Ohne Schnickschnack und Allüren

Grünberg (bac). Jetzt ist es raus: Die Schauspielerinnen Anja und Gerit Kling sind Männer - zumindest was die Namen betrifft. Dies verrieten die beiden Schwestern augenzwinkernd anlässlich ihrer Buchvorstellung »Dann eben ohne Titel« am Sonntagabend in der Gallushalle im Rahmen der Reihe »Leseland Gießen« der OVAG.
»Der Titel lautet wirklich so«, versicherte Anja Kling zu Beginn, denn obwohl die beiden sich in vielem einig und unzertrennlich sind - Diskussionen gehören auch dazu. So einigten sie sich schließlich mit dem Verlag auf einen Titel, der eigentlich keiner ist und bereiteten dem Grünberger Publikum damit einen sehr vergnüglichen Abend.
Der Titel sagt aber schon viel über die beiden aus: Kein Schnickschnack, keine Allüren, sondern frei von der Leber weg erzählen sie heitere Episoden ihrer eigenen Geschichte, die zugleich auch ein Stück deutsche Geschichte bedeutet. Herausgekommen ist ein heiteres Buch zweier sympathischer Schauspielerinnen, die durchaus unterschiedlich sind, die aber die Bodenhaftung nie verloren haben. Dafür sorgt im Zweifelsfall schon die jeweils andere Schwester mit einer entsprechenden Bemerkung.
Geduldig signierten sie in der Pause ihre Bücher und gingen auf jeden Fotowunsch lächelnd ein. Sie wissen, was sie ihrem Publikum schuldig sind - und sie lieferten ab.
Das Buch ist in Dialogform geschrieben und liefert so die stimmige Vorlage für die wechselseitige Präsentation, die den beiden Frauen auf den Leib geschneidert wurde. Mit Geschichten über fehlgeschlagene Aprilscherze oder die Schwierigkeiten einer jungen Mutter, die einmal für fünf Minuten den Urlaub genießen wollte, trafen sie den Nerv ihrer Zuhörer. Die zwei Schauspielerinnen sind oft im Fernsehen zu sehen.
Gerit Kling (Jahrgang 1965) und ihre fünf Jahre jüngere Schwester Anja wuchsen in Wilhelmshorst bei Potsdam auf. Dort leben sie - nach mehreren Stationen - auch heute wieder und das neben dem Elternhaus. Sie verbrachten dort eine coole Kindheit mit üblichen kleinen und großen Streichen, vor allem von Gerit, der älteren und der forscheren der beiden. Als das »System DDR« seinerzeit erste Risse bekam, entschloss sich Gerit, die damals schon ein Schauspielengagement in Schwerin hatte, zur Flucht. Allerdings nicht ohne ihre kleine Schwester Anja. Als das Gerücht umherging, dass die Grenze zu Ungarn wieder dicht gemacht werden würde, setzen sie sich gemeinsam mit zwei Freunden in ihren alten Trabi und fuhren gen Westen, vier Tage vor dem Mauerfall.
Doch der Westen war nicht so glorreich wie erhofft: Gerit Kling: »Nicht eine Sekunde lang kam bei mir das Gefühl auf: Mensch - jetzt bist du im Westen. Toll. Ich war der unglücklichste Mensch auf der Welt. So hatten wir uns den gelobten Westen nicht vorgestellt.« Da sich von einem auf den anderen Tag alles geändert hatte, konnten die zwei zurückkehren. Sie machten dann eine beispiellose Fernsehkarriere, jede für sich.
Gerne würden die Kling-Schwestern häufiger zusammenspielen. Doch leider komme das bis heute nur selten vor - und das, obwohl sie immer wieder gern miteinander verwechselt werden, wie sie berichteten. »Sie sind doch Anja, nicht?« und umgekehrt bekommen die beiden häufig zu hören. Selbst die Intervention »Nein, ich bin Gerit« wird selten akzeptiert. »Ich muss doch wissen, wer ich bin«, so Gerit Kling lachend.
Das mit ihren »männlichen Namen« hat schon seine Richtigkeit - und auch nicht: In der Geburtsurkunde von Gerit ist ihr Vorname tatsächlich mit »rr« geschrieben, also männlich. Dies änderten die Eltern nachträglich ab. Anja, die jüngere, hieß zunächst laut Geburtsurkunde »Franziska« und wurde von ihrem Vater konsequent nur »Franz« gerufen, weil er sich eigentlich einen männlichen Erben gewünscht hatte. Irgendwann wurde dies der Mutter zu viel. Sie beantrage die Namensänderung von Franziska zu Anja und so ist es geblieben.
Anja und Gerit Kling: »Dann eben ohne Titel ... wir konnten uns mal wieder nicht einigen. Zwei Schwestern, eine Geschichte.« Verlag Ariston, 2020. 257 Seiten. 20 Euro.