„Ich töte dich, ich zerstückele dich!“: Mann soll Frau vergewaltigt, fast getötet und Kinder entführt haben

Im Prozess gegen einen 34-Jährigen, der seine Ehefrau beinahe getötet haben soll, hat der Ermittlungsführer von zähen Befragungen und einer internationalen Fahndung berichtet.
Gießen - Es war der 9. Juli 2021, kurz nach 21 Uhr, »ein Freitag«, wie der 27-jährige Kriminaloberkommissar vor Gericht erwähnt. Eine schwerst verletzte Frau wird an jenem Abend per Hubschrauber von der Landesstraße zwischen Treis und Mainzlar weggeflogen, »mit herausquellendem Darm«. Vorher hatte eine Zeugin gesehen, wie die Frau aus einem fahrenden Pkw »herausgepurzelt« war und sich dann ihrer angenommen. »Wir mussten damit rechnen, dass sie niemals vernehmungsfähig wird«, sagt der Polizist. Doch bereits am Morgen danach konnte er erstmals mit der Frau sprechen. Sie hat überlebt - und tritt nun als Nebenklägerin im Prozess gegen ihren Ehemann auf. Er soll auf der Autofahrt mehrmals auf sie eingestochen haben, ehe sie sich befreien konnte. Der Mann ist wegen versuchten Mordes angeklagt, soll sie kurz zuvor vergewaltigt und sich dann mit den drei gemeinsamen Kindern ins Ausland abgesetzt haben.
Zwar war der 27-Jährige am Tatabend noch nicht involviert, doch er kennt die Akten gut, hat die Ermittlungen geleitet. »Scheiße Mann!«, habe sie in der Vernehmung am nächsten Morgen immer wieder über den Angeklagten gesagt und große Angst um ihre entführten Kinder geäußert. »Es gab massive Kommunikationsprobleme«, so der Zeuge. Beim ersten Gespräch sei noch kein Dolmetscher dabei gewesen, der in ihren kurdischen Dialekt übersetzen konnte.
Prozess um Mordversuch im Kreis Gießen: »Ich töte dich!«
Doch um bei der Suche nach den Kindern und dem Vater keine Zeit zu verlieren, habe man die Vernehmung trotzdem durchgeführt. Die internationale Fahndung habe in den ersten Wochen »absolute Priorität« gehabt. Immer wieder habe die Mutter ihn angerufen, wollte Hinweise bekommen haben, wo der Verdächtige sich aufhält. »Das war ihrem Charakter geschuldet, sie wollte helfen.« Auch die zweite Vernehmung der Frau, diesmal mit Dolmetscher und Anwältin, habe sich schwierig gestaltet. »Ein Wortprotokoll zu führen, war definitiv unmöglich.« Die Frau habe vermutet, »dass das alles geplant war«. Der Angeklagte soll an jenem Abend zu ihr gesagt haben: »Ich töte dich, ich zerstückele dich!« Die Tatwaffe ist bis heute nicht gefunden.
Die Informationslage sei anfangs »sehr dünn« gewesen, so der Zeuge. Nach der Erstürmung der Wettenberger Wohnung des Angeklagten durch Spezialkräfte habe nichts auf Reisevorbereitungen hingedeutet. Auch über den in den Niederlanden sichergestellten Fluchtwagen sei man nicht wirklich vorangekommen. Es habe »alternative Kommunikation« zwischen den Familien gegeben, »viel hinter den Kulissen, was niemals zu uns kommen wird«. Sogar in Irak, der Heimat des Paares, habe man die Kinder als vermisst gemeldet - nicht aber nach dem Vater gefahndet, da ihm dort die Todesstrafe gedroht hätte. Schließlich wurde er mit den Kindern an der bulgarischen Grenze gefasst und am 1. September ausgeliefert.
Prozess um Mordversuch im Kreis Gießen: »Rosenkrieg-ähnlich«
Der Ermittlungsführer berichtete auch von Anzeigen der beiden gegeneinander, die es in den Jahren vor der Tat gegeben habe, etwa wegen Körperverletzungen. Das sei »Rosenkrieg-ähnlich« zugegangen. Nachdem die Frau beim Prozessauftakt geäußert hatte, sie sei von der Familie des Mannes bedroht worden, um nicht gegen ihn auszusagen, hat der 27-Jährige auf Bitte des Gerichts auch dazu ermittelt. Es gebe allerdings nur einen Screenshot von einem Gesprächsverlauf, »aber keinerlei Belege, von wem diese Nachricht kommt«.
Außerdem sagte am Donnerstag ein Paar aus Treis aus, in deren Nachbarhaus die irakische Familie vor wenigen Jahren gewohnt hatte. Einmal habe sie am späten Abend geklingelt, weinend und schnell atmend behauptet, ihr Mann habe versucht, sie mit einem Gürtel zu erwürgen. Doch Würgemale habe man nicht erkennen können, meinten die Zeugen. Daher, so die damalige Nachbarin, habe sie die Geschichte nicht geglaubt, und »auch weil ich ihn bis heute anders einschätze«. Hilfsbereit sei der Angeklagte gewesen, auch nett im Umgang mit den Kindern. Ihre Aussage bei der Polizei, bei den Nachbarn sei »viel geschrieen« worden, relativierte sie nun. »Streit gibt‘s ja überall« - und »für uns Deutsche« redeten »Ausländer« ja immer etwas lauter.
Der dritte Verhandlungstag endete mit der Aussage einer 38-Jährigen. Dabei ging es um den Vorwurf der Vergewaltigung, den die Nebenklägerin bei ihren ersten Vernehmungen noch nicht geäußert hatte. Vor etwa vier Jahren sei sie über die Vermittlung einer Freundin in Kontakt mit der Nebenklägerin geraten. »Mein Mann ist nicht gut, er schlägt mich«, habe sie damals zu ihr gesagt und um Rat gebeten. »Ich habe gesagt: Geh lieber weg, damit nichts passiert!«, so die ebenfalls kurdische Zeugin. Nach der Tat habe es dann wieder Kontakt gegeben, die Frau habe von der Vergewaltigung berichtet. Sie habe ihr dann geraten, darüber mit ihrer Anwältin zu sprechen. Die Zeugin wurde auch gefragt, warum die Frau nicht schon früher über die Vergewaltigung gesprochen habe. Antwort. »Das ist peinlich, das ist die kurdische Mentalität.«