1. Gießener Allgemeine
  2. Kreis Gießen

Gemeinsam gegen den Mähtod

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Christina Jung

Kommentare

ti_rehkitz_020622_4c
Dieses Rehkitz hat es geschafft, wurde von einer Drohne im hohen Gras aufgespürt und vor der Mähmaschine in Sicherheit gebracht. FOTO:: JOHANNITER/MANUEL SCHWEIGER © pv

Zerfetzte Tierkörper sind kein schöner Anblick. Bei der Wiesenmahd finden aber immer wieder Rehkitze den Tod. Ganz ist das nicht zu vermeiden, Schutzvorkehrungen sind aber zu treffen. Passiert das nicht, macht sich der Landwirt strafbar.

Der Fund war schockierend: An einem Sonntag im Mai entdeckte eine Spaziergängerin auf einer Wiese in Geilshausen Beine, Kopf und Torsos von Rehkitzen. Raubvögel kreisten über der gut drei Hektar großen Fläche. Die Tiere waren Opfer einer Mähmaschine geworden. Der Fall sorgte für Aufsehen, weil der verantwortliche Landwirt in einem Gerichtsverfahren zu einer Geldstrafe von 7500 Euro verurteilt wurde. Das Ganze ist fünf Jahre her, die Thematik gerade aber wieder hochaktuell. Denn zurzeit bekommen die Rehe Nachwuchs und verstecken ihn zum Schutz vor Feinden in den Feldern. Mitten in der Mahd-Saison. Viele Wiesen werden gerade gemäht, aber nicht jeder trifft zuvor Vorkehrungen zum Schutz der Tiere.

Wolfgang Heßler weiß das. Seit 20 Jahren ist er Vorsitzender der Licher Jagdgenossenschaft und jedes Frühjahr mit der Thematik konfrontiert. Denn die Jägerschaft unterstützt die Bauern bei der Suche und Rettung der Tiere. Ganz vermeiden lasse sich der Mähtod nicht, sagt Heßler. An der Vorsorge führe dennoch kein Weg vorbei. Wie diese aussehen kann, darüber informiert unter anderem die Jägervereinigung Oberhessen in einem Ratgeber zur Wiesenmahd, in der sich Hinweise zur Jungwildrettung finden, die im wesentlichen auf drei Eckpfeilern beruht: Vergrämung, Suche, angepasste Mähtechnik.

Zur Vergrämung eignen sich beispielsweise Scheuchen, Flatterbänder, Plastiktüten oder akustische Geräte. Das systematische Absuchen der Flächen kann mittels Jagdhund, Menschenkette oder einer mit Kamera ausgestatteten Drohne erfolgen. Den Einsatz Letzterer bietet die Jägervereinigung seit vergangenem Jahr an, hat viel Geld dafür in die Hand genommen. Zwei Geräte und acht ehrenamtliche ausgebildete Drohnen-Piloten stehen zur Verfügung, berichtet Vorsitzender Helmut Nickel. Was die Mähstrategie angeht, wird die Bearbeitung von innen nach außen empfohlen.

»All das bietet keinen 100-prozentigen Schutz«, sagt Wolfgang Heßler. »Aber man kann beruhigt mähen und ist gesetzlich auf der sicheren Seite.« Denn wer eine Fläche bewirtschaftet und vor der Mahd keine Schutzvorkehrungen trifft, begeht eine Straftat. Bis zu drei Jahre Freiheits- oder eine Geldstrafe drohen dem, »der ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet«, ihm aus Rohheit erhebliche Schmerzen, Leiden, länger anhaltende, sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt, heißt es in Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes.

Alles dafür tun, um den Rehkitztod zu verhindern, ist also Aufgabe des Landwirtes beziehungsweise von dem, der eine Wiese bewirtschaftet. Aber Jäger sind wichtige Kooperationspartner. Sie unterstützen die Bauern oder setzen Schutzmaßnahmen für sie um. Laut Daniel Seipp, Vorsitzender des Bauernverbandes Gießen/Wetzlar/Dill, ist das auch nötig, denn die Landwirte hätten oft nicht die notwendigen zeitlichen und personellen Kapazitäten, um die geforderten Schutzvorkehrungen zu ergreifen. »Wir brauchen die Kooperation mit den Jägern«, sagt Seipp. Und wenn es nach ihm geht, könnten sich hier auch die Naturschutzvereine verstärkt einbringen.

Im Großen und Ganzen laufe die Kooperation gut, findet Seipp. Probleme gebe es, wenn die Protagonisten vor Ort nicht miteinander könnten. Informationen zum Thema Rehkitzrettung gebe der Bauernverband immer wieder heraus, beispielsweise über die Fachpresse wie das landwirtschaftliche Wochenblatt oder Broschüren, so Seipp. Das Thema sei in den vergangenen Jahren präsenter geworden.

Dafür spricht, dass sich mittlerweile auch andere Organisationen in der Rehkitz-Rettung engagieren, konkret die Johanniter Unfallhilfe. Der Regionalverband Rhein-Main bietet - wie die Jägervereinigung Oberhessen - den Einsatz ehrenamtlicher Helfer an, die mit einer Drohne Jungtiere im hohen Gras aufspüren und retten, bevor es gemäht wird. Für die Landwirte ist das kostenfrei.

Hintergrund des Engagements: Die Piloten der Drohnenstaffel, die eigentlich bei Personensuchen zum Einsatz kommen, müssen eine bestimmte Anzahl Flugstunden nachweisen und kommen auf diesem Weg zu den geforderten Praxiszeiten, sagt Monika Gorny, Pressesprecherin der Johanniter Unfallhilfe Rhein-Main: »Die Piloten üben, sammeln Stunden und tun gleichzeitig Gutes. Wir schlagen also zwei Fliegen mit einer Klappe.« Damit sich Fälle wie der vor fünf Jahren in Geilshausen nicht wiederholen.

Auch interessant

Kommentare