Gemeinsame Kraftanstrengung
Wohnungen stehen bereit, und Gästezimmer sind eingerichtet: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden allerorten im Landkreis mit Herzenswärme begrüßt. Ein Info-Abend in Annerod zeigte auch Probleme auf - jene bürokratischer Natur.
Mitternacht war längst vorbei, als sechs völlig erschöpfte Flüchtlinge endlich von behördlicher Seite in Fernwald-Steinbach, ihrem neuen Wohnort auf Zeit, abgeliefert wurden - allerdings nicht in einer Gastfamilie, sondern in einem örtlichen Hotel. Der Grund: Es war schlicht zu spät geworden, um die »Zuweisungen« bei privaten Gastgebern innerhalb der Großgemeinde vorzustellen. Seitdem sind Tage vergangen - die Ukrainer sind noch immer im Hotel.
Der Vorgang wurde am Dienstagabend bei einem Info-Abend im Bürgerhaus in Annerod thematisiert. Eingeladen hatte die Gemeinde Fernwald in Kooperation mit der Gemeinwesenarbeit Fernwald (ZAUG gGmbH); rund 50 Interessierte waren gekommen.
Zurück nach Steinbach: Die Dinge gehen ihren behördlich festgelegten Gang. Zunächst habe die Gemeindeverwaltung abzuklären, ob es sich bei den »Zuweisungen« etwa um einen Familienverband handelt, informierte Ordnungsamtsleiter Mathias Wiesner. Allein wegen der sprachlichen Hürden und der teils unleserlichen Papiere nicht einfach zu ermitteln.
Unterdessen wartet ein Ortsbürger darauf, dass eine von ihm eigens für Flüchtlinge eingerichtete Wohnung in seinem Haus ihrem Zweck entsprechend bezogen wird.
Vier, fünf Menschen könne er aufnehmen, hatte der Mann den Behörden mitgeteilt. Und mag es nicht verstehen: »Wieso sitzen die Leute noch immer im Hotel? Bei uns ist doch Platz. Und können sie noch vor Ostern zu uns umziehen? Da muss man doch entsprechend vorsorgen und etwas einkaufen.« Wiesner indes zeigte nachvollziehbar auf, dass Kommunen mit der Fülle zusätzlicher Aufgaben schlicht überfordert sind: »Wir tun seit 14 Tagen nichts anderes, als Wohnraum zu akquirieren, zu begutachten und und und. Wir können nicht hexen.«
Es sind die »kleinen« Probleme, an denen hilfswillige private Gastgeber bisweilen verzweifeln: Ohne Begleitung etwa zu Ämtern und Ärzten kommen Ukraine-Flüchtlinge nicht zurecht. »Man kann nicht seinen ganzen Jahresurlaub fürs Anmelden der Gäste drangeben«, meldete sich einer der Gastgeber in Annerod zu Wort, der solches Prozedere wiederholt mitgemacht hat.
Erleichtert werden könnten Situationen wie diese durch eine Vernetzung der Ehrenamtlichen vor Ort: Tobias Hennemuth stellte die vor vier Wochen von einem Helferkreis in Annerod gegründete Ukraine-Hilfe vor (die GAZ berichtete): Für die Flüchtlinge wurde inzwischen ein »Marktplatz« in der Alten Schule geschaffen. Die Kirchengemeinde stellt Räume für die Betreuung ukrainischer Kinder bereit.
Namens des rührigen Helferteams von »Willkommen in Fernwald«, das seit der Flüchtlingswelle im Herbst 2015 in Steinbach besteht, zollte Gerd Espanion den Annerödern Respekt: »Wir würden uns unheimlich gern mit euch vernetzen, um effektive Arbeit zu leisten. Wir wissen, wovon ihr redet.« Gesagt, getan: An einer Ostereier-Aktion der »Steinbacher« heute und am Karfreitag im Foyer der Fernwaldhalle sind ukrainische Kinder »aus Annerod« bereits angemeldet.