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»Grimmicher Geschichten«

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Von: Hans-Joachim Losert

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Werner Faust © Hans-Joachim Losert

Grünberg (fp). »Schnurrbärtche« oder »Knäblein« haben in Grünberg durchaus Geschichte geschrieben. Festgehalten sind sie wohl kaum in historischen Werken, sondern durch Erinnerungen oder Erzählungen der Mitbürger. Viele sind bereits verstorben; die Lebenden kennen vielleicht noch die Spitznamen, aber nicht mehr die Personen, die sich dahinter verbergen.

Dr. Werner Faust rief diese in der Veranstaltungsreihe »Mittwochs um Sieben« in Erinnerung. Der Verkehrsverein hat sie in diesem Jahr ins Leben gerufen und in seinem »Haus der Zünfte« veranstaltet. Der letzte Termin musste aufgrund der Witterung indes ins Barfüßerkloster verlegt werden.

Faust erzählte als Kenner der »Grimmicher Geschichte« Anekdoten, welche die Stadt und deren Einwohner so liebenswert machen. Aus dem »Grünberger Anzeiger« hatte er zunächst eine Anzeige mit einem Mittel gegen Schmerzen der Kauwerkzeuge mitgebracht: Zur Vorbeugung wurden dort Mitte des 19. Jahrhunderts bernsteinfarbige Ohrgehänge empfohlen...

Faust ging zunächst auf frühere Bewohner der Neustadt ein. Dort betrieb besagtes »Schnurrbärtche« die Gastwirtschaft Christ. Das »Knäblein« war der Pflasterer Rahn, der wegen seiner Leibesfülle diesen Utznamen bekam. Der Erzähler berichtete, bei seiner Arbeit habe man beobachten können, dass ein Holzstab aus seinem Hinterteil ragte. Wegen des Umfanges des Mannes habe man nicht sehen können, dass daran ein Teller angebracht war, der dem Arbeiter sein Tagwerk erleichterte.

Faust wusste zudem, dass der »Dachratz« dem Pfarrer die Renovierung des Kirchendaches aufschwatzte.

Zur Besichtigung war Dachdecker Christian Mayer vor dem Pfarrer aufgestiegen und hatte unbeobachtet in die Ecken unterhalb des Giebels »gepinkelt«. Als der Pfarrer kam, wies der »Dachratz« auf die Dringlichkeit der Reparaturen hin: Es regne doch überall hinein.

Drei Zigarrenfabriken, zahlreiche Bäckereien und Wirtschaften habe es in Grünberg gegeben. Faust: »Rund um den Markplatz musste niemand verdursten.« Im Hessischen Hof hatte die Wirtin die Angewohnheit, einen Topf mit Zwiebeln aufzusetzen, wenn die Gäste länger blieben. Die bekamen durch den Geruch Hunger und bestellten zu später Stunde nochmals Essen.

Zum Besten gab Faust auch Anekdoten, die das Zusammentreffen von Grünbergern und Laubachern zum Nachteil der Nachbarstädter ins Lächerliche zogen. Die Zuhörer erfuhren im Weiteren von drei Gefängnissen, die es in Grünberg gab. Der Diebsturm und das einstige Spritzenhaus an der Höfetränke gehörten dazu, später ein Gebäude, an dessen Standort sich viele Jahre danach eine Druckerei ansiedelte (heute Gefängnisweg).

Der »Raue Erich« oder »Porte Hermännche« waren weitere Originale, deren Eigenheiten zur Sprache kamen. Faust spannte den Bogen auch zum Sittenleben der Grünberger: Ein Brief an den Papst prangerte einst das unzüchtige Leben der hiesigen Franziskanermönche an. Zudem gab es Badehäuser - und das Gasthaus Rose. Die Adresse mit dem zweifelhaften Ruf an der Neupforte wurde oft von Reisenden gesucht. »Es hörte sich dabei besser an, nach einem Gasthaus zu fragen, als gleich nach einem Puff«, schmunzelte Faust. Schaurig wurde es, als er Geschichten zu Henkern oder Scharfrichtern zum Besten gab. Christel Krämer dankte Faust mit einem Präsent. Zu Beginn hatte sie 200 Euro an Prof. Ulf Sibelius vom Verein PalliativPro (Gießen) übergeben. Die Spende stammt aus der Juni-Veranstaltung mit Burkhard Bräuning. FOTO: FP

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