Edler Tropfen vom Warthof

Grünberg (tb). Mit einem Aufruf hatte sich die Stadt an die Vereine (versüßt mit einem Förderbetrag), aber auch an Einzelpersonen und Institutionen gewandt. Gefragt waren eigene Beiträgen zur 800-Jahr-Feier Grünbergs. Die Hoffnung hat sich erfüllt. Und ein weiterer, buchstäblich herausragender Beleg für den Einfallsreichtum der »Grimmicher« gedeiht seit letztem Samstag:
Am Warthof hat eine auf Rebenpflanzungen spezialisierte Firma einen Jubiläums-Weinberg angelegt.
Und das auch noch auf historischem Boden, wie Landwirt Heinrich Sauerbier vor Ort berichtete. Danach verweist der Name des Flurstücks, eben »Am Weinberg«, auf den Anbau schon durch die Antoniter. Die hatten bekanntlich im Jahr 1200 am grünen Berge ein Kloster gegründet. Kein kleines zumal: Bis zu dessen Aufhebung anno 1527 zählte Grünberg zu den wichtigsten deutschen Niederlassungen und, wie beim Landesamt für geschichtliche Landeskunde weiter zu erfahren, zu den reichsten in Hessen. Spätestens mit der Kleinen Eiszeit aber, hierzulande Ende des 17. Jahrhunderts besonders ausgeprägt, dürfte der Weinbau geendet haben. Einziges Zeugnis auch im Gießener Land sind Flurnamen wie »Am Wingert«. Die Klimaerwärmung aber bietet nun neue Chancen.
Nutzen möchte die auch Heinrich Sauerbiers Tochter Heike. Seit Längerem schon ist sie alleinige Betriebsleiterin des Hofes, der sich vor allem mit seiner großen Apfelplantage Renommee erworben hat. Als »begeisterte Obstbauerin«, wie sie selbst sagt, geht sie jetzt die neue »spannende Herausforderung« an. Heißt konkret: Erstmals werden speziell fürs Keltern geeignete Rebsorten kultiviert.
Erste gewerbliche Winzerei im Kreis
Aus der Rebveredlung Antes (Heppenheim) bezog der Familienbetrieb sogenannte »Piwis«, also pilzwiderstandsfähige Reben: neben Muscaris, Johanniter, Souvignier gris als einzige Rotweinsorte Cabernet Cortis. Die Erwartung der »Neuwinzer« geht nun dahin, dass die »Piwis« halten, was sie versprechen: weniger anfällig für Krankheiten und Schädlinge, weniger Bedarf an Pflanzenschutzmitteln. Dass es freilich per se nicht einfach sein dürfte, in Mittelhessen den Weinbau einzuführen, liegt auf der Hand.
Ihren Wingert - übrigens der erste gewerbliche im Landkreis - hätten die Obstbauern gern schon 2021 angelegt. Doch standen dem die üblichen bürokratischen Hürden entgegen, dauerte es ein Jahr bis zur Antragsbewilligung.
Auch für neue Rebpflanzungen bedarf es einer Genehmigung durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Die sind streng reglementiert, so gilt in Deutschland eine jährliche Obergrenze von rund 300 Hektar, um einer qualitätsmindernden Überproduktion vorzubeugen.
Ein halber Hektar findet sich seit Samstag in Südhanglage, mit Blick auf Grünberg. Drei Tage später lugen die insgesamt 1600 Pfropfreben auf Unterlagen (Wurzeln), die der Reblaus widerstehen sollen, erst wenige Zentimeter aus dem Erdreich heraus. In drei bis vier Jahren aber, so die Hoffnung Sauerbiers, werden aus den Trauben bis zu 5000 Liter Saft gepresst.
Nur am Anfang wolle sie auf die Expertise eines Lohnkelterers zurückgreifen, ließ Heike Sauerbier am Ende des Lokaltermins wissen. Die Frage, wie denn der edle Tropfen vom Warthof heißen wird, darauf freilich hatte sie noch keine Antwort parat.