Kreis Gießen: Überraschende Pläne für leerstehendes Traditionsgasthaus

Die Gaststätte „Zur Krone“ in Annerod steht seit rund einem Jahr leer. Das könnte sich bald ändern. Fünf Anneröder haben die Immobilie gekauft und wollen die Kneipe wiedereröffnen.
Fernwald – Sie war Treffpunkt für Vereine, Stammtische und Altersvereinigungen. Sie war Veranstaltungsort für Geburtstage, Konfirmationen und andere Feierlichkeiten. Sie war lange Zeit begehrtes Ausflugsziel für hungrige Gießener, die sie meist über den sogenannten Butterweg ansteuerten. Das ehemalige Traditionsgasthaus »Zur Krone« in Annerod, mehr als 45 Jahre lang Wirkungsstätte von Marianne und Günter Stiebing, ist seit rund einem Jahr geschlossen. Wenn es nach fünf Annerödern geht, wird sich das zeitnah ändern.
Gemeinsam hat das Quintett die Dorfmitte Annerod Immobilien GmbH gegründet, deren Geschäftsführer Christoph Carle ist, und das Objekt gekauft. Der Plan: Das Gebäude umbauen, günstigen Wohnraum schaffen und mit einem Pächter die Kneipe wieder aufmachen. Der Bauantrag ist gestellt, Förderanträge sind in Arbeit. Wenn alles glatt läuft, sollen die Apartments im Sommer 2022 bezugsfertig sein, das Lokal vielleicht schon etwas früher öffnen. Soweit die Kurzfassung.
Fernwald-Annerod: Stammtisch erarbeitet Konzept für Traditionsgasthaus
Rückblick: Im Januar 2018 war öffentlich geworden, dass Marianne und Günter Stiebing, der mittlerweile gestorben ist, die Gaststätte abgeben und das Haus im Tiefenweg verkaufen wollen. Die Wirtin hatte sich diesbezüglich auch an den Bürgermeister gewandt und in kleinem politischen Kreis wurde überlegt, wie die Zukunft des Gebäudes, das zu den ältesten in Annerod zählt, aussehen könnte. Ein Pilotprojekt unter Federführung der Gemeinde wie in anderen Kommunen vielleicht? Eine Übernahme durch die Brauerei? Letztlich blieb es in diesem Rahmen bei Gedankenspielen, und schließlich schloss Marianne Stiebing vor rund einem Jahr die Pforten.
Zuvor allerdings war bei einem der Stammtische in eben jener »Krone« eine Idee zu dem historischen Gebäude mit denkmalgeschützter Fassade gesponnen worden. Quasi aus einer Bierlaune heraus. Von drei der Investoren. »Das Objekt schien aus unserer Sicht zu schade, um es den Bach runter gehen zu lassen«, sagt Christoph Carle und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu, dass ein Aus der Kneipe ja auch das Ende des Stammtisches bedeuten würde.
Zwei weitere Mitstreiter kamen an Bord, ein wirtschaftlich tragfähiges Modell wurde erdacht. Heißt konkret: Die beiden Wohnungen im ersten und zweiten Stock und der Saal werden zu fünf Apartments umgebaut, die durch das Erdgeschoss über ein zweites, neu zu schaffendes Treppenhaus erreichbar sein sollen. Das Erdgeschoss mit Gasträumen und Küche wird renoviert, der ursprüngliche Charme des Lokals erhalten. Kosten für Umbau und Renovierung: rund 750 000 Euro.
Fernwald-Annerod: Wohnungen entstehen in Gaststättengebäude
Da die Investoren sich entschieden haben, in dem Objekt günstige Wohnungen zu schaffen, erhalten sie Fördergeld. Zum einen vom Landkreis, konkret der Gesellschaft für Sozialen Wohnungsbau und Strukturförderung, die pro Apartment 20 000 Euro zuschießt. Darüber hinaus rechnen Carle und seine Mitstreiter mit einer Landesförderung, die sich auf etwa ein Viertel der Investitionssumme belaufen könnte.
Dafür gehen die Fünf allerdings auch Verpflichtungen ein, wie etwa eine 25-jährige Mietpreisbindung. Heißt konkret: In dieser Zeit muss die Miete mindestens 15 Prozent unter der ortsüblichen liegen. Außerdem dürfen die Wohnungen nur an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet werden, und Landkreis und Kommunen erhalten eine Zuweisungsberechtigung. »Auf diese Weise lässt sich das Vorhaben finanzieren«, sagt Carle. Denn ein Renditeobjekt sei die »Krone« nicht. Der Charme bestehe darin, der Gemeinde ein historisches Gebäude zu erhalten.
Fernwald-Annerod: Gastronomen zeigen bereits Interesse
Was den zeitlichen Fahrplan angeht, rechnet man bei der Immobilien GmbH damit, dass der Umbau im Sommer beginnen und ein Jahr später beendet sein wird. »Der Bauantrag ist gestellt, die Förderanträge sind in Vorbereitung und sollen im Laufe des Februars eingereicht werden«, so Carle.
Und welches Gastronomie-Konzept verfolgen die Anneröder? Dazu will Carle zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht konkret werden. Man sei mit zwei Interessenten im Gespräch. In beiden Fällen handele es sich um erfahrene Gastronomen, die sich mit »gutem, rustikalen Essen« auskennen. So, wie es die früheren »Krone«-Gäste gewohnt sind.