Helge Braun zum CDU-Vorsitzenden? Das muss die Bundes-Union von Gießener Kollegen lernen

Die Kreis-CDU hat längst das hinter sich, was den Christdemokraten auf Bundesebene noch bevorsteht: Eine konsequente Erneuerung. Was also kann die Bundes-CDU von ihren Kreiskollegen aus Gießen lernen? Und wie steht die Fraktion zur Bewerbung von Helge Braun um den Bundesvorsitz? Nachgefragt bei Tobias Breidenbach, dem 27 Jahre alten Fraktionsvorsitzenden der CDU im Kreistag.
Gießen - Den Vorsitz im CDU-Kreisverband Gießen führt Kanzleramtsminister Helge Braun seit dem Jahr 2003. Seit Samstag ist die Bewerbungsrunde für den Vorsitz der Bundes-CDU eingeläutet, sein Name wird für dieses Spitzenamt gehandelt. Der Bergsträßer Bundestagsabgeordnete Michael Meister hat Braun vorgeschlagen. Der hat dies selbst zwar bislang weder bestätigt noch dementiert. Ein Sprecher der hessischen CDU hat derweil die Braun-Ambitionen gegenüber mehreren Medien auf Nachfrage bestätigt. Am heutigen Freitag wolle der 49-Jährige dem hessischen CDU-Landesvorstand seine Bewerbung vorstellen. Am Abend tagt dann der Kreisvorstand. Erst danach werde Braun ein Statement abgeben, sagte sein Wahlkreisbüro gestern am Abend.
Tobias Breidenbach, der junge Fraktionsvorsitzende der CDU im Gießener Kreistag und Mitarbeiter der CDU-Geschäftstelle, freut sich jedenfalls darüber, dass sein »Chef« dafür im Gespräch ist: »Meine Stimme hätte er jedenfalls!«
Kann die Bundes-CDU von dem Gießener profitieren? Gar von den Parteifreunden im Kreis Gießen und deren Erfahrungen lernen? Etwa in Sachen Mitgliederbeteiligung? Verjüngung? Und wie steht ein junger Christdemokrat zu dem, was in seiner Partei derzeit abgeht?
Helge Braun aus Gießen zum CDU-Vorsitzenden? Empfindlichkeiten der Mitglieder nicht ignorieren
Breidenbach sieht, wie viele andere vor allem junge Leute in seiner Partei, Veränderungsbedarf. Und begrüßt ausdrücklich den jetzt eingeschlagenen Weg zur Klärung der Vorsitzendenfrage. »Das Verfahren jetzt ist, glaube ich, ein sehr vernünftiger Weg«, sagt er zur Mitgliederbefragung. Deren Ergebnis soll für den Bundesparteitag Mitte Januar bindend sein. »Eine Mitgliederbefragung ist kein Allheilmittel - aber es gab zum jetzigen Zeitpunkt keine andere Möglichkeit«, sagt Breidenbach.
Warum aber nicht gleich eine Urwahl durch die Mitglieder, quasi die Krönung einer innerparteilichen Willensbildung? Das gibt die Satzung der CDU so nicht her. Und eine Änderung der Regeln hätte vom Verfahren her zu lange gedauert. »Noch ein Parteitag vorweg - das wäre nicht mehr zu vermitteln gewesen«.
Denn als Vorsitzender eines Gemeindeverbandes, der CDU in Reiskirchen, weiß Tobias Breidenbach sehr wohl um die Befindlichkeiten der Mitglieder. Nur allzu vernehmlich sei in den vergangenen Wochen und Monaten die Kritik von unten nach oben, von der Parteibasis in Richtung Berlin gewesen. Tenor: »Wir werden nicht gehört. Die da oben entscheiden ja sowieso, wie sie wollen«. Gerade die in der Union lange diskutierte Frage der Kanzler-Kandidatur hat da geschadet. »Die CDU ist ins Schlingern geraten, als der Bundesvorsitz und die Kanzlerkandidatur entkoppelt wurden«, so die Einschätzung von Breidenbach. Und auch das gehört zur Wahrheit: Es gab Austritte. Da war und ist viel Druck auf dem Kessel. »Es muss Ruhe einkehren«, hofft der junge Christdemokrat auf bessere Zeiten für seine Partei.
Macht die Union im Kreis Gießen denn etwas anders als die Bundespartei? Immerhin ist es der Union hier im März gelungen, bei den Wahlen zum Kreistag stärkste Kraft zu werden und eine neue von ihr geführte Koalition mit Grünen und Freien Wählern zu schmieden. In Verhandlungen, in denen über weite Strecken auch der Kreisvorsitzende Braun eingebunden war. Bereits 2006 war er schon einmal Architekt einer Koalition mit FW und FDP im Kreis.
Helge Braun aus Gießen: Verjüngung als Verdienst
Mit Brauns Wahl zum Kreisvorsitzenden vor 18 Jahren fiel zudem die Einführung von Mitglieder-offenen Parteitagen zusammen. Es kommen nicht mehr nur Delegierte zu den Kreisparteitagen, sondern alle rund 1300 Mitglieder sind eingeladen. »Das hat sich als basisdemokratisches Angebot bewährt und etabliert«, schätzt Breidenbach. Und verweist auf ein weiteren Verdienst von Braun: die massive Verjüngung der handelnden Köpfe. Breidenbach selbst ist mit seinen 27 Jahren ein solcher. Oder der 31 Jahre alte neue Erste Kreisbeigeordnete Christopher Lipp. Zu nennen sind neben anderen Frederik Bouffier, Lucas Schmitz, Florian Vornlocher, Laura Frey, Kathrin Schmidt, Felicitas Beuschel oder Lara Becker.
»Verjüngung braucht es nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Verantwortung«, freuen sich die jungen Christdemokraten über die Chancen, die dem Nachwuchs hier geboten werden. Auch und gerade in der politischen Arbeit auf Kreisebene hat Breidenbachs Vorgänger als Fraktionsvorsitzender, Claus Spandau, dem Nachwuchs viel Freiraum gelassen. Sie durften nicht nur lernend und zuhörend auf den hinteren Fraktionsbänken sitzen, sondern kräftig mittun, Anträge entwickeln und einbringen, in den Ausschüssen mitdiskutieren.
Diese Freiheiten werden Spandau und eben Braun hoch angerechnet. Denn das ist nicht überall üblich in der CDU. Aber Breidenbach ist sicher: »Dem Ansehen der Politik tut es gut, wenn nicht nur alte, weiße Männer dort sitzen, sondern auch Junge vorne mit dabei sind«. FOTOS: EP/PM
