Eier, Milch und Wurst rund um die Uhr: Können Automaten den Tante-Emma-Laden ersetzen?

Eier, Nudeln, Craft-Bier und Fertiggerichte: Immer öfter gibt es Lebensmittel in Automaten. Kann moderne Technik den Tante-Emma-Laden auf dem Land ersetzen?
Reiskirchen - Die Kundin schaut durch die Glastür. Die Fächer dahinter sind ziemlich leer geräumt. »Eier hätte ich gerne«, sagt sie. Damit kann Philipp Fay dienen. Der junge Landwirt vom Obersteinberger Hof ist gerade mit seinem roten Transporter in der Friedrich-Ebert-Straße in Watzenborn-Steinberg vorgefahren. Im Gepäck hat er neben Eiern auch Bratwürste, Gulasch, Eiernudeln und Honig. Der Lebensmittel-Automat auf dem Gelände der Schreinerei Adelt muss aufgefüllt werden. Das ist fast jeden Tag der Fall. »Der Standort hier läuft überdurchschnittlich gut«, sagt Fay, der sich gemeinsam mit seiner Frau Tabea um den Nachschub kümmert.
Seine Familie, die den Obersteinberger Hof in fünfter Generation betreibt, gehört zu den Verkaufsautomaten-Pionieren in der Region. Bereits 2015 haben die Fays die erste Maschine aufgestellt, eben jene in der Ortsdurchfahrt von Watzenborn-Steinberg. Damals standen Eier im Fokus. »Wir hatten im selben Jahr unser erstes Hühnermobil angeschafft«, erzählt Philipp Fay. Der Automat sei als Ergänzung zur Vermarktung im Hofladen gedacht gewesen. »Er war ein Alleinstellungsmerkmal. Das hatte damals hier noch keiner.«
Lebensmittel-Automaten im Kreis Gießen: Eier und Milch rund um die Uhr
Mittlerweile sind Vending-Maschinen ein Trend. Auf etlichen Bauernhöfen zwischen Lahn und Vogelsberg kann man am Automaten rund um die Uhr Eier holen, Milch zapfen und andere Produkte direkt vom Erzeuger kaufen. Und nicht nur Landwirte sind auf den Zug aufgesprungen. In Heuchelheim zum Beispiel erfreut sich in der Rodheimer Straße die Schlemmer-Box der Metzgerei Mandler großer Beliebtheit. Sogar Rippchen mit Kraut kann man hier ziehen, bei Bedarf auch nachts um drei.
Der größte Player in der Region aber ist mittlerweile die »Marktscheune Wittelsberg«. Das Start-up aus dem Ebsdorfergrund betreibt rund um Marburg und Gießen mittlerweile 20 Automaten. Dafür gab es im vergangenen Jahr den hessischen Demographiepreis. Carsten und Katharina Marin sind in ihr Projekt so reingerutscht. Eigentlich wollte das Paar, das nach der Geburt der ältesten Tochter aus dem Rhein-Main-Gebiet in den Ebsdorfergrund zurückgekehrt war, in Wittelsberg einen Laden ausschließlich mit regionalen Produkten eröffnen. »Die Geschäfte, die wir aus unserer Kindheit kannten, gibt es nicht mehr«, erinnert sich Carsten Marin. »Und dass man für die Kartoffeln, die im Dorf angebaut werden, zehn Kilometer auf den Markt nach Marburg fahren sollte, leuchtete uns nicht ein.«
Kreis Gießen: »Ein Automat braucht Anlaufzeit, um wahrgenommen zu werden«
Aber mit dem Umbau einer alten Scheune ging es nicht so recht voran. So beschlossen die beiden Gründer, fürs erste einen Automaten auf dem Grundstück aufzustellen. »Damit die Leute schon mal sehen können, was es später in der Marktscheune so alles zu kaufen geben sollte«, berichtet Carsten Marin. Das war im Sommer 2019. Zwei Jahre später waren es bereits fünf. Corona habe die Entwicklung vorangetrieben, sagt der Geschäftsführer. Weniger Regulatorien, weniger Kontakte, frische Luft: all diese Faktoren hätten das Einkaufen am Automaten attraktiv gemacht.
»Und dann rief die Volksbank Mittelhessen an«, erzählt Marin. Dem Geldinstitut, das aus den landwirtschaftlichen Genossenschaftsbanken erwachsen ist, gefiel der regionale Ansatz. Man vereinbarte eine Kooperation. Mittlerweile stehen die Regioautomaten der Marktscheune auch vor acht Volksbank-Filialen in Stadt und Kreis Gießen. Die Resonanz sei unterschiedlich, sagt Marin. »Ein Automat braucht Anlaufzeit, um wahrgenommen zu werden.«
Automaten statt Tante-Emma-Laden: Frühstückseier oder Grillfleisch besonders beliebt
Das weiß auch Philipp Fay. Der Obersteinberger Hof bestückt mittlerweile drei Automaten. Zum Standort in Watzenborn-Steinberg sind zwei weitere hinzugekommen: im Leihgesterner Weg in Gießen und in der Heinrich-Neeb-Straße in Lich. »Gute Erreichbarkeit und Parkmöglichkeiten sind wichtig«, sagt Fay. »Die Leute kaufen vor oder nach der Arbeit ein.« Und dann, wenn die Supermärkte geschlossen sind. »Am Wochenende wird definitiv am meisten verkauft.« Frühstückseier oder Grillfleisch seien dann besonders gefragt.
Wann was gekauft wird, weiß der Pohlheimer ganz genau. Die Automaten sind smart, der Bestand kann minutenaktuell abgerufen werden. Das macht das Befüllen leichter. »Wir können gezielt die Produkte mitnehmen, die gerade fehlen.«
Kreis Gießen: Bei Automaten-Nutzern handelt es sich vorwiegend um Stammkundschaft
Und wer kauft am Automaten ein? »Alle«, sagt Carsten Marin. Aber er weiß aus vielen Gesprächen, dass die Motive unterschiedlich sind. »Auf dem Dorf kommen 70 Prozent der Kunden, weil es keinen Laden gibt und 30 Prozent, weil sie gezielt regionale Produkte wollen«, so seine Einschätzung. »In der Stadt ist es umgekehrt.«
Auf dem Obersteinberger Hof geht man davon aus, dass es sich bei den Automaten-Nutzern vorwiegend um Stammkundschaft handelt. Deswegen sei der Automat in Watzenborn auch besonders erfolgreich. »Die Leute kennen uns und wissen, wofür wir stehen«, sagt Philipp Fay. So ist es auch bei der Kundin, die ihm abends am Automaten schnell zwei Pakete Eier abkauft. »Ich komme am Samstag vorbei«, kündigt sie zum Abschied an. Dann hat der Hofladen wieder geöffnet. (Ursula Sommerlad)
Auf dem Gipfel des Biebertaler Hausberges sind Lebensmittel nicht nur am Wochenende schwer zu bekommen. Gut, dass es hier oben die Dünsberg-Raststätte gibt. Die ist beileibe nicht nur bei wandernden Rentnern beliebt. Walker und Mountainbiker, Einheimische und Auswärtige treffen sich auf dem Gipfel - an der höchstgelegenen Theke im Kreis Gießen.