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Frischer Blick auf »Woyzeck«

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Von: Constantin Hoppe

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Markus Bender, Andreas Eikenroth und Sven Görtz (v. l.) setzen gemeinsam Georg Büchners »Woyzeck« in Szene. FOTO: CON © Constantin Hoppe

Einen ganz neuen Blick auf den Unterrichtsstoff hatten am Montag die Schüler an der Clemens-Brentano- Europaschule in Lollar.

Der Woyzeck ist ein armer Kerl. Fast könnte man Mitleid mit dem einfachen Soldaten haben, der versucht, von seinem wenigen Geld seine Geliebte Marie und das uneheliche Kind zu versorgen. Der deshalb selbst kleinste Arbeiten annimmt und sich als Versuchskaninchen hergibt. Aber nur fast, denn schließlich zerbricht er an den Erlebnissen, greift zum Messer und wird ein Mörder.

Karl Georg Büchners fragmentarischen Roman »Woyzeck« dürften die meisten noch aus dem Schulunterricht kennen. In der Aula der Clemens-Brentano-Europaschule (CBES) konnten sich die Schüler des zwölften Jahrgangs am Montag auf eine ganz neue Art und Weise mit dem Werk befassen - in Form einer vertonten Graphic Novel.

Mit Beginn der Corona-Pandemie vor über zwei Jahren machte sich die Leitung der Volkshochschule Landkreis Gießen (VHS) Gedanken darüber, ein kulturelles Angebot trotz geltender Kontaktbeschränkungen zu verwirklichen. So entstand die Idee, die 2019 erschienene Graphic Novel »Woyzeck« von Andreas Eikenroth als verfilmte Lesung aufzubereiten. Neben Eikenroth selbst wirkte an dem Projekt auch der erfahrene Hörbuchsprecher Sven Görtz aus Staufenberg mit. Die Aufnahmen übernahm Markus Bender. Rund 40 Minuten Film- und Toninszenierung sind dabei herausgekommen, die am Montag in der CBES erstmals außerhalb der VHS vorgeführt wurden. Die Resonanz der Schüler war durchgehend positiv: Sowohl die Zeichnungen Eikenroths, als auch die kleinen filmischen Kniffe Benders wurden von den Zwölftklässlern gelobt. Besonders hervorgehoben wurde jedoch Sven Görtz, der den Figuren ihre Stimme verlieh und so der Inszenierung seinen ganz eigenen, interpretatorischen Stempel aufdrückte.

Auch einer der Kniffe Eikenroths, um seinen Comic besser zugänglich zu machen, fiel den Schülern sofort ins Auge: Im expressiven Comicstil gezeichnet, verlegte er die Handlung aus Büchners Lebenszeit auf die rund 100 Jahre spätere Epoche der Weimarer Republik. »Die Weimarer Republik ist für uns heute präsenter als die Lebenszeit Büchners. Zudem war die politische Situation in Deutschland ähnlich«, sagt der Zeichner. Der Handlung kommt das sogar eher noch zugute, denn das dreckige, hektische und verwirrende Zeitalter der Industrialisierung lässt sich fast nahtlos mit Büchners Themen zusammenfügen«, so Eikenroth.

Im Deutschunterricht sind Comics ein Medium, das wenig Beachtung erfährt. Comics und Graphic Novels werden oft unterschätzt, dabei können sie komplexe Sachverhalte gut vermitteln, indem sie zusätzlich zum Text optisch Informationen weitergeben. »Das unterschätzte Genre der Comics erlaubt einen zeitgenössischen und fachübergreifenden Zugang zu Texten«, resümierte deshalb auch der Schulleiter der CBES, Andrej Keller.

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