»Hätten deutlich mehr Vorlauf gewünscht«

Seit Kurzem liegt ein Entwurf zur Novelle des Energiegebäudegesetzes auf dem Tisch. Danach würde das Verbot für neue reine Öl- und Gasheizungen auf 2024 vorgezogen. Die Vorlage aus dem Habeck-Ministerium sorgt für heiße Diskussionen. Schon wegen der hohen Kosten und vielen Fragezeichen zur Förderung zeigen sich Verbraucher verärgert. Nicht anders die Branche, wie Björn Hendrischke, Geschäftsführer des Fachverbandes Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik Hessen sowie der SHK-Innung Gießen, im Interview erklärt.
Bundesweit sorgen 30 Millionen Feuerungsanlagen für wohlige Wärme in unseren vier Wänden (siehe auch Kasten) Schön und gut. Doch ohne Dekarbonisierung auch des Gebäudesektors - immerhin macht der ein Drittel des gesamten Energiebedarfs aus - sind die Klimaziele nicht zu erreichen.
Herr Hendrischke, wie stehen Sie grundsätzlich zur von der Bundesregierung ausgerufenen »Wärmewende«?
Deutschland hat sich gesetzlich verpflichtet, bis spätestens 2045 treibhausneutral zu werden. Bis dahin müssen wir ohne Einsatz fossiler Energieträger unseren Wärmebedarf im Gebäudebereich decken. Vor diesem Hintergrund ist die Vorgabe im geplanten Energiegebäudegesetz zu bewerten, dass künftig jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden muss.
...so stand es auch schon im Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und FDP vor Jahresfrist geschlossen haben.
Neu ist jedoch der Zeitpunkt, ab dem die Regelung in Kraft tritt. Hier macht Herr Habeck ordentlich Tempo. Im Koalitionsvertrag ab 2025 geplant, soll es nun bereits ab 2024 gelten. Mit Blick auf benötigte Kapazitäten, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen, stellt dies die gesamte Heizungsbranche vor erhebliche Herausforderungen. Hier hätten wir uns deutlich mehr Vorlauf gewünscht.
Bedeutet die 65-Prozent-Regelung per se das Aus für fossile Wärmeerzeuger schon ab 2024?
Der eigentliche Aufreger ist nicht die 65-Prozent-Erneuerbare-Energien-Vorgabe, sondern die Art und Weise ihrer geplanten Umsetzung im Gebäudeenergiegesetz. Manche Medien haben daraus ein Verbot von Gas- und Öl-Heizungen gemacht. Das war aber eher der Headline geschuldet.
Gas- oder Öl-Brennwertgeräte sind also gemäß dem Referentenentwurf auch nach dem 1. Januar 2024 erlaubt?
Ja, wenn die Geräte zum Beispiel mit einer strombetriebenen Wärmepumpe kombiniert betrieben und die 65 Prozent erfüllt werden. Von einem »Quasi-Verbot« aber ist die Rede, weil diese hybriden Systeme, insbesondere im Bestand technisch sinnvoll, komplett aus der Förderung genommen wurden.
Ähnlich verhält es sich bei der Biomasse...
Hier wurde bereits ab 1. 1. 2023 die Förderung gestrichen. Pelletheizungen etwa, die gerade dort sinnvoll sind, wo eine Wärmepumpe aus technischen Gründen an die Grenze ihrer Effektivität stößt, sind finanziell uninteressant geworden: vergleichbare hohe Kosten wie bei einer Wärmepumpe, dort hohe Förderung, hier keine. Bei Pellets etwa wird auf die Feinstaubbelastung verwiesen. Bei den neuen Heizungen aber ist die kaum messbar.
Warum werden diese alternativen Lösungen nicht genauso gefördert?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz möchte grundsätzlich keine fossilen Wärmeerzeuger mehr fördern, auch dann nicht, wenn sie in einem hybriden System in Kombination mit erneuerbaren Energieträgern die 65-Prozent-EE-Vorgabe erfüllen. Das ist meines Erachtens der falsche Weg.
Können Sie das konkretisieren!?
Diese alternativen Systeme bieten auf dem Weg zur Klimaneutralität eine sinnvolle und effektive Übergangslösung. Dies gilt besonders im Bestand, wo Wärmepumpen anders als im Neubau technisch nicht immer umsetzbar sind oder nicht effektiv betrieben werden können.
Berlin setzt demnach aufs »elektrische Pferd«, ein Fehler?
Ich glaube, dass die Regierung schlecht beraten ist, für die Wärmewende ausschließlich auf Elektrifizierung und deren Förderung zu setzen. Wir benötigen Technologieoffenheit, sodass auch Entwicklungen in anderen Bereichen, wie dem grünen Wasserstoff, vorangetrieben werden, auch wenn der Einsatzbereich im Wärmesektor aktuell nur von geringer Bedeutung ist.
Bei der Austauschpflicht für 30 Jahre alte Heizkessel werden die Ausnahmen ab 2026 schrittweise abgeschafft. Wie bewerten Sie die neuen Fristenreglungen?
Der Gesetzentwurf sieht bei Härtefällen Sonderregelungen vor. Eine besondere Härte soll u. a. im Falle der Heizungs-Havarie vorliegen. Die 65-Prozent-EE-Vorgabe ist dann erst binnen drei Jahren nach dem Heizungsaustausch zu erfüllen. Das Wirtschaftsministerium hat sich dazu überlegt, dass sich der Gebäudeigentümer in der Übergangszeit eine gebrauchte Gas- oder Ölheizung einbauen lässt.
Lässt sich das so einfach bewerkstelligen?
Nein, es gibt hierfür überhaupt keinen Markt. Eine Heizung ist zudem kein Gebrauchtfahrzeug, das man eben mal ein- und ausbaut. Wer soll hierfür die Gewährleistung übernehmen? Die einzige Lösung kann daran liegen, dass man das Gas- oder Öl-Brennwertgerät in eine Hybridheizung umbaut. Das aber ist mit erheblichen Kosten verbunden und eine Förderung existiert eben nicht mehr. Wie sich innerhalb von drei Jahren die finanzielle Situation des Eigentümers derart verändert haben soll, dass er diesen Schritt nun gehen kann, erschließt sich mir nicht.
Ist der schnelle Umstieg überhaupt zu machen?
Ein Umstieg, insbesondere auf die Wärmepumpe, ist zurzeit nur mit viel Geduld realisierbar. Aktuell haben wir Lieferzeiten von sechs bis 15 Monaten. Aber auch bei anderen Systemen bestehen für Komponenten der Regelungstechnik erhebliche Lieferengpässe. Ähnliches berichtet das Elektrohandwerk von PV-Anlagen. Jedoch fahren im Moment alle Hersteller ihre Kapazitäten hoch, so dass sich bis Mitte, spätestens Ende 2024 die Liefersituation normalisiert haben sollte.
Damit wird es aber nicht getan sein?
Nein, stellt sich doch die Frage, ob Heizungsbauer genügend Personal haben, alle Kundenanfragen zeitnah zu erfüllen. Eltern, die eine Wärmepumpe haben möchten, sollten schon aus Eigennutz ihren Kindern zu einer dualen Ausbildung in unserem Klimaberuf raten. Sie können zuversichtlich sein, dass der Nachwuchs als SHK-Anlagenmechaniker besser verdient als so mancher Akademiker.
Stellen die Betriebe im Sinne einer »Torschlusspanik« einen Run auf Öl- und Gasheizungen fest ?
Ja, besonders wenn Kunden über den Tausch der Heizungsanlage in Bestandsgebäuden nachdenken. Viele können sich eine Wärmepumpe trotz Förderung nicht leisten, weil die effektive Nutzung im Bestand oft eine zusätzliche energetische Sanierung erfordert oder die Finanzierung einer sinnvollen PV-Anlage zur Stromerzeugung, kombiniert mit Pufferspeicher, nicht darstellbar ist. Die kostengünstigere Alternative ist für viele ein effektives Gas- oder Ölbrennwertgerät. Der Run auf diese Anlagen ist mit Blick auf die neuen Vorgaben zum 1. Januar 2024 die Konsequenz.
Reagieren die Betriebe auf die neuen Vorzeichen?
Dass die Öl- und Gasbrennwerttechnik nach dem Willen der Bundesregierung ein Auslaufmodell ist, haben auch unsere Handwerker erkannt. Im Bereich Wärmepumpen bauen sie sich zunehmend eine Kompetenz auf, soweit sie nicht schon besteht. Die Nachfrage nach Schulungen steigt deutlich. Doch funktioniert ein solcher Umstellungsprozess nicht von heute auf morgen. Deshalb hätten wir uns mehr Zeit für den Technologiewechsel gewünscht. Wir sind aber auf einem guten Weg.
Welchen allgemein gefassten Rat haben Sie für Verbraucher, die einen Austausch der Heizung erwägen?
Grundsätzlich sollten sie sich einen Innungsfachbetrieb suchen, dem sie vertrauen. Aktuell nicht ganz einfach, denn die Nachfrage ist sehr hoch. Ob sich eine Investition in eine Wärmepumpe oder PV-Anlage lohnt, hängt vom Einzelfall ab. Gerade im Bestand sollte immer eine individuelle Betrachtung erfolgen. Maßgeblich sind z. B. der energetische Zustand der Gebäudehülle sowie die sonstigen Gegebenheiten.
Was verstehen Sie im einzelnen darunter?
Erst nach einer Berechnung der Heizlast für das Gebäude sollte entschieden werden, ob und wie eine Wärmepumpe effektiv betrieben werden kann. Technisch sind heute selbst im Bestandsgebäude Vorlauftemperaturen von bis zu 70 Grad erreichbar, doch kommt das böse Erwachen dann mit der Stromrechnung. Für den effektiven Einsatz einer PV-Anlage wiederum sind die geeigneten Dachflächen maßgebend. Letztlich muss die Gesamtinvestition aber auch ins Budget passen. Denn man sollte sich den eigenen Beitrag zum besseren Klima auch leisten können! FOTO: SCHEPP
