Der Sommer seines Lebens

Hungen (bac). »Follow the Sun« - der Song von Paul McCartney war 1971 für viele Zeitgenossen die Hymne jenes Sommers 1971 - auch für Helmut Zierl. Bewusst betitelte der bekannte Schauspieler mit dem Image eines Sunnyboys sein Buch über drei dramatische Monate seines Lebens mit dieser Zeile. Das Buch, das vor knapp zwei Jahren auf den Markt kam, stellte er im Rahmen von »Leseland Gießen« am Samstag in der Schäferstadthalle in Hungen vor.
Heute ist Zierl ein gefragter Theater- und Fernsehschauspieler - 1971, als er mit 16 von der Schule flog, hätte er sich das nicht vorstellen können. Er, der Sohn des örtlichen Polizisten aus Meldorf im Kreis Dithmarschen, hatte seinerzeit auf dem Schulhof mit Haschisch gehandelt und wurde verpfiffen. Daraufhin flog er auch von zu Hause raus.
Der junge Kerl stand auf einmal mit einem Seesack und einem Schlafsack auf der Straße. Jetzt war er frei, auch wenn er nicht so recht wusste, was das war und was er damit anfangen sollte. Mit viel Naivität stürzte er sich in das Abenteuer »Freiheit«, das ihn zunächst nach Brüssel führte und das zum Schluss in dem Hippie-Eldorado Amsterdam endete.
»Ich lebte drei Monate auf der Straße«, berichtete Zierl zu Beginn seiner Lesung. Diese Erlebnisse beschäftigten und prägten ihn nachhaltig, so dass er bereits vor rund zehn Jahren beschloss, dies aufzuschreiben. »An eine Veröffentlichung habe ich zunächst gar nicht gedacht«, erzählte er freimütig. Es sei ihm für sich selbst wichtig gewesen. So habe er immer wieder an der Geschichte gearbeitet, sie manchmal über Jahre wieder weggelegt, um sie schließlich wieder hervorzuholen.
»Jetzt haben sich die Mosaiksteine zusammengefügt«, resümierte Zierl. Ihm gelingt es, sich wieder in die Naivität eines 16-Jährigen hinein zu versetzen. Er beschreibt vorbehaltlos, dass er »ständig irgendwelches Zeug geraucht« habe und auch bei der ein oder anderen halbseidenen Sache am Rande beteiligt gewesen sei. Er genoss seine Freiheit, ohne zu merken wie nahe er teilweise am Abgrund war. Irgendwann sei er in einer WG gelandet. Durch seine Naivität habe er erst nach Tagen mitbekommen, dass das eine Fixer-WG gewesen war: »Alle drücken dort«. Er sei sehr knapp davor gewesen, sich selbst einen Schuss zu setzen. An leichten Drogen habe er da viel konsumiert »Ich habe Amsterdam keinen Tag nüchtern erlebt, ich war jeden Tag bekifft«. Nachdem sich eines der Mädchen aus der WG den »Goldenen Schuss« gesetzt hatte, bekam seine Hippiewelt gewaltige Risse. Zierl entschloss sich, wieder nach Hause zu trampen. »Ich bin danach nie wieder mit Drogen in Berührung gekommen«, versicherte er abschließend. Zierl gelang es, das Tor zur Vergangenheit zu öffnen.
Untrennbar verbunden mit dieser Geschichte ist die Musik jener Zeit, von denen der Autor etliche Beispiele dabei hatte. Die Songs kamen passend aus einem alten Kassettenrekorder mit dem typisch blechern klingenden Sound, der einfach besser zu den Liedern von Janis Joplin, Led Zeppelin oder Simon and Garfunkel passte, als deren glasklare digitale Versionen. Es war ein Abend der Emotionen mit Erinnerungen an eine Zeit, die irgendwie weit weg und doch noch so nah ist.