1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen

»Gott und die Welt« im Schloss

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Thomas Brückner

Kommentare

tb_biblio12_070422_4c
tb_biblio12_070422_4c © Thomas Brueckner

Seit 1999 lädt die Gräflich Solms-Laubach’sche Schlossbibliothek zu Sonderausstellungen ein. Auch in diesem Jahr. Am 20. April ist Eröffnung, ein Gang durch die altehrwürdigen Räume aber lässt schon heute keinen Zweifel: Die neue Ausstellung mit dem Titel »Gott und die Welt. Von der Reformation bis zur Aufklärung« lohnt den Besuch.

Die Bemerkung einer Besucherin hat die Wellenkötters lange beschäftigt. »Habt Ihr nur Bücher?«, lautete vor Jahren die Frage der Frau gleich zu Beginn einer Führung durch die Schlossbibliothek zu Laubach. »Über die Bewertung einer solchen Taktlosigkeit hinaus - ist das komisch oder macht es traurig? - beschäftigte uns das ›Nur‹«, erzählt Burkhard Wellenkötter, der damit auch im Namen von Trautel Wellenkötter spricht.

Die 78-Jährige ist seit bereits 23 Jahren Bibliothekarin des Grafenhauses, unterstützt von Ehemann Burkhard. Mit welchem Enthusiasmus die beiden dabei sind, zeigen allein die Sonderausstellungen. »Wir sind darüber alt geworden«, sagt der pensionierte Oberstudienrat. Umso mehr ist ihr Engagement und ihr hochstehender Beitrag zum kulturellen Leben der Stadt zu würdigen.

»Nur Bücher«, das klinge nach Geringschätzung, fährt der 76-jährige Wellenkötter fort. Hieße das doch, es gäbe noch etwas Besseres, Filmmaterial, gespielte Szenen, ein Event oder dergleichen. »Tatsächlich haben wir ›nur‹ Bücher - in einer Bibliothek übrigens nicht weiter verwunderlich.«

Also machen sich Trautel und Burkhard Wellenkötter immer wieder daran, dieses ominöse »Nur« umzudeuten: »Wir haben mit den Bücherschätzen etwas zu bieten, wogegen alles andere unter das ›Nur‹ fallen müsste.«

Seit fast einem Vierteljahrhundert nun präsentieren die Laubacher jedes Jahr eine Ausstellung und holen immer wieder neue, nie gezeigte und manchmal kaum je geöffnete Exemplare aus den Regalen hervor.

Nach eigenen Worten schreiten sie dabei gewissermaßen den ganzen »Kreis der Schöpfung« aus, spannen einen thematischen Bogen von der Religion, der Geschichte, der Pflanzen- und Tierkunde, Kunst und Literatur hin zu Reisewerken, Kinderbüchern und so weiter. Ganz im Sinn der hohen Diversität, die diese Bibliothek aufweist.

Im Banne der Pandemie war so eine der letzten Bücherschauen vollständig der Medizin gewidmet. »Es gibt hier praktisch nichts, was es nicht gibt…« In diesem Jahr nun stehen Werke an, die den Wandel der Weltanschauungen vom späten Mittelalter und der beginnenden Neuzeit bis zur Aufklärung nachzeichnen.

Wellenkötter: »Während die Werte der katholischen Welt noch in Blüte standen, etwa in der ›Reise ins Heilige Land‹, die der Domherr Bernhard von Breydenbach Ende des 15. Jahrhunderts antrat, meldeten Reformation und Humanismus, Luther, Erasmus, Reuchlin und andere eine Zeitenwende an, die das geozentrische Weltbild ablöste.«

Bibeln über Bibeln, beginnend mit der Vulgata, einem Wiegendruck aus dem Jahr 1483, führen die Wege des Besuchers zur »Physica Sacra« des Schweizer Naturwissenschaftlers Scheuchzer (1731). Und weiter zu astronomischen und astrologischen Studien (Galilei, Tycho Brahe und Kepler), Cosmografien und Atlanten (Appianus und Sebastian Münster), die erahnen lassen, wie die Weltanschauung allmählich zu einer wörtlich zu verstehenden »Anschauung« der Welt geriet.

Der Gang durch die Weltgeschichte geht weiter über das »Kriegsbuch« des Reinhart zu Solms-Lich zum Dreißigjährigen Krieg (darin eine alte Ansicht von Lich), weist ins Zeitalter des Absolutismus und endet mit der französischen Revolution und der Aufklärung.

Die Schlachtenbilder Merians, seine in unglaublicher Feinarbeit erarbeiteten Kupferstiche, aber auch Auszüge aus den Protokollen zum Westfälischen Frieden (1648), die sich in der Bibliothek befinden, legen Zeugnis ab vom »Deutschen Krieg«. Der Absolutismus endet in der Revolution, deren geistige Wegbereitung die Aufklärung war.

»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit!« Unter diesem bekannten Motto Kants, so weiter Wellenkötter, werden Wesenszüge des »Zeitalters der Vernunft« herausgestellt, die zunächst in Frankreich den Umsturz der Gesellschaftsordnung bewirkte, den Beginn der Moderne begründete.

Einige der bedeutendsten Vertreter auf dem Gebiet des Geistes, also die Literatur der französischen und deutschen Aufklärung, kommen mit ihren wichtigsten Werken zur Ansicht: Voltaire und Rousseau, Lessing und Lichtenberg.

tb_biblio13_070422_4c
tb_biblio13_070422_4c © Thomas Brueckner
tb_biblio14_070422_4c
tb_biblio14_070422_4c © Thomas Brueckner
tb_biblio16_070422_4c
tb_biblio16_070422_4c © Thomas Brueckner

Auch interessant

Kommentare