Für jeden das passende Dippchen

Seit 70 Jahren gibt es eine Töpferei in der Dippemühl in Lich. Vor Kurzem hat Kati Gerstmann das groß gefeiert. Gerade in der Corona-Zeit hatten es Kunsthandwerker nicht einfach. Dabei ist Gerstmann nur noch eine der wenigen, die die aufwendige Schlickertechnik zum Einfärben verwendet.
Bestimmt könnte auch das Telefon in der Dippemühl schon die ein oder andere Geschichte erzählen. Vollgeschmiert mit Ton liegt es gerade auf dem Tisch. Daneben schreibt Kati Gerstmann die nächste Bestellung mit einem Bleistift auf einen kleinen Block. Zwei Kindertassen sollen es werden, eine mit einem Pferde- und eine mit einem Dromedar-Motiv.
»Ich liebe es einfach, mit Kunden zusammen etwas zu entwickeln«, sagt Gerstmann. Schon seit 23 Jahren töpfert sie in der Dippemühl in Lich. Das ist nun schon ihr halbes Leben, denn schließlich ist sie 46 Jahre alt. Die Töpferei Dippemühl gibt es schon länger. Seit 70 Jahren entstehen dort viele schöne Sachen aus Ton: Teller, Tassen, Schüsseln, Türschilder und vieles mehr.
Schon als Kind war Kati Gerstmann von allem Handwerklichen fasziniert. »Meine Mutter ist immer in jede Töpferei hineingegangen«, erinnert sie sich. »Ich fand schon immer den erdigen Geruch toll.« Aufgewachsen ist sie in Schwalmstadt-Ziegenhain. Im Nachbarort Treysa gab es die Töpferei von Werner Dörrbecker. Auch er hatte schon Verbindung zur Dippemühl und war bei ihren Anfängen 1952 mit dabei.
Nachdem Dörrbecker 1967 aus einer fünfjährigen Auszeit aus der Schweiz zurückkehrte, gründete er gemeinsam mit seiner Frau Monika eine eigene Töpferei in Treysa. »Ich habe dort ein Praktikum gemacht und war fasziniert von der Arbeit«, erzählt Gerstmann, die dann aber erst mal eine Ausbildung zur Schreinerin absolvierte. Nachdem sie das Fachabi nachgeholt hatte und eigentlich studieren wollte, bekam sie einen Anruf von Monika Dörrbecker. »Sie hat gefragt, ob ich nicht Lust habe, bei ihr eine Ausbildung zu machen.« Gerstmann war die letzte Auszubildende der Dörrbeckers, im gleichen Jahr als sie ihren Abschluss machte, 1999, verstarb Werner Dörrbecker. In der Berufsschule lernte Gerstmann Regina Fleischmann kennen, die wiederum Ursula Engert aus der Dippemühl als Lehrmeisterin schätzen durfte.
Als Engert im November 1999 mit 85 Jahren in den Ruhestand geht, entschlossen sich Fleischhauer und Gerstmann gemeinsam, in Lich weiterzumachen. Im April 2006 verließ Fleischmann die Dippemühl. Seither töpfert Gerstmann dort alleine.
»Das Faszinierende an dem Beruf sind für mich die vielen Arbeitsschritte die nötig sind«, sagt Gerstmann. »Und, dass man alles selbst macht: Von der Annahme der Bestellung, dem Zuschneiden des Tons, dem Formen, Bemalen und letztlich dem Brennen sind viele Schritte nötig, bis ein Teller oder eine Schüssel entsteht und sie dann vom Kunden abgeholt werden kann.«
Nicht mehr viele Töpfereien verwenden für das Dekorieren die Schlickertechnik. Sie ist sehr aufwendig. Die Farbe ist weißer, flüssiger Ton, mit Farbkörpern eingefärbt. Es ist keine Glasur. Erst nach dem Auftragen wird gebrannt. »Sie ist die älteste Technik«, erzählt Gerstmann. »Ich male heute mit Malhörnchen, früher hat man dafür Kuhhörner verwendet.« Während der Corona-Zeit hat Gerstmann ihr Repertoire um weitere Farben ergänzt, um einen breiteren Kundenkreis anzusprechen.
Einige Muster in der Dippemühl stammen noch von Ursula Engert, etwa die Sterne, die Entchen oder auch Motive, die sie in der hessischen Stickerei gefunden hat. »Ich tüftele am liebsten mit dem Kunden zusammen etwas aus«, sagt Gerstmann. Große Freude hat sie an den Spruchschildern, die Aufschriften tragen wie: »Vielleicht mag Brokkoli dich auch nicht«. »Und ich drehe auch gerne Becher«, erläutert die Keramikerin. Ganz aktuell hat sie auch einige Magnete in den Farben der ukrainischen Flagge angefertigt. Sie können gegen eine Spende für die Hilfe, die zwei Ukrainerinnen organisieren, die in der Mühle eine Unterkunft gefunden haben, abgegeben werden.
Schon immer waren auch Hunde in der Töpferei willkommen. Bei Gräfin von Arnim waren es beispielsweise die beiden Möpse Maika und Moritz. Heute macht es sich Kalle vor den beiden Brennöfen gemütlich. Auch wenn er ein bisschen grimmig dreinschaut, er ist aus dem Tierschutz und vereint englische Bulldogge und Cockerspaniel in sich, ist er ein freundlicher Vierbeiner. Das steht auch auf dem getöpferten Schild an der Eingangstür: »Der Hund ist lieb«. Jetzt muss man nur noch hineintreten und kann dann das passende Dippchen finden.