1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen
  3. Grünberg

Eins mit Sternchen

Erstellt:

Kommentare

ti_clg_gall4_theo_freund_4c_1
Die Akteure überzeugten das Publikum mit dem Musical zur Grünberger Stadtgeschichte. © Christian Lugerth

Grünberg (clg). In der Pause der Premiere nach seinem ersten Eindruck befragt, antwortete Grünbergs Bürgermeister Marcel Schlosser kurz und bündig: »Großartig! Ich bin einfach nur stolz!« Und dies vollkommen zu Recht, hatte doch das von der Stadt im Rahmen der 800-Jahr-Feier in Auftrag gegebene Musical »Der Turm« von der ersten Minute an die mit knapp 300 Zuschauern gut gefüllte Gallushalle begeistert.

Peter Hermann, rühriger Musiker aus Gießen, hatte sich der Aufgabe gestellt einen Abend zu komponieren und zu texten, der die vielfältige Geschichte der Stadt Grünberg zum Gegenstand hat. Bis zur letzten Sekunde habe man geprobt und mit den nicht ganz einfachen akustischen Verhältnissen in der Halle sowie der lichttechnisch doch recht bescheidenen Ausstattung gekämpft, wie Hermann nach dem Schlussapplaus dem Auditorium gestand. Doch dies ist mit kleinen Abstrichen hervorragend gelungen. Zwar klang die Band, wurde es lauter, oft etwas dumpf. Tonchef Harald Frimmel hatte aber ganze Arbeit geleistet, die Textverständlichkeit der Songs war vollkommen in Ordnung. Und die wenigen Scheinwerfer, manchmal war es sehr dunkel, die Gesichter der Darsteller nicht gut zu sehen, wurden zu einem bunten, kreativen Licht genutzt. Der Rest war pure Freude und Begeisterung.

Toller Heimatabend

Zur Geschichte: Naami (Lisa Marie Krause), auf der Suche nach ihrem entlaufenen Hund Rusty, trifft vor dem Diebsturm - drei hölzerne Stehleitern reichen dafür - auf Noah (Marian Moldenhauer), der dort an einem Referat über die Geschichte Grünbergs arbeitet. Die Tür steht offen, die beiden treten ein und hinter ihnen fällt mit einem vom Ton eingespielten Knall eine schwere Eisentür zu.

Eingeschlossen in der Gegenwart sehen sie durch die Fenster nicht nur in die Vergangenheit. So ganz nebenbei entwickelt sich auch eine zarte Liebesgeschichte zwischen dem Nerd und Bescheidwisser Noah, der unter Höhenangst, Spinnenphobie und Angst im Dunkeln leidet und der forschen Naami, die in jeder Situation einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Anfangs noch zweifelnd, ob das echt ist, was sie da draußen sehen (»Ist das eine Theaterprobe?«), dämmert es ihnen allmählich, dass sich vor ihren Augen Grünberger Stadtgeschichte abspielt.

Ein erster Höhepunkt, als der durch die Star-Wars-Titelmelodie angekündigte Herold des Kaisers die Marktrechte verkündet und dies von zwei Bürgern in Hessisch für das sich vor Lachen kringelnde Publikum übersetzt wird. Der Saal kocht förmlich, als zehn Kinder unter Leitung von Monika Hotte über die Bühne springen und tanzen. Die Vorfreude auf den nächsten Gallusmarkt ist spürbar.

Nach der Pause streift der Theo Koch als Bub mit vier Freunden durch das Brunnental, als Indianer verkleidet. Ein anrührend unbefangener Tanz und eine unfreiwillige Hommage an den guten alten Winnetou, der jüngst in vieler Munde war.

Besonders eindrücklich die Darstellung des Ende des Zweiten Weltkriegs. Johannes Bauer, verantwortlich auch für die Regie, tanzt mit zwei feuerspeienden Fackeln, die Bombeneinschläge darstellen, über die nachtdunkle Bühne. Im Luftschutzkeller kauern die verängstigten Bürger. Und dann noch Lokalmatador und »Bembelator« Martin Philippi, der zu Ehren Martin Luthers einen straighten »Kurze-Wege-Blues« von der Rampe schießt, die Gitarre mit den Zähnen bearbeitend und mit dem Ensemble eine Runde durch das klatschende Publikum dreht.

Zum Schluss tritt ein Lehrer auf, gibt Noahs Referat eine Zwei (»Ein bisschen spekulativ das Ganze, aber souverän bestanden!«). Das Publikum applaudiert im Stehen, feiert seine Stadt, ein wenig sich selbst, dieses sehr gelungene Musical und macht aus der Zwei eine Eins mit Sternchen. Ein anregender - im wahrsten Sinne des Wortes - Heimatabend.

Auch interessant

Kommentare