Hat die Stadt draufgezahlt?

War der Verkauf der »Langsdorfer Höhe« ein schlechtes Geschäft? Über diese Frage wird man sich in Lich wohl nie einigen können.
Manches ist eine Sache der Perspektive. Zum Beispiel die Frage, ob der Verkauf der Fläche an der »Langsdorfer Höhe« für die Stadt Lich ein schlechtes Geschäft war. Magnus Schneider, der Fraktionsvorsitzende der BfL, antwortet darauf mit einem klaren Ja. Bürgermeister Dr. Julien Neubert bewertet die Angelegenheit anders.
In der Sitzung des Ausschusses Logistikzentrum Langsdorfer Höhe und Verkehr lagen am Mittwoch konkrete Zahlen auf dem Tisch. Einziger Tagesordnungspunkt war ein Berichtsantrag des Mehrheitsbündnisses aus BfL, Grünen und FDP über Kosten und Folgekosten, die die Erschließung des 20 Hektar großen Industriegebiets verursacht hat.
Die Zahlen sind schnell addiert. Restschulden, Flächenankauf, Planungskosten und der Rückbau einer Starkstromleitung summieren sich laut Auskunft der Stadt auf 5,046 Millionen Euro, die BfL rechnen zudem noch 278 000 Euro für die äußere Erschließung hinzu; diese Zahl haben sie dem Wirtschaftsplan der Stadtwerke entnommen. Macht zusammen 5,32 Millionen Euro.
Verkauft wurde das Gelände für 5,06 Millionen Euro. »Ich bin ja nicht so gut im Kopfrechnen. Aber die Stadt Lich hat einen hohen Verlust beim Verkauf dieses Grundstücks gemacht«, konstatierte Magnus Schneider. »Wir haben nichts erwirtschaftet«, kritisierte auch sein Fraktionskollege Martin Seifert.
Der Bürgermeister hielt dagegen. »Herr Schneider, das ist Ihre Bewertung!« Der errechnete Verlust resultiere aus dem Fokus der Fragestellung. Nicht in der Kalkulation berücksichtigt sei eine ganze Reihe von Kosten, die auf den Investor entfielen, so die Erschließung mit Wasserleitung, Abwasserkanal und Glasfaser oder der Bau der beiden Kreisverkehre. Neubert rückte darüber hinaus Vorteile des Projekts in den Fokus: »Grundsteuer. Gewerbesteuer. Und bis Ende des Jahres werden dort 500 Menschen arbeiten und über Tarif bezahlt werden.«
Breiten Raum nahm in der Diskussion die Entwässerung der großen versiegelten Fläche ein, auf der das Wayfair-Logistikzentrum steht. Geplant, aber noch nicht gebaut ist ein Regenwasserkanal im Teufelswiesenweg bis zum Weidgraben, der als Ablauf für das Regenrückhaltebecken dienen soll. Laut Fachbereichsleiter Marco Römer bedient man sich momentan mit einem »Bypass« entlang der Bahn. Hier fließt das Wasser aber erst, wenn das Rückhaltebecken mehr als zwei Drittel voll ist.
Neubert und Römer unterstrichen, dass die Planungen in Abstimmung mit den Fachbehörden auf ein hundertjähriges Hochwasser ausgelegt sind. In diesem Falle würde auch der Parkplatz von Wayfair unter Wasser stehen, nicht aber die Halle.
»Dieser Anschluss kostet Geld«, sagte Schneider über den geplanten Kanal im Teufelswiesenweg. Vonseiten der Stadtverwaltung wurde das nicht bestritten. Allerdings: Regenrückhaltung und Kanal wären in jedem Fall nötig gewesen, »egal wie die Langsdorfer Höhe bebaut wird«, betonte Römer. Zudem dürfe man nicht außer Acht lassen, dass der geplante Regenwasserkanal in erster Linie für die Außengebietsentwässerung notwendig sei. Mit 150 Litern pro Sekunde werde der Ablauf des Rückhaltebeckens nur einen geringen Teil der Einleitungen in den Weidgraben ausmachen. Den kalkulieren die Planer auf insgesamt 2300 Liter pro Sekunde.
Auf Verwunderung seitens der Antragsteller stieß der Umstand, dass Investor Dietz eine Reihe von Erschließungskosten übernommen hat, die laut Kaufvertrag eigentlich die Stadt hätte zahlen müssen. Der Bürgermeister konnte dazu nicht viel sagen. »Ich war damals noch nicht im Amt.« »Aber«, so seine Spekulation, »es gab ja Nachverhandlungen zu dem Vertrag.«
Auch die Folgekosten der beiden Kreisverkehre kamen zur Sprache. Berchtold Büxel (Grüne) erkundigte sich nach deren gärtnerischer Gestaltung, die bislang auf sich warten lässt. Auf dem großen an der B 457 plant Hessen Mobil laut Neubert eine Blühwiese. Für den kleinen Kreisel an der Hungener Straße habe Wayfair zugesagt, sich an der Gestaltung beteiligen zu wollen und auch die Pflege zu übernehmen. Eine Vereinbarung darüber gebe es allerdings noch nicht. »Er wird schöner werden«, versprach der Bürgermeister.
Die Frage, ob die Stadt Lich beim Verkauf der »Langsdorfer Höhe« draufgezahlt hat, ist übrigens nicht neu. Die Kommunalaufsicht hat sie im April 2020 auf Betreiben der BfL, die damals noch nicht im Parlament saßen, beantwortet. Ihre Einschätzung: Der bestmögliche Preis wurde nicht erzielt. Dennoch wurde das Gelände nicht unter Wert verkauft.