Netflix-Serie „Squid Game“: Gießener Grundschulkinder spielen „tödliche Spiele“ nach

Bei der Netflix-Serie »Squid Game« geht es um scheinbar harmlose Kinderspiele. Doch wer verliert, bezahlt mit seinem Leben. Die Altersfreigabe ist ab 16. Aber bereits Grundschüler spielen sie in der Pause nach.
Gießen - An einem Baum auf einem riesigen Innenhof steht eine übergroße Mädchenfigur. Hinter ihr warten 456 Menschen in durchnummerierten, grünen Trainingsanzügen auf den Beginn eines Spiels. »Rotes Licht, grünes Licht - wer sich bewegt, überlebt hier nicht«, ruft die Roboter-Puppe. Dann dreht sie sich um, fokussiert einen Spieler, der noch nicht zum Stillstand gekommen ist. Es fällt ein Schuss, der junge Mann stürzt zu Boden - und stirbt.
»Rotes Licht, grünes Licht« ist eines von sechs Spielen in der Netflix-Serie »Squid Game«, und die werden mittlerweile auf deutschen Pausenhöfen nachgespielt - auch im Landkreis Gießen. »›Squid Game‹ wurde im Rahmen von Schulleiterdienstbesprechungen im Schulamtsbezirk Gießen und Vogelsberg thematisiert«, berichtet Norbert Kissel, Leiter des Staatlichen Schulamtes, auf GAZ-Anfrage. Einige Rektoren hätten mit Blick auf die aktuelle Debatte in den Medien von entsprechenden Beobachtungen an ihren Grundschulen berichtet.
An wie vielen es bereits Vorfälle gab, ist unklar. Eine genaue Zahl liege nicht vor, sagt Kissel. Entscheidend ist in seinen Augen aber nicht die Anzahl der Vorfälle, sondern die Tatsache, dass es sie gab und wie damit umzugehen ist.
„Squid Game“ an Gießener Grundschulen: Ansprechen statt verbieten
Aus diesem Grund hatte sich der Leiter des Staatlichen Schulamtes nach Rücksprache mit den Experten des schulpsychologischen Dienstes vergangene Woche mit einem Schreiben an die Schulleitungen gewandt und sie aufgefordert, aufmerksam zu sein und die Problematik zu thematisieren. »Es geht jetzt darum, genau hinzuschauen und den Kindern zu verdeutlichen, dass das, was dort dem Spiel-Verlierer zu widerfahren hat, kein Spiel mehr ist.«
Wichtig sei zudem die Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus. »Squid Game«, wie der Medienkonsum generell, müsste auch zu Hause ein wichtiges und regelmäßig angesprochenes Thema sein. Kissel: »Das kann nicht allein der Schule überlassen bleiben.« Die Empfehlung lautet deshalb: Hinschauen und ansprechen, Einsicht statt Sanktion - auch wenn es mühsamer ist. Denn bloße Verbote erzielen nach Auffassung des Schulamtsleiters häufig das Gegenteil des erwünschten Effektes.
»Wir dürfen nicht müde werden, kritisch zu hinterfragen, zu was verschiedene Medien offensichtlich in der Lage sind, was sie in der Psyche unserer Kinder bewirken und welche Vorgänge sie in ihren Seelen in Gang setzen können«, so Kissel, »Prozesse, die sich dann verselbstständigen und nur noch schwer unter Kontrolle zu bringen sind.«
„Squid Game“ an Gießener Grundschulen: Auch die Politik ist gefordert
Gefordert seien hier aber nicht nur Eltern und Lehrer, sondern auch die Politik. »Alle, die Verantwortung tragen, müssen für dieses Thema hochsensibel sein.«
Warum, wird klar, wenn man den zweieinhalb Minuten langen YouTube-Trailer zum ersten Teil der ersten »Squid Game«-Staffel zu Ende schaut: Nachdem die Spieler erkannt haben, dass der junge Mann getötet wurde, bricht eine Massenpanik aus, die in einer Hinrichtung endet. Nicht einmal die Hälfte der Teilnehmer überlebt. (Christina Jung)