Flaute am Beckenrand? Freibäder haben kein Personal
Die Freibäder im Kreis Gießen erleben derzeit großen Andrang. Doch Personalmangel und die Corona-Pandemie machen deren Betrieb schwer.
Gießen - Sommer, Sonne, 30 Grad und mehr. Da liegt der Gang ins Freibad nicht fern. Mancherorts mangelt es allerdings am Personal. Ein deutschlandweites Problem, das vor dem Landkreis Gießen nicht haltgemacht hat.
Ein weitläufiges Gelände am Stadtrand, umgeben von hohen Bäumen und mittendrin ein kühles Nass: Die Idylle des Hungener Freibades lockt alljährlich in den Sommermonaten zahlreiche Besucher und die kommen nicht nur aus der Schäferstadt. Allerdings ist der Badespaß an der Albert-Schweitzer-Straße aktuell getrübt, denn wegen Personalmangels hat die Freizeitstätte nur eingeschränkt geöffnet.
Kreis Gießen: Hungener Freibad muss Badezeiten reduzieren
Es fehlen Rettungsschwimmer, aber auch andere Beschäftigte. Ein Problem, mit dem nicht nur Hungen umgehen muss. Im Bereich der Aufsicht beziehungsweise bei den Rettungsschwimmern hatte die Stadt vor der Corona-Pandemie zwei Festangestellte und drei Aushilfen beschäftigt. Das war auch für diesen Sommer so vorgesehen.

Doch zwei von drei Aushilfen haben kurzfristig abgesagt, sagt auf Anfrage Bürgermeister Rainer Wengorsch. Dazukommen krankheitsbedingte Ausfälle. Die Konsequenz: Die gewohnt langen Öffnungszeiten - vor der Pandemie von 7 bis 20 Uhr zwischen Juni und August - sind in diesem Sommer nicht zu halten. Das Bad öffnet erst um 10 Uhr und schließt bereits um 19 Uhr. Seit Mitte Juli gibt es immerhin dienstagmorgens zwischen 7 und 8 Uhr ein Angebot für die Frühschwimmer.
Kreis Gießen: Kaum Fachkräfte – Organisation des Schwimmbadbetriebes aufwendig
Im Licher Waldschwimmbad sieht die Situation nicht besser aus. Nur in den Sommerferien kann der Betreiberverein SEK (Sport, Erholung & Kultur) die Öffnung ab 10 Uhr garantieren, danach erst wieder nachmittags ab zwei. »Ich finde keine Leute, die sich vormittags hierher stellen«, sagt SEK-Vorsitzender Joachim Siebert.
Hatte der Verein bis ins vergangene Jahr noch eine ausgebildete Fachkraft in Vollzeit im Einsatz, stehen ihm aktuell ausschließlich Aushilfen zur Verfügung, die zudem meist nur eingeschränkt einsetzbar sind. Andererseits braucht es in diesem Job Flexibilität, weil je nach Besucheraufkommen unterschiedlich viele Aufsichtspersonen benötigt werden. Siebert: »Das macht die Organisation sehr aufwendig.«
Kreis Gießen: Personalnot führt im Licher Waldschwimmbad zu neuen Ideen
In seiner Not hat der SEK zwecks Personalrekrutierung in diesem Jahr etwas Neues versucht. Für alle, die sich für einen Job im Waldschwimmbad interessierten, wurden über die Licher DLRG Rettungsschwimmabzeichen-Kurse organisiert und sogar bezahlt, was aber auch nicht alle Probleme gelöst hat.
Vor allem in den Randzeiten bedeutet das für Vereinsmitglieder mit entsprechender Qualifikation, dass sie am Beckenrand Dienst schieben müssen, um der Flaute zu begegnen.
In Laubach kennt man die Sorge um das Personal ebenfalls. Anfang des Jahres hatte dort eine der Festangestellten gekündigt, doch mittlerweile hat sich die Situation entspannt. Zum 1. Juli wurde das Team um einen Fachangestellten für Bäderbetriebe und eine Auszubildende in diesem Bereich ergänzt, zudem kann man auf einen Pool an Rettungsschwimmer-Aushilfen zurückgreifen. Michael Köppen, Geschäftsführer der Laubacher Kultur und Bäder GmbH spricht von einer »privilegierten Situation«.
Kreis Gießen: Hohe Infektionszahlen machen die Situation auf dem Arbeitsmarkt schwer
Das gilt auch für die von der A. Schmeh GmbH und Co. KG betriebenen Freibäder in Grünberg und Ettingshausen sowie das vereinsgeführte Holzheimer Freibad. »Wir sind gut mit Personal ausgestattet«, sagt Alexander Schmeh, Geschäftsführer der gleichnamigen Gesellschaft, auch wenn die hohen Infektionszahlen die ohnehin schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt aktuell erschwere. »Man muss schieben«, sagt Schmeh. Aber das habe in Grünberg und Ettingshausen bisher ohne Einschränkungen der Öffnungszeiten funktioniert.
»Wir leben momentan in dem Luxus, mindestens eine Badeaufsicht stellen zu können«, sagt auch Renate Thimm, Vorsitzende des Fördervereins Schwimmbad Holzheim. Wobei es sich bei diesen nicht mehr um die früher vielfach eingesetzten Studenten handele, sondern um »Menschen mit festen Jobs«, die sich häufig deshalb engagierten, damit die Freizeiteinrichtung im Pohlheimer Stadtteil erhalten bleibt.

Doch auch wenn es für Holzheim, Grünberg und Ettingshausen passt - die Personalproblematik in Bädern ist deutschlandweit ein Thema, das vor dem Kreisgebiet nicht haltgemacht hat. Eine Erklärung dafür könnte in der Corona-Pandemie zu finden sein. Denn in den vergangenen beiden Jahren sind die Zahlen derer, die das Rettungsschwimmabzeichen gemacht haben, stark zurückgegangen.
Kreis Gießen: Nur wenige Absolventen und Probleme durch die Corona-Pandemie
»Die Ausbildung war uns während der Lockdowns verboten«, berichtet Holger Schwarzer, Leiter Ausbildung beim DLRG-Bezirk Gießen-Wetterau-Vogelsberg. Und ohne Praxis sei die Erlangung der Qualifikation nicht möglich. Zwar habe man die Zeit zwischen den Lockdowns intensiv genutzt und mittlerweile steigen die Ausbildungszahlen wieder. »Aber wir sind bei Weitem noch nicht auf Vor-Pandemie-Niveau«, so Schwarzer.
Beim Blick auf die bestandenen Abschlussprüfungen im Ausbildungsberuf zum Fachangestellten für Bäderbetriebe stellt sich die Situation wie folgt dar: Während die Zahl der Abschlüsse laut statistischem Bundesamt zwischen 2007 und 2014 um mehr als ein Viertel (26,3 Prozent) zurückging, stieg sie in den Folgejahren wieder an, lag 2020 sogar über dem Niveau von 2007. Ein riesiger Pool an Fachangestellten für Bäderbetriebe steht dennoch nicht zur Verfügung.
Deutschlandweit pendelten die Absolventenzahlen im genannten Zeitraum zwischen 387 (2007) und 420 (2020). Im Bereich der IHK Gießen-Friedberg sind es meist weniger als eine Handvoll erfolgreicher Prüflinge. In den vergangenen zehn Jahren lag die Anzahl zwischen null und acht.
Für viele Schwimmbadbesucher heißt das in diesem Sommer: Einschränkungen hinnehmen und auf bessere Zeiten hoffen. (ti)
Um Energie zu sparen, hat die Stadt Gießen vor kurzem entschieden, das Schwimmbad in der Ringallee während der Sommerferien ganz zu schließen.