„Ignorant und widersinnig“: Kontroverse um geplantes Gewerbegebiet

In Hungen (Landkreis Gießen) soll ein Gewerbegebiet entstehen. Die Pläne werden im Stadtparlament kontrovers diskutiert.
Hungen - Dass zwischen Inheiden und Trais-Horloff ein Gewerbegebiet entstehen soll, ist schon lange beschlossene Sache. Über die Vorgehensweise bei der Vergabe der Grundstücke allerdings wurde in den vergangenen Monaten in der Politik kontrovers gestritten. Zuletzt stand auch die Gesamtgröße des Areals von rund 20 Hektar zur Diskussion. Diese Woche hat die zweite Offenlage im Bauleitplanverfahren zum Gewerbegebiet Hungen-Süd begonnen.
Die Fraktion Pro Hungen hat damit ein Problem und deshalb zur nächsten Stadtverordnetenversammlung einen Antrag vorgelegt. Das Ziel: die Beschlussfassung vom Juli 2021 in diesem Punkt aufheben und die Offenlage widerrufen.
Neues Gewerbegebiet im Kreis Gießen: Pro Hungen warnt vor unnötiger Belastung der Verwaltung
Letztere sollte nach Auffassung der Fraktion erst erfolgen, wenn das Vermarktungs- und Flächenkonzept steht, der geplante Runde Tisch mit Bürgerbeteiligung getagt hat und die sich daraus für den Bebauungsplan ergebenden Änderungen berücksichtigt wurden. Pro-Hungen-Fraktionschef Fabian Kraft befürchtet ansonsten eine unnötige Belastung der Verwaltungsmitarbeiter, welche die aus seiner Sicht zu erwartenden vielfachen Stellungnahmen »basierend auf einem überholten Planungsstand« zu bearbeiten hätten.
Bereits während der Bürgerinformationsveranstaltung im April seien von den Menschen viele Kritikpunkte geäußert worden, zum Regionalplan in diesem Bereich Hunderte Stellungnahmen beim Regierungspräsidium eingegangen. Kraft geht deshalb von einer großen Resonanz im Rahmen der aktuellen Offenlage aus. Die wirke angesichts vieler offener Punkte und ungeklärter Fragen zudem »ignorant und widersinnig«. Und: »Wir glauben weder an eine politische Mehrheit dieser Entwurfsfassung noch an deren Durchsetzbarkeit gegen den Widerstand der Hungener Bevölkerung, die sich bereits aktiv in mehreren Bürgerinitiativen zusammengeschlossen hat«, so Kraft.
Gewerbegebiet in Hungen (Landkreis Gießen): »Nicht länger auf diesem toten Pferd reiten“
Aus Sicht von Pro Hungen wäre es an der Zeit, »nicht länger auf diesem toten Pferd zu reiten, sondern abzusteigen und ergebnisoffen zu einem konstruktiven Meinungsaustausch zusammenzukommen und gemeinsam eine tragfähige Alternative zu erarbeiten«. Bürgermeister Rainer Wengorsch hält nichts von einer Aufhebung des Offenlagebeschlusses. Nicht nur, weil er aus formalen Gründen dagegen Widerspruch einlegen und das Ganze im schlechtesten Fall vom Verwaltungsgericht geprüft werden müsste. »Eine Aufhebung wäre in meinen Augen nicht zielführend.
Sie konterkariert das, was schon Beschlussfassung ist«, so Wengorsch. Zudem bringe die Offenlage möglicherweise Sichtweisen hervor, die wiederum Grundlage für politische Entscheidungen sein könnten. Wie die Mehrheit der Stadtverordneten zu dieser Thematik steht, wird sich am kommenden Dienstag zeigen. Das Parlament tagt ab 19.30 Uhr in der Schäferstadthalle in Hungen. Für Diskussionsstoff ist gesorgt. (Christina Jung)