Von Wichteln und Nacktschnecken

Grünberg (tb). Dass der Spruch »Früh übt sich, was ein Meister werden will« seine Berechtigung hat, das lernten gestern gut 400 Jungen und Mädchen. Und auch so mancher Erwachsener mag sich daran erinnert haben, der am Grünberger Diebsturm dem Konzert von Toni Geiling lauschte: Virtuos ist sein Spiel auf der Gitarre wie auf der Violine - was nicht verwundert, hatte der 47-Jährige doch schon als kleiner Bub Unterricht.
Indiskretion zulasten des Wetterministers
Für die Kinder spielte das tatsächlich aber keine Rolle, sie hatten vielmehr ihren Spaß an den Liedern, die Geiling darbot. Dies in gleich dreifacher Mission: Als Abschluss der Ferienspiele mit ihren 270 Teilnehmern und 40 Betreuern, als Beitrag des Jungen Kultursommers Mittelhessen und im Rahmen der Reihe »Sommer am Turm«.
Geiling ist hauptberuflich Geiger und Liedermacher und hat jüngst seine CD »Die Nacktschnecke, Lieder für Erwachsene« herausgebracht (dazu später mehr). Von seinen Auszeichnungen sei hier nur der Deutsche Folkförderpreis erwähnt. Seit 20 Jahren tourt er auch mit Liedern für Kindern durch die Lande, aktuell mit dem Programm »In der Wolkenfabrik«.
Die »kleenen Grimmicher« verfolgten gespannt die Texte: Mal kreist da ein Milan auf unbekannte Weise, sucht der Wetterminister nach Antworten (Geiling verriet doch tatsächlich dessen Telefonnummer!), dann stiftet ein kleines Wichtelein Unordnung. Dazu gab der Thüringer kleine Musikrätsel auf und animierte erfolgreich zum Mitsingen - mal abgesehen von den Lausejungen und -mädchen, die sich im Springbrunnen erfrischten.
Bereits für den Abend zuvor - aber vor spärlich besetzten Stuhlreihen - hatte er »Lieder für Erwachsene« avisiert. Hhm! Mit Blick auf die Kulisse aus Cocktailstand, Bierpilz und Grillbude und, vor allem, auf die doch noch vielen Kinder empfahl er den Erziehungsberechtigten: »Sie können den Kleinen ja eine Bratwurst ins Ohr stopfen.« Dessen freilich sollte es nicht bedürfen, der nicht-jugendfreien Textpassagen waren wenige - mal abgesehen von »Sie aß die Schweinelende nur vom Biorind«... Was zu einem Abend in gelöster Stimmung, frei von Erklärungsnöten beitrug: Das altersgemischte Publikum machte fröhlich mit, wenn Geiling es etwa aufforderte, mit (erleichterten) »Mäh«-Rufen der Schafe einzustimmen, da er den »Blues der vegetarischen Vampire« sang.
Mit der »Simson« dem Gewitter davon
Tatsächlich nur für erwachsene Ohren gedacht war das »Lied vom Haarausfall«. Aber musste es sein, dass Geiling den Jungs in der ersten Reihe zurief: »Ihr werdet auch mal 30, dann fängt es an«?!
Späterhin sollte es dann doch noch blutrünstig zugehen: Nichts für zartbesaitete Kinderseelen nämlich war das »Klagelied der Nacktschnecke«, die vom Gärtner (von wem auch sonst?) per Messereinsatz geteilte Aufmerksamkeit erfährt. Dem entspannten Abend eher zuträglich: Das Lied von der »Simson«, mit der nämlich fährt der Sänger den Gewitterwolken davon. Eine wahrhafte Liebeserklärung an das Kult-Moped aus DDR-Zeiten: »Sie knattert und stinkt, die Räder können sich drehen - und manchmal bleibt sie stehen «