Tankstellen im Kreis Gießen: Spritpreis-Schmerzgrenze noch nicht erreicht?

Die Spritpreise sind auf einem Rekordniveau angelangt. Der Ärger ist groß, aber es wird nicht weniger getankt - mangels reeller Alternativen. Das zeigt eine kleine Umfrage bei Tankstellenpächtern und Autofahrern im Landkreis.
Gießen - Die Spritpreise sind im Augenblick fast schon auf dem Allzeithoch von 2012. Weltweit steigende Rohölpreise und auch der starke Dollar sorgen dafür. Besonders beim Diesel müssen die Autofahrer tiefer in die Tasche greifen. Und im Vergleich zum Vorjahr ist der Unterschied besonders eklatant. Da war im Oktober noch ein Tiefststand wegen Corona zu verzeichnen. Seit Januar kostet mit Einführung der CO2-Steuer der Liter Kraftstoff zusätzlich etwa sieben Cent mehr. Diesel liegt nun laut ADAC-Wochenvergleich bei 1,56 Euro im bundesweiten Tagesdurchschnitt, E 10 bei 1,67 Euro. Das sind 53 Cent bzw. 49 Cent mehr als vor einem Jahr.
Und wie reagieren die Autofahrer im Gießener Land? Denen gefällt das gar nicht. Der Frust werde an ihm und seinen Leuten rausgelassen, erzählt Daniel Nyrkow, der seit vier Jahren Pächter der Total/Access-Tankstelle an der Gießener Straße in Heuchelheim ist. Doch mangels Alternativen sei an den Tankstellen rein mengenmäßig von Zurückhaltung wenig zu spüren.
Benzin- und Diesel-Preise explodieren auch in Gießen
Es werde konstant getankt. Mal nur für 20 Euro anstatt vollzutanken - das mache niemand. Die Strecken, die Menschen mit dem Auto zurücklegen müssten, blieben ja die gleichen, sagt er. Angesichts von Corona scheuten viele den Umstieg auf Bus oder Bahn. Im Auto fühlten sich die Leute einfach sicherer, so seine Einschätzung. »Wir nehmen es sportlich«, meint Nyrkow weiter. Die höheren Preise bedeuten im Übrigen nicht, dass er mehr verdient. Sein Geschäft macht er mit dem Shop. Von den hohen Preisen hat er also nichts, nur verärgerte Kunden. »Ich würde den Sprit gerne viel günstiger abgeben«, sagt der Pächter.
Auf die weitere Entwicklung angesprochen, zeigt er sich davon überzeugt, dass sich die Situation mit der neuen Regierung noch verschärfen werde. Er bedauert, dass die »normalen Leute« am meisten darunter zu leiden hätten.
In Allendorf/Lumda macht man ähnliche Erfahrungen. Es gebe keine spürbare Veränderung auf der Nachfrageseite, heißt es an der dortigen Roth-Energie-Tankstelle. Für die meisten Menschen - vor allem auf dem Land - gebe es eben kaum Möglichkeiten, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. Die preisliche Schmerzgrenze sei wohl noch nicht erreicht. André Barth, seit zwei Wochen Pächter der Aral-Tankstelle an der Ganseburg, kann das bestätigen. »Bei mir hat sich bisher keiner beschwert«, sagt er.
Tankstellen im Kreis Gießen: Keine spürbaren Veränderungen bei Nachfrage
Beim Ortstermin an der Tankstelle in Heuchelheim wird die Stimmungslage am frühen Nachmittag schnell klar. Das Umsteigen auf den öffentlichen Personennahverkehr ist für keinen der befragten Autofahrer eine Option. Auch nicht für die Biebertalerin, die in Frankfurt in Teilzeit arbeitet. Vier Stunden wäre sie unterwegs, wenn denn ein Bus von ihrem Wohnort zu passender Zeit nach Gießen fahren würde. Sie bedauert, dass durch Corona die Fahrgemeinschaften nicht mehr möglich bzw. von ihrem Arbeitgeber nicht erwünscht sind.
Songül Akpolat aus Heuchelheim arbeitet im Schichtdienst als Krankenschwester in einem Krankenhaus in Bad Nauheim. Auch bei ihr würde der Weg von und zur Arbeit um ein Vielfaches länger dauern. Aber sie traut sich zudem nicht, als Frau frühmorgens und spätabends allein im Zug oder am Bahnhof zu sein. Einen höheren Lohn und niedrigere Lebenshaltungskosten wünscht sie sich.
Auch Amin Duaik, der verheiratet ist, zwei Kinder hat, beklagt die hohen Kosten. Er hat einen 50-Euro-Schein zum Tanken dabei. Mehr ist nicht drin. Im Tank landen 30 Liter Super - vor einem Jahr wären es noch 42 Liter gewesen. Zur Arbeitsstätte in Herborn sind dann statt zehn nur noch sieben Fahrten drin.
Tanken in Gießen und Umgebung: „Das ist eine Unverschämtheit“
Peter Vonderau, der für eine Firma aus Fulda gerade in Heuchelheim tätig ist, achtet auf die unterschiedlichen Preise in den Regionen und hat die Tankstelle angesteuert, weil der Sprit »hier wenigstens einige Cent weniger« kostet. »Das ist ’ne Unverschämtheit«, wird er deutlich. Und er hat das Ganze im Blick: Durch die höheren Spritkosten würden die Firmen nach und nach die Preise erhöhen - dann würde wieder alles teurer. Er habe 30 Jahre im Fernverkehr gearbeitet und wisse, dass es eine Stange Geld koste, einen Lkw vollzutanken. Die Inflation werde weiter ansteigen, prophezeit er.
Latifa Neeb aus Lahnau wird zu ihrem Arbeitsplatz in Wies-eck weiter das Auto nehmen. Für Besorgungen im Ort jedoch will sie vermehrt zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein. Aber beim Kasten Wasser sieht sie schon Probleme auf sich zukommen...