Die Bräuche und das neue Buch

Das Gießener Land ist voll von spannenden Traditionen. Beispielsweise werden vielerorts Osterbrunnen geschmückt. Der Brauch hat seine Wurzeln noch in der heidnischen Zeit: Man wollte sich den Quell wohlgesonnen stimmen, war er für das Überleben doch sehr wichtig.
Das Ei ist dabei als Schmuck eine gute Wahl, denn es gilt als Quelle neuen Lebens - und passt somit zum christlichen Motiv der Auferstehung Jesu drei Tage nach der Kreuzigung. Zudem soll Christus sich selbst als der Quell des Lebens bezeichnet haben - womit sich der Bogen zum Brunnen schließt.
Ein weiterer Brauch mit heidnischen Wurzeln, der vor dem Beginn der Fastenzeit steht, ist der Strohbär. In vielen Orten - etwa Trais-Horloff - ist er unterwegs. Seine Begleiter sammeln Speck und Eier, um das Untier zu besänftigen. Über diesen und noch viele weitere Bräuche schreibt Bettina Bremer in ihrem neuen Buch »Von Maiköniginnen, Sirenen, drei Jungfrauen und anderen heiligen Frauen. Auf den Spuren der alten Göttin in Symbolen, Sagen, Volksglaube und Brauchtum«. Darin taucht auch der Trais-Horloffer Strohbär mit einem Bild auf.
Die Idee zu dem Buch kam der Autorin, da sie sich schon immer für Kulturgeschichte interessierte. »Ich finde es sehr spannend, dem Bedeutungsgehalt von Riten und Symbolen über verschiedene Epochen hinweg nachzuspüren. Denn der kann sich verändern, sobald sich Wertvorstellungen und religiöse Ideen ändern.« Viele Bräuche führen in Mitteleuropa auf eine alte Göttin zurück, die als Ursprung allen Lebens galt und mütterlich umsorgte. Als Frau Holle sei diese in Märchen präsent, und dies nicht nur in Nordhessen, sondern auch im Vogelsberg, erklärt die Autorin.
Um das Buch anzufertigen, recherchierte und sammelte Bremer fünf Jahre lang Geschichten, besichtigte viele Kirchen und war in zahlreichen Dörfern in ganz Hessen zu Gast. Die Autorin wohnt mittlerweile in Rüsselsheim, erblickte jedoch in Wettenberg das Licht der Welt. Da ist die Verbindung nach Mittelhessen schnell erklärt. »Daher war es für mich naheliegend, in der eigenen Umgebung nach alten Bräuchen und interessanten Symbolen zu suchen.«
Bei ihren Recherchen stieß sie auch auf einen Brauch, der sie besonders faszinierte: die Laubmännchenumzüge, die vor allen Dingen in den Taunusdörfern verbreitet sind. Dabei verkleiden sich die Kinder am Pfingstmontag als Laubmännchen, Butzemann und Pferdchen, ziehen mit dem Bollerwagen durchs Dorf und sammeln Speck und Eier. Die grünen und blumengeschmückten Kostüme seien mit ihren bunten Farben nach den langen Wintertagen eine wahre Freude. »Aber auch die winterlichen Strohbären im Vogelsberg oder im Gießener Umland gefallen mir gut. Und ich finde es aufschlussreich, sie als Teil des zyklischen Kultgeschehens im Vegetationsjahr zu betrachten.«
»Von Maiköniginnen, Sirenen, drei Jungfrauen und anderen heiligen Frauen« ist im Verlag Christel Göttert erschienen und kann über die heimischen Buchhandlungen bestellt werden.
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