - wie sich Städter am Umweltschutz beteiligen können

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Von: Christina Jung

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Heimische Pflanzen wie auf diesem Feld bei Ober-Bessingen sollen im Sommer auf insgesamt 23 000 Quadratmetern Ackerland von Annette Seifert-Ruwe blühen und Insekten notwendigen Lebensraum bieten. Die Landwirtin ist Kooperationspartnerin bei einem besonderen Naturschutzprojekt. © Alexander Geck

Einen finanziellen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten. Darum geht es bei dem Projekt »Blühendes Ackergut«.

Wenn im Hochsommer auf rund 23 000 Quadratmetern zwischen Ober-Bessingen, Ettingshausen und Queckborn Kamille, Borretsch und andere heimische Pflanzen um die Wette blühen, dann ist auf drei verschiedenen Feldern ein Naturschutzprojekt der besonderen Art »gewachsen«. Die bunten Blühäcker sollen zu Förderung und Erhalt der Artenvielfalt beitragen und Insekten wertvollen Lebensraum bieten. Denn Letztere sind nötig, »damit unsere Kulturen bestäubt werden«, sagt Annette Seifert-Ruwe.

Die Landwirtin aus Obbornhofen ist die Frau, die im Landkreis hinter dem Gemeinschaftsprojekt steht, das auf ein Start-Up aus Gehrden (Region Hannover) zurück geht. »Vielfeld« setzt bundesweit regionale Naturschutzmaßnahmen um und kooperiert dafür mit Bauern vor Ort.

»Blühstreifen neben den Feldern legen wir schon seit Jahren an«, erzählt Seifert-Ruwe, die das Hofgut in Obbornhofen mittlerweile in vierter Generation bewirtschaftet, seit 1998 als Betriebsgemeinschaft in Zusammenarbeit mit anderen Landwirten. Ein Freund aus Göttingen - die dortige Georg-August-Universität begleitet das Vielfeld-Projekt wissenschaftlich - habe sie auf das Vorhaben aufmerksam gemacht, das mit Paten aus den Ballungsräumen arbeitet. Ein Grund, warum sich die 59-Jährige für eine Beteiligung entschieden hat. »Ich dachte, das ist kein schlechter Ansatz«, erzählt sie im Gespräch dieser Zeitung.

Ein weiterer Grund: Wegen der hierzulande intensiven Wirtschaftsweise mittels Dünger- und Pflanzenschutzeinsatz wachsen kaum noch Unkräuter zwischen den Kulturen, sagt Seifert-Ruwe. Aber genau diese sind der Lebensraum der Insekten. »Daher müssen wir Rückzugsflächen schaffen, auf denen sich die Insekten ihre Nahrung holen können.«

Die Idee von Vielfeld, deutschlandweit Aktionen anzustoßen und zu unterstützen beruht auf einem Pilotprojekt in der Region Hannover, wo ein Junglandwirt viele Menschen aus Stadt und Land für die Blühflächen auf seinem Hof begeistern konnte. Nun möchte er gemeinsam mit dem Start-Up Ähnliches in anderen Regionen ermöglichen, heißt es seitens Vielfeld. Hintergrund sei der massive Rückgang der Biodiversität.

Drei Felder hat Annette Seifert-Ruwe für die Umsetzung des Naturschutzprojektes im Landkreis ausgesucht und Ende April damit begonnen, spezielle Saatmischungen darauf auszubringen. Zwischen Juli und Oktober sollen dort über 40 verschiedene, mehrjährige heimische Pflanzen wie Sonnenblume, Borretsch, Ringelblume oder Kamille blühen. Nicht nur die Insekten werden sich dann dort wohlfühlen, weiß Seifert-Ruwe. Auch für das Niederwild wie Rebhuhn, Hase oder Reh seien solche Flächen als Rückzugsorte von Bedeutung.

Dieser Lebensraum ist allerdings nicht ganz billig. Denn bei dem verwendeten Saatgut handelt es sich nicht um Massenware, sondern um Spezialkulturen, deren Produktion aufwendig und deshalb teuer ist. Zwecks Finanzierung sucht Vielfeld Paten, die das Projekt unterstützen. Wer dies tut, bekommt neben einem Zertifikat Mail-Blühpost zur Entwicklung seines »persönlichen Feldstücks«. Außerdem ist es möglich, Ausflüge dorthin zu unternehmen und Einblicke in den landwirtschaftlichen Alltag zu erhalten.

Ziel sei es, insbesondere die Stadtbevölkerung auf die blühenden Äcker aufmerksam zu machen. Gerade dort gebe es viele Menschen, die Möglichkeiten suchten, sich für den Naturschutz zu engagieren, aber in den Ballungsräumen keine Angebote fänden. »Wir wollen einen Anstoß geben, auf Tuchfühlung mit der Natur zu gehen«, so Seifert-Ruwe. Dass die Städter nun in Massen aufs Land stürmen, erwartet sie allerdings nicht.

Gemeinsam mit anderen Landwirten - fünf Höfe zählen zur Betriebsgemeinschaft - bewirtschaftet Annette Seifert-Ruwe 640 Hektar Land. Angebaut werden Zuckerrüben, Raps, Weizen, Gerste und Mais sowie seit drei Jahren auch Leguminosen wie Lupinen, Acker- und Sojabohnen. Ursprünglich verfügte der Betrieb über 140 Hektar Fläche. Seifert-Ruwes Ur-Großvater hatte ihn gegründet.

Weitere Infos: www.blühendesackergut.de

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