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Dauer-Diskussion an Schulen im Kreis Gießen: Heißt es jetzt „Goodbye Elterntaxi“?

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Von: Rüdiger Soßdorf

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»Elterntaxis« an den Grundschulen sorgen immer wieder für Diskussionen. SYMBOLBILD: DPA © DPA Deutsche Presseagentur

Elterntaxis werden dauerhaft diskutiert. Die Zählung an einer Schule in Gießen zeigt, dass es im Vergleich zu 2019 kaum Besserung gibt.

Gießen – Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Grundschule bringen, anstatt die lieben Kleinen laufen zu lassen, sind allerorten Diskussionsthema. Der Autoclub Europa wirbt unter dem Motto „Goodbye Elterntaxi“ für den Schulweg zu Fuß. Doch der Erfolg scheint eher gering. Beobachtungen in Biebertal.

Ein Junge klettert aus dem Auto der Mama, den Ranzen bereits auf dem Rücken. Angegurtet war das Kerlchen sicherlich nicht. Ein anderes Kind steigt aus Papas Auto, nach links, direkt auf die Fahrbahn. Und wieder eine andere Schülerin wird quasi bis vor den Schuleingang gefahren. Direkt über den Buswendeplatz, der – so sagen es die Schilder unzweifelhaft – für jeglichen anderen Verkehr gesperrt ist. Nicht zuletzt blockieren Eltern („Ich halte ja nur kurz, um mein Kind aussteigen zu lassen“) die Zufahrt zum Bushalteplatz.

Dauer-Diskussion: Seit 2019 nicht weniger Elterntaxi an Schulen im Kreis Gießen

Wo das zu beobachten war? An der Grundschule Biebertal in Rodheim, am Montagmorgen (27. Juni) dieser Woche, zwischen 7.30 und 8 Uhr. Es sind die gleichen Bilder wie vor drei Jahren. Es ist das gleiche Fehlverhalten wie 2019. Der Automobilclub Europa, kurz ACE, hatte in dieser Woche erneut nach Biebertal eingeladen, um die Situation der sogenannten Elterntaxis an der Grundschule zu dokumentieren.

„Es scheint etwas besser geworden zu sein“, ist der erste Eindruck des ACE-Kreisvorsitzenden Gerd Wegel. Aber das ist eine eher gefühlte Momentaufnahme. Die Zahlen zeigen derweil: 2019 wurden 41 „Elterntaxis“ am Rodheimer Bornberg gezählt; in dieser Woche waren es 47.

Auch an einer anderen Schule in Gießen wurde diskutiert, ob die Elterntaxi-Zone bleibt, denn die Meinungen gehen auseinander. Ziel ist es lediglich, den Schulweg der Kinder sicherer zu machen.

Elterntaxi vor Schulen im Kreis Gießen: Thema wird oftmals diskutiert

Wobei die Biebertaler Grundschule stellvertretend für die Situation an vielen weiteren Schulen steht. Das hätte so auch in Heuchelheim, Hungen, Grünberg oder Lollar beobachtet werden können. Viele Grundschüler kommen, wenn die Schule in ihrem Wohnort ist, zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Roller. Aus den Nachbarorten ohne Grundschule fährt der Bus. Aber rund 20 Prozent der Grundschüler, so der ACE, werden mit dem Auto zum Unterricht gebracht. Das zeigt eine bundesweite Statistik. In den zwei zurückliegenden Corona-Jahren, so die Vermutung, könnte die Zahl sogar noch leicht höher gewesen sein. Eben weil Eltern lieber selbst fuhren, als die Kinder in volle Busse zu setzen.

Die Kinder kommen mit dem elterlichen Auto sicher bis zur Schule, hat ACE-Mann Wegel Verständnis für die Sorgen der Eltern, die ihre eigenen Sprösslinge wohlbehütet begleiten wollen. Aber er sieht zugleich: „Genau dieselben Eltern gefährden mit ihrem Verhalten die Mitschüler, die zu Fuß oder mit dem Rad kommen“. Mehr noch: Die Kinder lernen durch den vermeintlich sicheren Eltern-Shuttle-Service nicht, mit dem Verkehr umzugehen. Ihnen fehlt das Einüben, womöglich gefährdende Situationen zu meistern. Sie werden verkehrstechnisch unmündig gehalten.

Elterntaxis im Kreis Gießen: Oftmals mehr Gefahr als Schutz

Dabei kann der Schulweg zu Fuß so wichtig sein: Zum einen, um dem Nachwuchs die Gelegenheit zu geben, in Verkehrsfragen alert zu werden. Zum anderen ist da die soziale Komponente: Schüler, sich schon vor Schulbeginn mit ihren Freundinnen und Freunden austauschen können, kommen entspannter zum Unterricht in der ersten Stunde.

Noch einmal zurück nach Biebertal: Die Erhebung zu Beginn dieser Woche zeigte jedenfalls bei den Elterntaxis keine signifikante Änderung, auch nicht durch die zwei zurückliegenden Corona-Jahre. Es scheint nicht so, dass deshalb die Zahl der Elterntaxis zugenommen hat. Aber mutmaßlich eben auch nicht deutlich abgenommen.

Diskussion über Elterntaxis im Kreis Gießen: 25 Prozent der Kinder werden gefahren

Zwar kommen etwas mehr Kinder mit dem Rad, so wie es etwa seitens des Schulträgers, des Landkreises Gießen überall dort empfohlen wird, wo es von der Strecke her möglich ist. Doch eine Trendwende? Dazu fehlt es an flankierenden Maßnahmen. So gibt es zwar die Verabredung, einen Radwegeplan für den Schulweg auszuarbeiten. Doch der liegt noch nicht fertig vor.

Die nackten Zahlen der Kontrolle vom Montag: 47 Autos wurden gezählt, bei einer Schule mit rund 190 Schülern – das entspricht etwa einer Elterntaxi-Quote von 25 Prozent.

Verkehrsregeln oftmals missachtet: Heißt es jetzt „Goodbye Elterntaxis“?

22 Eltern hielten am Montag (27. Juni) im absoluten Halteverbot, vier davon direkt in der Bus-Einfahrt. 25 Eltern, die ihr Kind mit dem Auto brachten, hielten sich an die Verkehrsregeln, etwas mehr als die Hälfte immerhin. Aber die andere Hälfte eben nicht.

Der ACE hatte 2019 schon angeregt, an der Grundschule eine separate Spur für die scheinbar unvermeidlichen Elterntaxis auf dem großzügig dimensionierten Busparkplatz anzulegen, war im Dialog dazu mit dem Kreis als Schulträger und der Gemeinde Biebertal als lokaler Straßenverkehrsbehörde. Auch die Schule selbst hat den Kontakt zu den Behörden gesucht, war im Gespräch mit dem Rathaus und dem Schuldezernenten. Doch umgesetzt ist bisher nichts. Da will man am Ball bleiben.

„Goodbye Elterntaxi“: Plakat an Schulen in Gießen – Änderung bleibt fraglich

Wo sich die Schule bereits selbst auf den Weg gemacht hat, erklärt Konrektor Sascha Ried gegenüber dem ACE: Zwei Lehrkräfte aus dem Kollegium sind für die Radverkehrs-Erziehung der Schüler qualifiziert worden.

Der ACE hat, um für das Thema zu sensibilisieren, in der Schule gelbe Westen für die Grundschüler verteilt. Aufschrift: „Goodbye Elterntaxi“. Ob das was bringt? Das wird der nächste Termin in zwei oder drei Jahren zeigen. (Rüdiger Soßdorf)

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