Gesund und gut fürs Klima
In Glasgow verhandeln die Regierenden dieser Welt über den Klimawandel. Aber Klimaschutz fängt vor der Haustür an. Eine wichtige Stellschraube kann die Ernährung sein, sagt Gesundheitsberaterin Elke Männle.
Frau Männle, was gibt es heute bei Ihnen zu essen?
Ich koche nachher für meine Mutter. Da muss ich schauen, was sie im Kühlschrank hat. Mein Mann und ich essen abends. Dann gibt es vorneweg etwas Frisches, Gemüse oder Blattsalat, und danach ein schönes Warmgericht. Wir essen vegetarisch.
Gemüse spielt eine Hauptrolle in dem Kurs, den Sie demnächst an der Kreisvolkshochschule halten.
Genau.
Da geht es um klimagesundes Essen. Was ist das?
Der Kurs heißt »Klimagesund essen - So gelingt’s mit Genuss« und das Motto lautet »Vom Wissen zum Handeln«, wir gehen also in die Umsetzung. Es ist ein Online-Kurs, wir bereiten Gerichte simultan zu. Die Infos fließen nebenher beim Plaudern mit ein.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Ernährung und dem CO2-Ausstoß?
Man kann überall lesen, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion etwa für ein Viertel des Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich ist. Allein auf die Massentierhaltung sind 15 Prozent zurückzuführen. Von daher ist die Reduktion von Fleisch und tierischen Lebensmitteln eine richtig gute Stellschraube. Ein Schwerpunkt des Kurses ist also die Frage, welche pflanzlichen Gerichte wir zubereiten können. Was schmeckt? Was ist schnell zu machen? Was erinnert vielleicht auch hier und da mal an Fleischgerichte, zum Beispiel durchs Würzen?
Bei dem Konzept geht es ja auch um saisonale Produkte.
Ja. Wir arbeiten in dem Kurs mit der Ökomodellregion Lahn-Dill-Gießen zusammen, es wird auch eine Expertin mit dabei sein. Diese Institution versucht in der Region, die landwirtschaftlichen Betriebe mit ins Boot zu holen. Dabei geht es um nachhaltige Produktion, aber auch um Vermarktung. Die Ökomodellregion hat einen Saisonkalender für Hessen herausgebracht, der im Kurs vorgestellt wird. Das ist eine tolle und wichtige Informationsquelle, die auf saisonale Produkte oder im Winter auch auf regionale Lagerware hinweist.
Sie sprechen gerade die Lagerware an. Jetzt, nach der Erntezeit, kann man aus dem Vollen schöpfen. Aber zu Jahresbeginn gibt es eine Zeit, in der das Angebot ein bisschen mager ist. Was mache ich also im Frühjahr?
Im Frühjahr haben wir kaum heimisches Obst. Wir haben Lageräpfel. Alles andere kommt wirklich von weither. Aber es gibt Kräuter und die ersten kleinen Gemüse: Frankfurter Grüne Soße, Kohlrabi, Radieschen, irgendwann auch Spargel. Man sollte also einen Schwerpunkt auf Gemüse legen. Das ist ohnehin besser als viel Obst zu essen. Birnen oder Trauben im Frühjahr kommen vom anderen Ende der Welt. Da muss man sich überlegen, ob man das wirklich braucht.
Wo bekomme ich denn regionale Lebensmittel? Wo gehe ich am besten einkaufen?
Einen guten Überblick bieten die Wochenmärkten. Da bekommt man Produkte, die gerade in der Region wachsen. Natürlich nicht nur, das Angebot wird auch aufgestockt. Ganz speziell für unsere Gegend hat die Ökomodellregion einen Einkaufsführer herausgebracht, der Direktvermarkter vorstellt. Er heißt »Gutes aus der Region«. Da kann man nachschauen, wo welche Produkte zu bekommen sind.
Ein Vorteil auf dem Wochenmarkt oder im Hofladen ist, dass die Sachen unverpackt sind.
Stimmt. Auf dem Wochenmarkt kann man den eigenen Beutel benutzen. Im Supermarkt ist es viel schwieriger, Plastikverpackungen zu vermeiden, leider gerade auch bei Bio-Gemüse. Das wird häufig zur Unterscheidung speziell abgepackt. Das Müllaufkommen ist immer noch viel zu hoch.
Laut Welthungerhilfe werden allein in Deutschland jährlich zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Eine riesige Verschwendung. Wie kann man die vermeiden?
Da gibt es verschiedene Ansätze. Effektiv ist eine Essensplanung und nur das einzukaufen, was man wirklich braucht. Wenn etwas übrig bleibt, kann man die Reste verwerten. Das thematisieren wir auch in dem Kurs. Dann ist da noch die Geschichte mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Ist es überschritten, muss das Produkt nicht im Müll landen. Man sollte es anschauen, daran riechen und vorsichtig probieren. Wenn es gut schmeckt, ist es in Ordnung. Beim Verbrauchsdatum für sehr empfindliche Ware wie Hackfleisch oder frischen Fisch sieht die Sache anders aus. Diese Produkte darf man nach Ablauf der Frist nicht mehr verwenden.
Man sollte sie also nicht kaufen, wenn man sie nicht gleich braucht.
So ist es. Da sind wir eigentlich schon beim nächsten Thema, nämlich bei der immensen Verschwendung durch die Fleischproduktion.
Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich Fleisch esse?
Schlechtes Gewissen hilft keinem. Aber ich kann mir überlegen, wie oft ich wirklich Fleisch essen will. Wenn ich es täglich zu mir nehme, kann ich mit einem Tag oder zweien anfangen, an denen ich das nicht mehr tue. Und man kann sich zum Ziel setzen, den Fleischgenuss im Laufe der Zeit weiter zu reduzieren. Das ist wirklich die größte Stellschraube, die wir haben.
Ist Fleisch gleich Fleisch?
Nein. Es macht einen Unterschied, welches Fleisch ich esse, ob es aus regionaler Produktion kommt oder von weither und aus der Massentierhaltung. Die riesige Mengen an Futtermitteln, die dafür gebraucht werden, sind in vielerlei Hinsicht ein Problem. Verlust von Anbauflächen, Wasserverschwendung, Emission von Treibhausgasen sind die Stichwörter. Da sind wir ganz schnell beim Thema Welternährung. Je mehr Fleisch wir produzieren, desto weniger Menschen können wir satt bekommen.
Vegane Ernährung liegt im Trend. Sind Sojadrinks, Tofu oder Seitan klimafreundlich?
Der menschliche Sojaverbrauch ist lange nicht so hoch wie die Sojaproduktion für Tierfutter. Viele Menschen, die sich vegan ernähren wollen, achten zudem kritisch auf die Herkunft der Produkte. Aber es gibt im veganen Bereich wahnsinnig viele Möglichkeiten, lecker zu kochen, ohne darauf zurückgreifen zu müssen. Es geht im Kern ja um die Versorgung mit Eiweiß. Da bieten sich Hülsenfrüchte an, die haben einen sehr hohen Eiweißgehalt. Ebenso Vollkorngetreide oder Nüsse. Wir müssen nicht auf Eiweißkonzentrate aus Soja oder Weizen, wie etwa Seitan, zurückgreifen. Aber natürlich ist es zwischendurch auch mal schön, etwas damit zu machen.
Was empfehlen Sie Menschen, die nicht gerne kochen und sich trotzdem klimagesund ernähren möchten? Geht das überhaupt?
Es geht auf jeden Fall. Auch da kann man sich ein bisschen schulen. Die »Wohltuende Ruckzuck-Küche« ist zum Beispiel ein Thema, das ich in Kursen gerne anbiete. Es geht um die Frage, wie ich gesunde, nachhaltige Ernährung über die Arbeitswoche organisiert bekomme. Da gibt es eine ganze Palette von Möglichkeiten, zu planen, Mahlzeiten geschickt zusammenzustellen, vorzukochen und aus einmal Kochen dann drei unterschiedliche Gerichte zu zaubern. Von der Volkshochschule wird es demnächst dazu ein Video bei Youtube geben. Anfang Februar 2022 ist ein Kurs geplant. Dann hoffentlich in Präsenz.