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Für die guten Orte von morgen

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Von: Ursula Sommerlad

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Staufenberg als Beispiel: Mit ihren selbst gebauten SNAK-Boxen rufen Kinder dazu auf, Müll nicht achtlos in die Landschaft zu schmeißen, sondern ordentlich zu trennen. ARCHIV © Volker Heller

Sich einbringen. Mitentscheiden. Verantwortung übernehmen. Viele junge Leute tun das gerne. Aber man muss auf sie zugehen. Sieben Kommunen im Landkreis Gießen haben dazu nun einen grundlegenden Schritt unternommen.

Marian Moldenhauer ist die große Ausnahme. 21 Jahre jung und Mitglied der Staufenberger Stadtverordnetenversammlung. »Der einzige junge Mensch im Parlament«, sagt Bürgermeister Peter Gefeller. »Dann geht es jenseits der 50 weiter. Oder eher noch jenseits der 60.« Genau hier liegt das Problem. In den Kommunalpalamenten werden Entscheidungen getroffen, die in die Zukunft wirken. Doch diejenigen, die später mit den Konsequenzen leben müssen, sind nicht daran beteiligt. Oft genug werden sie noch nicht einmal gehört.

Damit sich das ändert, gibt es die Initiative »Jugendgerechte Städte und Gemeinden - jugendgerechter Landkreis«. Sie will Beteiligung junger Menschen sicherstellen und gute Lebensbedingung für sie schaffen. Ein erster Etappenerfolg wurde am Freitag gefeiert: Sieben Kommunen besiegelten nun auch öffentlich eine Kooperationsvereinbarung mit dem Landkreis. Sie verpflichten sich zur Umsetzung der Ziele der Initiative und können im Gegenzug auf die Beratung und Unterstützung der Fachleute in der Kreisverwaltung zählen.

Zudem gibt es Projektmittel. Jede Maßnahme wird mit 2500 Euro gefördert, erläuterte Ingrid Macht, die Teamleitung der Jugendförderung, in der Volkshalle in Watzenborn-Steinberg. Dort hatten sich Bürgermeister, Jugendbeauftragte, Verantwortliche aus den Jugendpflegen und Mitglieder des Busecker Kinder- und Jugendbeirats versammelt, um die Ziele vorzustellen und sich von einigen Erfahrungen aus der Praxis inspirieren zu lassen.

Buseck, Laubach, Linden, Lollar, Pohlheim, Rabenau und Staufenberg haben sich der Initiative als erste angeschlossen. »Sie sind das gute Beispiel«, lobte Landrätin Anita Schneider. Sie hofft, dass weitere Kommunen folgen werden und verwies in diesem Zusammenhang auf die Hartnäckigkeit Machts und der Fachdienstleiterin Simone Hackemann. »Danke, dass sie dran geblieben sind.«

Die Teamleiterin hat sich eine Feststellung des Bildungsforschers Klaus Hurrelmann zu Herzen genommen: Die jetzige Jugendgeneration sei so klein, dass sie über Wahlen keinen Einfluss nehmen könne. Umso mehr müsse deshalb gerade die Kommunalpolitik auf die Bedürfnisse von jungen Leiten eingehen, lautet Machts Schlussfolgerung. Dass es dabei nicht allein mit gutem Willen getan ist, haben viele Akteure bei ihrer Arbeit vor Ort gemerkt. »Man muss die Menschen abholen, die unsere Zukunft gestalten sollen«, sagt Jugend- und Sozialdezernent Hans-Peter Stock.

Wie das gehen kann, erläuterten Akteure aus Staufenberg, Pohlheim und Buseck an konkreten Beispielen. In Staufenberg sind Jugendliche nach ihren Wünschen gefragt worden, als es um die Zukunft der Sporthalle in Treis ging. Marian Moldenhauer in seiner Eigenschaft als Jugendbeauftragter und Jugendpfleger Sven Iffland haben dazu ein Video auf Instagram verbreitet und auf diesem Weg viele Anregungen erhalten. In Buseck, wo es seit 23 Jahren einen Kinder- und Jugendbeirat gibt, haben die Gemeindewerke angeklopft, als es um die Ausstattung eines neuen Spielplatzes ging. »Nicht alle Wünsche gingen in Erfüllung, aber einiges wurde umgesetzt«, berichte Beiratsvorsitzende Svenja Koch. Buseck war darüber hinaus Wegbereiter einer Idee, die inzwischen auch andernorts Nachahmer gefunden hat. Schon bei der Kommunalwahl 2021 saßen rund 30 junge Leute in den Wahlvorständen. »Manche haben ihre Eltern in die Wahllokale mitgebracht«, berichtete Jugendbeauftragter Norbert Weigelt.

Es kommt aber auch vor, dass junge Leute die Initiative ergreifen und ihre Wünsche an die Politik herantragen. In Staufenberg war das nach einem Umweltprojekt der Jugendpflege der Fall. Von dem Müll, der überall herumliegt, waren die beteiligten Kinder so genervt, dass sie mit Unterstützung Behälter für die Getrenntsammlung bauten, sogenannte SNAK-Boxen. SNAK steht für »Staufenberg Nachhaltig Kids« und die gleichnamige Erfindung am Radweg in der Staufenberger Mitte.

Ein ziemlich großes Rad dreht aktuell die Jugendarbeit in Pohlheim. Sie konnte sich für das Projekt »Jugend entscheidet« die Unterstützung der Hertie-Stiftung sichern, berichteten Jugendbeauftragter Lukas Budak und Jugendpflegerin Elke Leyrer.

Andernorts steht man noch am Anfang eines langen Weges, wie zum Beispiel die Bürgermeister von Laubach und Rabenau, Matthias Meyer und Florian Langecker, berichteten. Dort müssen erst einmal personelle Voraussetzungen geschaffen werden. Denn in diesem Punkt waren sich alle einig: Ohne Unterstützung und Strukturen führt die Beteiligung von Jugendlichen ins Leere.

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