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Rettet die Wildbienen: Deshalb sehen Imker die zunehmende Honigbienen-Haltung kritisch

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Von: Lena Karber

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Samuel Krutzky (vorne) und Adolf-Walter Schürg vom Bienenzuchtverein Grünberg und Umgebung möchten dafür sensibilieren, dass vor allem Wildbienen Hilfe benötigen. Aus Umweltschutzgründen und ohne Erfahrung Honigbienen zu halten, halten sie daher nicht für den richtigen Weg.
Samuel Krutzky (vorne) und Adolf-Walter Schürg vom Bienenzuchtverein Grünberg und Umgebung möchten dafür sensibilieren, dass vor allem Wildbienen Hilfe benötigen. Aus Umweltschutzgründen und ohne Erfahrung Honigbienen zu halten, halten sie daher nicht für den richtigen Weg. © Lena Karber

»Rettet die Biene«-Kampagnen haben zu einer hohen Zahl an Hobby-Imkern geführt. Imker sehen das kritisch, da vor allem Wildbienen Hilfe benötigen. Zudem kann mangelndes Wissen zu Problemen führen.

Bienenhaltung liegt im Trend: Während es hierzulande im Jahr 2000 nach Angaben des Deutschen Imberbundes (D.I.B.) rund 93 000 Imker gab, sind es heute etwa 160 000. Vor allem die Zahl Hobby-Imker mit wenigen Bienenvölkern nimmt zu. Spezielle Kisten versprechen unkomplizierte Bienenhaltung im eigenen Garten - oder gar als »Urban Beekeeping« auf dem Großstadtbalkon. Im Internet lässt sich mit wenigen Klicks ein Bienenvolk bestellen, die Anleitung gibt es obendrauf - eine super Sache, könnte man meinen, schließlich weiß inzwischen jeder, wie wichtig Bienen für die Umwelt sind.

Doch erfahrene Imker beobachten die Entwicklung zum Teil kritisch, etwa beim Bienenzuchtverein Grünberg und Umgebung. »Uns macht es Sorgen, dass viele ahnungslose Bienenkäufe getätigt werden«, sagt der Vorsitzende Samuel Krutzky. Seine Einschätzung: Die Menschen handeln in bester Absicht, können jedoch aus Unkenntnis auch eine Menge Schaden anrichten.

Immer mehr Leute halten Honigbienen: Imker aus dem Kreis Gießen sehen das kritisch

Das fängt beim Kauf von Bienen über das Internet an, der mit Massenproduktion, langen Transportwegen und dem Import von Schädlingen wie dem Beutenkäfer verbunden sein kann - und setzt sich beim richtigen Umgang mit dem Bienenvolk fort. »Da gibt es sehr viel Theorie, die man beherrschen und auch praktisch anwenden können muss«, sagt Krutzkys Vereinskollege Adolf-Walter Schürg. »Ich bin seit 20 Jahren Imker und lerne immer noch jeden Tag dazu.«

Mangelt es an Wissen und Erfahrung, so die Befürchtung der Imker, kann die Bienenhaltung schnell zur Tierquälerei werden. »Honigbienenhaltung ist Tierhaltung und Tierhaltung verpflichtet«, betont Krutzky. Zu den Verpflichtungen gehört es auch, die Bienen beim Veterinäramt zu melden und Krankheiten sowie Schädlinge erkennen zu können. Geschieht das nicht, können die Bienen etwa die meldepflichtige Amerikanische Faulbrut auf andere Völker übertragen und so anderen Imkern schaden.

Und auch in anderen Bereichen kann eine Ausbreitung von Bienenschädlingen und -seuchen zu wirtschaftlichen Verlusten führen, hängen doch laut D.I.B. rund 85 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge im Pflanzen- und Obstbau von der Bestäubung der Honigbienen ab. Von der Umwelt ganz zu schweigen.

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Krutzky. und Schürg empfehlen daher, sich schon vor der Anschaffung eines eigenen Bienenvolkes auch praktisch mit der Imkerei auseinanderzusetzen und beispielsweise Kontakt mit dem örtlichen Imkerverein aufzunehmen. Auch ohne Mitglied zu werden, bekomme man etwa in Grünberg unentgeldlich Hilfe und die Möglichkeit, einen erfahrenen Imker zunächst einmal zu begleiten und die Arbeit kennenzulernen. Zudem sei der Kontakt zu anderen Imkern und der Austausch wichtig, da es viele regionale und saisonale Besonderheiten gebe, bei denen einem Lehrbuch oder Internet nicht weiterhelfen. »Das muss man noch einmal ganz klar sagen: Wir Imker freuen uns natürlich, wenn es Nachwuchs gibt und sich junge Leute dafür interessieren«, sagt Krutzky. Der Appell sei nur, sich entsprechend mit der Sache auseinanderzusetzen.

Abseits der Imkerei führt der Hype um die Honigbiene laut Krutzky. und Schürg jedoch noch zu einem weiteren Problem - und zwar dazu, das das eigentliche Problem überlagert wird: Die Bedrohung der Wildbienen, von denen es in Deutschland fast 600 Arten gibt. Trotz der »Rettet die Bienen«-Kampagnen« laufen sie in der Öffentlichkeit häufig unter dem Radar. Und das, obwohl sie für die Bestäubung zahlreicher Pflanzen essenziell sind und hierzulande bereits 300 Wildbienenarten auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen.

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Bisweilen wird sogar darüber diskutiert, ob Honigbienen und Wildbienen in Konkurrenz zueinander stehen. Die Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung meint jedoch, dass »die derzeit verfügbare wissenschaftliche Datenlage« den Schluss, »dass die Präsenz von Honigbienen pauschal ein Risikomoment für Wildbienen« darstelle, nicht zulasse.

Klar ist andersherum jedoch auch, mit der Haltung von Honigbienen ist den bedrohten Wildbienen nicht geholfen - und genau dafür möchte der Grünberger Bienenzuchtverein ein Bewusstsein schaffen.

»Wer wirklich etwas gegen den Insektenrückgang und damit für den Naturschutz tun will, sollte stattdessen dafür sorgen, dass Lebensräume und Nahrung da sind«, sagt Krutzky. Bienenfreundliche Pflanzen und ein wilder Garten statt englischem Rasen, altes Holz einfach Mal liegenlassen und selbstgebaute Nistplätze sowie das Zulassen von lehmigen und sandigen Bereichen für die 75 Prozent der Wildbienenarten die im Boden leben - all das halten die Imker für sinnvoller als vieles, was derzeit auf dem Markt erhältlich ist. Und wer etwas kaufen möchte, der sollte sich zumindest beraten lassen. Einen großen Garten brauche es nicht, um den Insekten Wasser, Nahrung und Nistplätze zu bieten, sagt Krutzky. »Selbst der kleinste Blumenkasten bringt etwas.«

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